Analyse

„Star Trek: Der Film“ versus „2001: Odyssee im Weltraum“ – Ein Vergleich

© Paramount

Sven Wedekin vergleicht für euch “Star Trek: Der Film” mit “2001: Odyssee im Weltraum” und zieht einen Vergleich.

© Paramount

Ein wahrer Klassiker

Was gibt es über Stanley Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum eigentlich noch zu sagen? Eigentlich nichts mehr, denn nach nunmehr 56 Jahren ist über diesen Film wohl alles geschrieben worden, was es zu schreiben gibt. Jedes noch so kleine Detail wurde analysiert, jede mögliche versteckte Bedeutung, die der Streifen hat ausdiskutiert. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass kein anderer Film der Kinohistorie eine solche Masse an Kritiken, Untersuchungen und Analysen nach sich gezogen hat. Von daher gibt es inzwischen nichts wirklich grundlegend Neues oder gar Endgültiges mehr zu Kubricks Werk zu sagen.

Unterm Strich bleibt im Grunde nur noch eine Erkenntnis, auf die sich alle einigen können: Entweder man liebt 2001 oder man hasst ihn. Dazwischen gibt es nichts. Vielleicht ist gerade dies der Beweis dafür, dass es sich bei dem Film um ein Kunstwerk im besten Sinne des Wortes handelt, denn ist es nicht gerade das Merkmal von wirklich großer Kunst zu polarisieren?

Wenn diese Definition korrekt ist, ist 2001 zweifellos das ultimative Kunstwerk der Filmgeschichte und es verwundert daher auch nicht was für eine große Zahl an Filmemachern er dazu inspiriert hat eigen Werke zu produzieren, die sich an Kubricks Meisterstück orientieren. Steven Spielberg tat es mit Unheimliche Begegnung der dritten Art, James Cameron mit The Abyss, Robert Zemeckis tat es mit Contact und Christopher Nolan mit Interstellar.

All diesen Filmen ist gemeinsam, dass sie sich mal mehr mal weniger an 2001 anlehnen, sei es indem sie bestimmte Plotpoints imitieren oder dessen Bildsprache kopieren.

Wir wollen das auch

Doch es gibt einen Film, der sich ganz besonders ungeniert beim großen Vorbild bedient hat, indem er sich am stärksten jene Stilmittel aneignet, zu denen Kubrick gegriffen hat, nämlich Star Trek: Der Film von 1979. Bei keiner anderen Science-Fiction-Produktion ist es so offensichtlich, dass die Macher 2001 nicht einfach nur als Vorbild betrachtet haben, sondern gleich ihre ganz eigene Version des Streifens machen wollten. Auch hier gibt es lange Passagen, in denen im Grunde gar nichts passiert, sondern sich die Kamera einfach nur an den spektakulären Bildern ergötzt, die mit den neusten SFX-Techniken realisiert wurden, die anno 1979 verfügbar waren.

Paramount wollte nicht einfach nur klotzen, sondern kleckern. Man scheute keine Kosten und Mühen und engagierte die besten Leute der Industrie, um hier wahrhaft großes, episches Kino zu produzieren, das sich weder vor 2001 noch vor irgendeiner anderen Science-Fiction Produktion der damaligen Zeit zu verstecken brauchte. Man wollte einerseits unbedingt am Genreboom mitverdienen, den George Lucas unmittelbar zuvor mit Star Wars losgetreten hatte, anderseits aber auch etwas künstlerisch wertvolleres schaffen, als eine einfache, im Comicstil gefilmte Gut-gegen-Böse-Story.

Der namhafte Regisseur Robert Wise, dessen bis dahin einzige Science-Fiction-Arbeiten die beiden Klassiker Der Tag, an dem die Erde stillstand und Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All waren, wurde mit der Realisierung einer Geschichte betraut, die durchaus ein gewisses philosophisches Potential in sich trug: Eine von Menschen erschaffene Maschine, die sich in eine ebenso intelligente wie mächtige Entität namens V’Ger verwandelt hat, kehrt zur Erde zurück, da sie dort ihren Schöpfer vermutet und begibt sich am Ende in einen höheren Daseinszustand – was immer das auch sein mag. V’Ger hält jedoch die Maschinen für die eigentlichen Herrscher der Erde und die Menschen nur für entbehrliche Fremdkörper, die er vernichten will.

Genau wie 2001 bemüht sich Star Trek: Der Film eine rätselhafte Story mit opulenten Bildern zu verknüpfen, um den Zuschauer zum Staunen zu bringen. Hierzu bedient er sich betont langer Einstellungen, die man in Ruhe auf sich Wirken lassen kann. Ein krasser Kontrast zu den teils hektischen Schnittgewitter der Actionspektakel unserer Tage. Außerdem hält der Streifen ein bewusst kryptisches Ende bereit, welches zwar nicht ganz so mysteriös daherkommt wie bei 2001, aber eben trotzdem recht bizarr anmutet und im Grunde so gar nicht zu dem Star Trek passt, das die Fans aus dem Fernsehen kennen.

Vergleich zu früher

Die alte TV-Serie bezog ihren Reiz ja unter anderen aus der Chemie zwischen den drei Hauptcharakteren Kirk, Spock und Dr. McCoy. Sie hatten ihre unterschiedlichen Stärken und Schwächen und auch höchst unterschiedliche Wege mit Problemen umzugehen. Doch unter dem Strich waren sie immer ein perfektes Team, das sich, allen Differenzen zum trotz, immer ergänzte. Die drei repräsentieren dabei die verschiedenen Aspekte der menschlichen Psyche: Spock war der logisch-analytische Teil, Dr. McCoy der emotional-humanistische Aspekt und Captain Kirk war der Teil, der zwischen diesen beiden Extremen vermittelte. Es waren eben diese Unterschiede, die eine echte charaktermotivierte Dramatik in den einzelnen Folgen der Serie erzeugte.

Im Kinofilm ist davon freilich nichts mehr zu spüren. Man könnte fast meinen Regisseur Wise hat absichtlich nie eine Episode der Serie gesehen und wusste daher nichts mit den Figuren anzufangen, damit er seine ganz eigene Version von Star Trek auf die Leinwand bringen konnte, unbefangen von den Zwängen der Serie.

Natürlich gibt es auch viele, die 2001 exakt den gleichen Vorwurf machen. Auch hier wurde kritisiert, dass die beiden Astronauten Bowman und Poole im Grunde gar keine richtigen Charaktere sind, da man buchstäblich nichts persönliches über sie erfährt und sie dem ganzen Film über praktisch keinerlei Emotionen zeigen. Dies ist jedoch der Tatsache geschuldet, dass die beiden – eben ganz genau wie Kirk, Spock und McCoy – sinnbildlich für den Menschen an sich stehen. Aber anders als das Triumvirat von der Enterprise besitzen sie eben gerade deshalb keine spezifischen Charaktereigenschaften, die sie als Individuen kennzeichnen. Dies stellt dann eben auch den stärksten Kontrast zwischen 2001 und Star Trek dar, und gleichsam die größte Gemeinsamkeit.

Die drei uns wohlbekannten Offiziere von der Enterprise stehen für all die Widersprüche, Fehler aber auch Stärken, welche uns als Spezies ausmachen. Die Serie schildert letztlich die Suche des Menschen nach der Wahrheit über das Universum, darüber welchen Platz sie darin einnimmt. Genau derselben Frage geht auch Kubrick nach, jedoch verfolgt er einen ganz anderen Ansatz. Ohne falsche Bescheidenheit widmet er sich den wirklich großen Fragen über das Verhältnis des Menschen zur Technik, zum Universum, zum Tot, zur Gewalt, zum Fortschritt und auch zu Gott. Doch die Antworten überlasst er ganz allein dem Publikum. Man kann daher ohne Übertreibung sagen, dass sich Kubricks kompromissloser kreativer Ansatz in erster Linie an Zuschauer mit überdurchschnittlicher Intelligenz richtet.

Star Trek: Der Film hingegen macht es sich in vielerlei Hinsicht eigentlich zu einfach, weil er die visuelle Handschrift von 2001 platt wiederholt und gerade deshalb die Wesensmerkmale von Star Trek, aber eben auch von 2001 verrät. Dem Film fehlt alles, was die Fans an ihrem Franchise liebten und gleichsam die vielen Bedeutungsebenen seines Vorbilds. Aber ist er deshalb wirklich ein schlechter Film?

Im Rückspiegel

Heutzutage gehen manche Fans sogar soweit Star Trek: Der Film als den besten aller 13 Kinofilme des Franchises zu betrachten. Warum? Nun, wohl auch deshalb weil er von allen Filmen die größte Eigenständigkeit besitzt. Gerade weil er sich so weit von der Serie entfernt ist er für Nicht-Fans zugänglicher, trotz seiner vielen Längen und unnötig gedehnten Sequenzen. Und auch jene eingefleischten Fans, die dem Film nicht viel abgewinnen können geben zu, dass es sich bei Star Trek: Der Film um eine gute Science-Fiction, aber trotzdem um eine schlechte Star Trek-Produktion handelt.

Was ist davon zu halten? Bedeutet es etwa im Umkehrschluss, dass ein guter Trek-Film automatisch weniger gute Science-Fiction ist? Na ja, bis zu einem gewissen Grad schon. Man muss den Verantwortlichen des Franchises schon irgendwo den Vorwurf machen, dass sie sich mit den anderen Kinofilmen mehr oder weniger auf eine simple Erfolgsformel ausgeruht haben: Irgendein Bösewicht taucht auf, der sich für etwas rächen will und droht entweder die Enterprise oder gleich die ganze Föderation zu zerstören. Dem folgen dann einige wilde Actionszenen und am Ende hat die Crew der Sternenflotte über das Böse gesiegt und im heilen Star Trek-Universum herrscht wieder Frieden und Ordnung, ganz wie Gene Roddenberry es sich gedacht hat.

Doch ist ein solch simples Handlungskonstrukt wirklich kluge, zum nachdenken über die existentiellen Fragen des Lebens anregende Science-Fiction? Eher nicht. Denn die große Stärke dieses Genres bestand nun mal immer darin sich mit Ideen zu beschäftigen und den Horizont des Zuschauers auf unterhaltsame Weise zu erweitern, auch indem es gängige Ideen, Ideologien und Weltbilder kritisch in Frage stellt. Gerade Star Trek-war immer dann am besten, wenn es genau das getan hat.

Stanley Kubrick hat das Potential des Genres erkannt, denn trotz der Sperrigkeit seiner Inszenierung entführt 2001 sein Publikum auf eine Reise in ein Universum jenseits seiner Alltagserfahrung und seiner Vorstellungskraft. Dadurch ist sein Werk Science-Fiction im besten Sinne des Wortes, denn es benutzt reale wissenschaftliche Erkenntnisse als Fundament für eine faszinierende Geschichte über die Zukunft der Menschheit, welche das Publikum dazu animiert über den Platz unserer Spezies im Kosmos und unsere Bedeutung in der großen Geschichte der Evolution des Lebens nachzudenken.

Auch Star Trek: Der Film hätte das Potential für eine solche Story gehabt, was aber leider verschenkt wurde. Es reicht eben nicht beeindruckende Trickaufnahmen zu zeigen, um beim Zuschauer einen Sinn für die Wunder des Universums zu wecken, weswegen der Film bei den Kritiker als auch beim normalen Publikum zunächst durchfiel.

Erst im Lauf der Zeit begann sich das Blatt aber zu wenden. Im Licht der darauffolgenden Star Trek-Filme begann man die Qualitäten des Erstlings zu schätzen zu wissen. Gerade das fehlen eines richtigen Antagonisten und die fast schon meditative Langsamkeit des Streifens werden heute deutlich positiver gewertet als früher. Auch das der Film sich mit der esoterisch angehauchten Frage nach dem Sinn des Lebens auseinandersetzt – denn genau nach diesem Sinn sucht V’Ger – hebt ihn wohltuend von den Actionabenteuern der neueren Filme ab. Vor diesem Hintergrund werden die großen Unterschiede zu den Fernsehepisoden nur noch als kleines Manko angesehen.

Da dem Streifen das rätselhaft-mystische Element von 2001 fehlt ist er in vielerlei Hinsicht auch zugänglicher. Auch gibt es hier nicht all die philosophischen Deutungsebenen, die Generationen von Kritikern und Cineasten Stoff zum debattieren zu geben vermögen und trotzdem ist er deutlich weniger pseudoesoterisch wie manche meinen. Das erste Kinoabenteuer der Enterprise Crew gehört zwar nach wie vor völlig zu Recht nicht zu den Klassikern des Genres, braucht sich vor diesem aber eben auch nicht zu verstecken. 

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