Sagt euch der Name Piranha Bytes noch etwas, oder anders gefragt: seid ihr Fans der altehrwürdigen Gothic-Reihe? Wenn ja, gehört ihr nicht nur zum alten Eisen der Gamercommunity sondern habt auch einen guten Spielgeschmack. 2001 kam nämlich kaum ein Zocker, der etwas auf sich hielt, an der Story um den namenlosen Helden vorbei, der durch eine mysteriöse magische Barriere geschickt wurde, um dort sein Schicksal zu erfüllen. Hakelige Steuerung? Ein Kampfsystem zum Haare ausraufen? Das alles nahm man gerne für eine gut durchdachte Spielwelt in Kauf, die einen so tief ins Geschehen zog, dass man sich oft genug selbst in der Haut des Namenlosen wähnte, der im Alten oder Neuen Lager um sein Überleben kämpfte.
Wer wollte schließlich nicht die Welt Myrtanas vor den bösen Orks retten und ganz nebenbei die Barriere für immer vernichten, um den dort Gefangenen ein Leben in Freiheit zu ermöglichen? Dass viele der Charaktere, denen wir in den zwischen 40 und 60 Spielstunden begegneten, wahre Halsabschneider waren, kümmerte uns nicht, immerhin gab es da ja den gutmütigen Diego im Alten Lager oder den wagemutigen, treuen Freund Gorn, den wir im Neuen Lager kennenlernen konnten. Und dann wären da noch der oberste Erzbaron Gomez, der Herrscher des Sumpflagers Y’Berion und viele mehr.


Gothic: kaum ein Spiel sorgt vor allem bei deutschen Spielerinnen und Spielern für so schwer- und wehmütige Blicke in die ferne Vergangenheit, wie dieses. Allerdings war es nach dem schändlichen vierten Reihenableger Arcania: A Gothic Tale (2010), der ohne die Zusammenarbeit mit dem Essener Spielestudio entstand, lange Zeit ruhig um Myrtana geworden. Doch dann geschah eine Art Wunder, denn der heutige Rechteinhaber THQ Nordic warf plötzlich die Schatten eines Remakes des Klassikers von 2001 voraus. Doch wie sollte das ohne Björn und Jenny Pankratz ablaufen, die Piranha Bytes klugerweise kurz vor dem Eintreten der großen Katastrophe in Form der Auflösung des Studios verlassen hatten? Und noch weiter gefragt: Wie wollte man ohne die Expertise der ehemaligen Entwickler der Kernreihe vorgehen? Die Antwort kam aus Spanien, genauer gesagt aus Barcelona und heißt Alkimia Interactive, das ausgerechnet von Reinhard Pollice geleitet wird. Der hatte schon die Arcania: A Gothic Tale-Katastrophe maßgeblich mitverantwortet, eine Tatsache, die nicht unbedingt Vertrauen schürte. Dieses Mal sollte jedoch alles anders werden, versprachen die Spanier den Fans doch hoch und heilig, das Original zu ehren und nur dort zu modernisieren, wo es wirklich notwendig wäre.
Wie um zu beweisen, wie ernst es Alkimia mit dem Remake meinten, fand sich am 24. Februar 2025 eine kurz zuvor offiziell verlautbarte Überraschung auf Steam. Mit Gothic Remake: Nyras Prologue erhielten geneigte Zocker endlich einen ersten Eindruck davon, was Ende 2025 auf sie zukommen soll. Die circa 45 Minuten Spielzeit drehen sich dabei nicht um den namenlosen Helden, sondern um den im Titel erwähnten Frischling Nyras, der soeben durch die Barriere geschickt wurde und nun versucht, einen sicheren Schlafplatz zu ergattern. Auf seinem Weg dorthin trifft er auf den guten alten Diego, aber auch auf einige andere, teils aus dem Original bekannte Figuren, bei denen er Quests erlangen kann, um sein begehrtes Plätzchen am warmen Lagerfeuer zu bekommen.


Die erste Welle
So begeistert viele Fans von der Grafik und dem tollen Retro-Feeling waren, das der spanische Entwickler auf die PC-Bildschirme gezaubert hatte, so laut hallte auch die Kritik in den Büroräumen der Programmierinnen und Programmierer wider. Moniert wurde überwiegend das tatsächlich miese Treffer-Feedback, die aufgrund des zu langsamen Bewegungstempo unschöne Steuerung und das optisch nicht passende User Interface. Dennoch erhielt die Demo sowohl bei der Fachpresse als auch bei vielen Gamern insgesamt positive Reviews, so dass es lohnenswert schien, sich die genannten Punkte genauer anzuschauen. Mitte Mai 2025 geschah dann erneut etwas, mit dem kaum jemand gerechnet hatte: Alkimia gab einen Patch für das Testprogramm heraus, der viele Probleme ausmerzte und das Spielgefühl erheblich verbesserte.
Neben dem noch größeren Spaß, den die atmosphärische Demo nun macht, bewies das Studio damit, dass man die Community ernst nimmt und wirklich daran interessiert ist, dem Franchise die Ehre zu erweisen, die ihm gebührt. Denn Gothic ist mehr als nur ein RPG. Gothic ist in Zeiten von Live-Service-Games, AAAA-Labeln, Lootboxen, Seasonpässen und fiesen Pay-to-Win-Mechaniken sogar in Vollpreistiteln pure Erinnerung an eine Zeit, in der PC-Games noch in erster Linie für die Spieler geschaffen wurden. Genau dieses Feeling vermittelt das Nyras-Kapitel beim Durchspielen. Die Welt ist punktgenau getroffen, die Grafik modern und ansprechend, die Figuren sind liebevoll neu designt und sogar die immer schon recht eigenwillige Art, in der sich der Namenlose bewegt, wurde eingefangen.
Die zweite Welle
Inzwischen habe ich die Demo dreimal durchgespielt, obwohl ich im Grunde genommen nicht viel mehr als ein Tutorial zu sehen bekomme. Dieses gleicht obendrein noch dem aus dem Originalspiel fast wie ein Ei dem anderen, nur eben in Schön und mit einer neuen Figur, weil uns Alkimia den Helden lieber noch vorenthält. In Anbetracht der Erwartungshaltung verwundert die Entscheidung nicht, zumal man uns zumindest die Freude eines Wiedersehens mit Diego nicht verwehrt. Das allein ist schon ein Riesenspaß, doch der erste Kampf mit zwei wütenden Scavengers, die Begegnung mit stinkenden Fleischwanzen, das Trinken eines Heiltranks und das Schwingen meines ersten rostigen Schwertes.
All dies fühlt sich an, als wäre ich nach 25 Jahren endlich wieder zu Hause, auch, wenn ich mein geliebtes Neues Lager nur von außen bewundern darf. Doch der Blick von einer Brücke hinunter auf den Turm der Magier entschädigt mich dafür, dass ich nach dem Erfüllen der drei Einführungsquests zwar bei meinen neuen Freunden übernachten darf, die Tore des Lagers aber nicht betreten darf. Doch was nicht ist, kann ja noch werden. Nein, es wird werden, denn sobald das Gothic 1 – Remake auf meiner Lieblingsplattform Steam zur Vorbestellung freigegeben ist, gehöre ich garantiert zu den ersten Zockern, die zuschlagen werden. Denn Vorfreude ist doch immer noch die schönste Freude, oder?


