Genre-Fans – und damit meine ich hier Science-Fiction oder Fantasy – sind dafür bekannt, dass sie stets mehr wollen. Wenn ihnen etwa eine TV-Serie gefällt, genügt es nicht, dass es nur diese TV-Serie gibt. Dann sollen Begleitromane her, T-Shirts, mit denen man ein Statement abgeben kann, und schicke Deko-Figuren für die heimische Vitrine. Verspielte Naturen wünschen sich obendrein etwas, womit sie eine Weile selbst in die Rolle der TV-Heldinnen und Helden schlüpfen können. Vielleicht ein Brettspiel. Aber gibt es sowas? Oh, ja! Lasst euch von mir in eine abseitige Ecke des Kultserien-Merchandise entführen …
Battlestar Galactica – Das Brettspiel
Zahllose Genre-Fans hat die Neuinterpretation der klassischen TV-Space-Opera Kampfstern Galactica vor den Fernseher gebannt. Die Geschichte um die koloniale Flotte, die unter dem Kommando von Admiral Adama nach einem Vernichtungsschlag der maschinenhaften Zylonen gegen die Menschheit auf der Suche nach der verlorenen Erde ist, konnte sowohl optisch als auch inhaltlich überzeugen. Das 2008 von Fantasy Flight Games entwickelte und vom Heidelberger Spieleverlag auf Deutsch vertriebene Brettspiel zum Franchise ist ein Kooperationsspiel für drei bis sechs Spieler, deren Ziel es ist, die Galactica und ihre Flotte bis zum Planeten Kobol zu bringen, einer wichtigen Wegmarke auf der Suche nach der verlorenen dreizehnten Kolonie namens Erde.
Allerdings arbeiten nicht alle Spieler zusammen. Einige von ihnen sind vielmehr geheime Zylonenagenten, die nur wie Menschen aussehen (ein Kernthema der TV-Serie) und die verhindern müssen, dass die Menschen ihr Ziel erreichen, indem sie diese um ihre wertvollen Ressourcen bringen oder die Galactica mit ihren Basissternen oder Bodentruppen zerstören beziehungsweise erobern. Dabei gelingt es dem Spiel perfekt, den Druck aufzubauen, den die Menschen auf ihrer Flucht vor den Zylonen erleiden müssen. Und auch die Paranoia, die in der Flotte um sich greift, wurde gut an den Spieltisch übertragen. Insgesamt ist Battlestar Galactica ist eine extrem atmosphärische Umsetzung der TV-Serie und allen Fans des BSG-Reboots uneingeschränkt zu empfehlen.
Auch interessant: Wer Gefallen an dem Spiel gefunden hat, der sollte sich auf die Suche nach den drei Erweiterungsboxen begeben. Die Pegasus-, die Exodus– und die Götterdämmerung-Erweiterung bringen neue Aspekte der TV-Serie ins Spiel, etwa den Kampfstern Pegasus, den Planeten Caprica, Meuterei und die Verhandlung mit fragwürdigen Zylonenanführern.
Buffy the Vampire Slayer: The Board Game
Joss Whedon ist ein Name, an dem man um die Jahrtausendwende als Genre-Fan kaum vorbeikam. Mit Buffy – Im Bann der Dämonen, Angel – Jäger der Finsternis und Firefly – Der Aufbruch der Serenity war er für gleich drei Kracherserien dieser Zeit verantwortlich. Im Brettspiel zu Buffy, 2017 von Lynnvander Studios entwickelt und von Jasco Games veröffentlicht, übernehmen ein bis sechs Spieler Buffy, Willow, Xander und Co und versuchen vollkooperativ den „Big Bad“ der Staffel (beziehungsweise der Partie), der die lauschige Stadt Sunnydale heimsucht, zu besiegen. Zur Auswahl stehen hier beispielsweise der Urvampir namens The Master, die Exil-Höllengöttin Glorificus oder der gefallene Priester Caleb.
Um ihre Aufgabe zu bewältigen, bewegen die Spieler ihre Figuren quer über einen Sunnydale-Spielplan und versuchen, drei „Monster der Woche“ zu besiegen, die Hinweise auf den Plan und die Schwächen des „Big Bad“ liefern und den Kampf gegen diesen somit erst ermöglichen. Störend mischen sich dabei immer wieder Vampire und Dämonen ein, die in jeder Gasse von Sunnydale lauern, Stadtbewohner töten oder die Charaktere verletzen. (Beides schlecht, weil es einen „Apocalypse Track“ füllt, der zur Niederlage der Spieler führt, wenn er gänzlich voll ist.) Das Spiel mag nicht so opulent daherkommen, wie manches Brettspiel-Schwergewicht heutzutage, aber es spielt sich dennoch sehr stimmungsvoll und ist für finstere Winterabende perfekt geeignet.
Auch interessant: Erweitern lässt sich das Spiel mit der kleinen Box Buffy the Vampire Slayer: The Board Game – Friends & Frenemies. Darin finden sich 6 neue Helden – etwa Riley Finn und Tara Summers –, zwei neue Big Bads und ein paar weitere Ergänzungsmaterialien.
Firefly – Das Spiel
Und gleich nochmal Joss Whedon! „Finde eine Crew – finde einen Job – flieg weiter.“ Das war das Motto der TV-Serie Firefly – und so steht es als Slogan auf der schicken Box von Firefly – Das Spiel von Gale Force Nine (auf Deutsch vom Heidelberger Spieleverlag herausgebracht). Damit ist auch bereits ziemlich gut beschrieben, worum es in dem atmosphärisch dichten und mit zahlreichen Filmfotos gespickten Brettspiel von 2014 geht. Bis zu vier Spieler übernehmen darin die Rolle eines freischaffenden Unternehmers, der mit nichts weiter als einem alten Firefly-Klasse-Schiff, ein bisschen Treibstoff, Ersatzteilen und Credits loszieht, um in dem überschaubaren Mehrsonnensystem, in dem Joss Whedons „Verse“ angesiedelt ist, sein Glück zu machen. Ziel des Spiels ist es, als erster die mehrteiligen Aufgaben zu bewältigen, die das jeweils gewählte Szenario stellt.
Wer Firefly mag, der wird sich bei diesem Spiel sehr zuhause fühlen. Die Bilder, die Sprache, das Spielkonzept: stimmt alles. Der einzige Haken liegt vielleicht darin, dass das Spiel selbst vergleichsweise wenig Druck auf die Spieler ausübt, gegeneinander vorzugehen. Es gibt von allem reichlich: Crew, Ausrüstung, Jobs. Wenn eine Gruppe also keine Eile an den Tag legt, weil sie sich einfach gern im Verse herumtreibt, kann sich eine Partie ordentlich in die Länge ziehen, und am Ende wird es fast zu leicht, Herausforderungen auf Ereigniskarten zu bestehen und Story-Ziele zu erfüllen. Ob aus einer Partie also ein gemütlicher Nebeineinanderher-Spaziergang durchs All wird oder ein dramatischer Wettlauf um den Sieg, liegt ganz bei den Spielern. Doch so oder so ist Firefly – Das Spiel allen Hobby-Browncoats wärmstens zu empfehlen!
Auch interessant: Auch dieses Spiel hat diverse Erweiterungen nach sich gezogen. Beispielsweise über Piraten und Kopfgeldjäger. Oder die Kartenergänzung Schwerelos. Auf Englisch gibt es zusätzlich die Spielbrett-Erweiterungen Blue Sun und Kalidasa, sowie Schiffs-Erweiterungen namens Jetwash und Esmeralda. Alles gesammelt findet man in der jüngst erschienenen Firefly 10th Anniversary Collectors Edition, einem massiven Brocken von einer Spielbox, die aber auch einen stattlichen Preis aufruft.
Legendary Encounters: The X-Files Deck Building Game
Die Wahrheit ist irgendwo da drinnen – irgendwo in diesen 500 Karten, aus denen das Spiel Legendary Encounters: The X-Files Deck Building Game von Upper Deck aus dem Jahr 2018 besteht. Falls euch der Name Legendary Encounters bekannt vorkommt, habt ihr möglicherweise meinen Artikel über „Brettspiele zu Kultfilmen“ gelesen und könnt den Rest des Absatzes überspringen. Wer das nicht getan hat: Deck Building Games sind Kartenspiele, die man mit einem relativ schwachen Set aus Einsteigerkarten beginnt, nur um im Laufe der Partie immer stärkere Karten nach eigener Wahl „dazukaufen“ zu können. So entsteht in jeder Partie ein individuelles Kartendeck, das für ein anderes Spielerleben sorgt. Encounters ist dabei eine Spin-Off-Reihe des Superhelden-Kartenspiels Legendary: A Marvel Deck Building Game, die sich auf Medienlizenzen konzentriert. Wie etwa The X-Files.
Das Spiel für ein bis fünf Spieler ist laut Karton tatsächlich „ab 17 Jahren“, was weniger der Komplexität als eher den Fotoabbildungen aus der Mystery-Serie geschuldet sein dürfte, die tatsächlich hier und da etwas verstörende Motive aufweisen (wer die Serie kennt, dem muss ich darüber nichts erzählen). Die Spieler übernehmen die Rolle von FBI-Agenten – etwa Mulder, Scully oder Direktor Skinner – und müssen Spuren folgen, um Hinweise zu finden, die ihnen dabei helfen, eine groß angelegte Verschwörung aufzudecken. Diese muss dann im „End Game“ bewältigt werden. Verbündete helfen dabei, gegnerische Kräfte, die fieserweise sogar den „The Bureau“ genannten Kartenkaufbereich infiltriert haben, behindern das Vorankommen. Pro Partie spielt man drei Seasons der Serie durch, wobei die Karten ihr Bildmaterial aus den „klassischen“ neun Staffeln ziehen. Ganz leicht ist das Spiel nicht, und manche kritisieren die fehlende Möglichkeit, schwache Karten loszuwerden, um das eigene Deck wirklich „aufzubauen“. Trotzdem liegt hiermit das derzeit beste Akte X-Spiel vor, das eine Menge Mystery-Atmosphäre an den Spieltisch bringt.
Auch interessant: Wer Spaß an Deck Building Games hat, aber The X-Files nicht mag, oder aber das Spiel mochte und nun mehr von der Art haben will, dem kann ich noch ein Geschwisterprodukt empfehlen: Legendary Encounters: A Firefly Deck Building Game. Hier übernimmt man Malcolm Reynolds und seine Crew, um Herausforderungen der TV-Episoden zur bewältigen.
Doctor Who: Time of the Daleks
„Their creator had a plan to make the Daleks great again.“ – Wenn die Beschreibung eines Spiels auf der Boxenrückseite schon so beginnt, muss man es doch einfach mögen, oder nicht? In dem Gale-Force-Nine-Spiel Doctor Who: Time of the Daleks von 2017 hat Davros, der Meister der Daleks, den Supercomputer der Time Lords – genannt Matrix – auf deren Heimatwelt Gallifrey infiltriert. Dort hat er die Zeitlinie des Doctors analysiert und einen Plan entwickelt, seinen Erzfeind aus der Geschichte zu tilgen. Nun ist es an zwei bis vier Spielern, in die Rolle einer der Doctor-Inkarnationen zu schlüpfen und durch Raum und Zeit zu reisen, um mithilfe zahlloser Companions das Netz der Zeit zu reparieren. Dabei müssen sie schneller als die Daleks vorgehen, wenn es nicht zur Katastrophe kommen soll.
Das schick aufgemachte Spiel, das wirklich aus jede Pore Doctor Who-Flair verströmt, ist im Kern eine fröhliche Würfelorgie, also durchaus ein Spiel für Gelegenheitsspieler, die sich keine vier Stunden für eine Partie an den Tisch setzen wollen. Ziel des semikooperativen Spiels ist für jeden Doctor, als erster – also vor seinen Mitstreitern und den Daleks – Gallifrey zu erreichen. Das gelingt, indem man Herausforderungen auf verschiedenen Planeten meistert, die es einem erlauben, seine Tardis auf dem „Web of Time Board“ zu bewegen. Herausforderungen geben zufällig generierte Würfelkombinationen vor, die man mithilfe eines Würfelpools in einem Zug erwürfeln muss. Der eigene Pool setzt sich dabei aus den Würfeln des Doctors und seiner jeweiligen Companion zusammen. Companions und andere Ereigniskarten erlauben zudem etwa ein Neuwürfeln oder den Austausch eines Würfels oder das Drehen auf eine bestimmte Symbolseite. Das ist leicht erlernt und erfordert doch ein gewisses Mitdenken. Nicht nur Doctor Who-Fans können daran ihre Freude haben.
Auch interessant: Das Basisspiel kommt mit vier Doctors einher, dem ersten, vierten, elften und zwölften Doctor. Wem das nicht genügt, der greift zu den Erweiterungs-Sets, von denen es sechs gibt. Vier von ihnen enthalten je zwei weitere Doctors, außerdem neue Planeten, Probleme, Companions etc., zwei weitere kommen mit namhaften Freunden derselben daher. Das Spiel selbst ändert sich dadurch kaum, es wird aber vielfältiger.
Und sonst so?
Ähnlich wie im Artikel über „Brettspiele zu Kultfilmen“ habe ich hier natürlich erneut nur an der Oberfläche gekratzt. Allein zu den oben genannten Franchises gibt es noch diverse andere Brettspiele. Etwa Battlestar Galactica: Starship Battles (2018), Firefly Adventures: Brigands and Browncoats (2018), Buffy the Vampire Slayer: The Game (2000), The X-Files (2015) und Doctor Who: Exterminate! The Miniatures Game (2017). Von den Brettspielen zum Star Trek-Franchise will ich gar nicht erst anfangen (doch, will ich schon, aber das werden eigene Artikel). Und wer es richtig trashig liebt, der sucht mal auf dem virtuellen Flohmarkt nach schrägen Spielegurken wie The A-Team (1984), Hercules: The Legendary Journeys (1998) oder Xena Warrior Princess: The Board Game (1998). Aber wenn ihr dafür Geld ausgebt, dann definitiv auf eigene Gefahr!
Informationen zum Redakteur
Bernd Perplies
Website: http://www.bernd-perplies.de
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Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Bernd_Perplies
Bernd Perplies verbringt schon sein ganzes Leben mit Zwergen und Sturmtrupplern, Vampiren und Vulkaniern. Prägende Jugendjahre voller Abenteuer an der Seite von Perry Rhodan, Jean-Luc Picard, Gandalf und Luke Skywalker sorgten für eine Anhäufung unnützen Wissens über neue Welten, neues Leben und neue Zivilisationen fernab der Realität. Um dieses Wissen sinnvoll weiterverwerten zu können, entschied er sich für eine Laufbahn als Schriftsteller, Übersetzer und Journalist.
Seitdem hat er zahllose Artikel für die SpaceView, das Phantastika Magazin und Tor Online verfasst, rund 20 Star Trek-Romane (und ein bisschen Genre-Beifang links und rechts) übersetzt, etwa 1000 Seiten an Playmobil-Magazin-Comics ersonnen und annähernd 50 phantastische Romane für Kinder, Jugendliche und Erwachsene geschrieben, darunter die Magierdämmerung-Trilogie, offizielle Beiträge zu Shadowrun und BattleTech, die Drachengasse 13-Reihe und Star Trek Prometheus, den Geburtstagsdreiteiler des Cross-Cult-Verlags zum 50-jährigen Jubiläum von Captain Kirk & Co.
Bernd Perplies lebt mit seiner Familie (und einer einzelnen tapferen Grünpflanze) unweit von Stuttgart in einem Labyrinth aus Billy-Regalen voller Bücher, Filme und Brettspiele.