Das Sandbox-Weltraumspiel No Man’s Sky ist neun Jahre nach seinem Release endlich mehr als nur einen Blick wert. Was man hier für sein Geld bekommt, ist quasi unbezahlbar – vor allem, wenn man ein gestandener Sci-Fi- und Space-Opera-Fan ist. Doch beginnen wir von vorne.
Nichts für mich?
Als ich mir zu Weihnachten No Man’s Sky im Angebot gönnte, ahnte ich noch nicht, was auf mich zukommen würde. Ich installierte das Game, wühlte mich durch die erste Stunde des Tutorials – und klickte schließlich desinteressiert den Back-to-desktop-Button. Erst zweieinhalb Monate später wagte ich mich noch einmal an die Sache heran, diesmal mit der Motivation im Gepäck, endlich herauszufinden, warum die über 260000 Reviewer bei Steam auf 81% Zustimmung kommen.
Inzwischen bringe ich es auf 51 Stunden Spielzeit, besitze immerhin sechs von 15 Steam-Sammelkarten und 14 von 27 Errungenschaften, darunter so illustre Titel wie „Eroberungsformation“ für den „Berüchtigtstatus in Zerstörte Schiffe“. Nein, ich bin kein leidenschaftlicher Krieger, dessen Opfer man im Weltraum nicht schreien hören darf, das muss im Spiel erfreulicherweise auch niemand sein. Ein wenig Action hier und da schadet allerdings auch nicht und ein paar „Units“ (eine von drei Hauptwährungen) Kopfgeld füllen die zu Beginn ohnehin knapp gefüllte Börse relativ schnell auf.
Die tollen, unzählbaren Schiffe und Cockpits sowie die locker gestalteten Fights mit sinnvoller Verfolgungstaste für Teilzeitkrieger machen mir außerdem eine ganze Menge Spaß, wenn sie auch bei weitem nicht der Hauptgrund dafür sind, warum ich No Man’s Sky inzwischen wie kein anderes Spiel verehre.

Rein zockertechnisch bin ich eigentlich eher der typische Entdecker und Erbauer. Ein Schuss Survival in einer immersiven Open World geht auch noch in Ordnung, wenn er nicht zu bockschwer ausfällt. Ach ja, ein paar typische Rollenspielelemente sollten am besten auch nicht fehlen. Mein circa 800 Computer- und Konsolenspiele umfassendes Portfolio zieren so unterschiedliche Titel wie Manor Lords, Robin Hood: Sherwood Builders, die Fallout-Reihe, aber auch The Long Dark. Auf dem Multiplayersektor hat es mir hingegen besonders Guild Wars 2 angetan, vor allem, seit man dort sein eigenes Heim errichten darf.
Trotz meiner nicht gerade kleinen Sammlung fehlte mir aber noch etwas ganz Bestimmtes: Die eierlegende Wollmilchsau im Weltraum nämlich. Und genau die habe ich schließlich in No Man’s Sky gefunden. Doch was genau bietet dieses Wunderspiel nun eigentlich?
Schier unüberschaubar
In einem Satz ausgedrückt: Es gibt quasi unüberschaubar viele Features, Techniken und Mechaniken, die man als Zocker oder Zockerine mühsam erarbeiten, erkunden, und in meinen Fall auch oft genug nachlesen muss.

Der spielbare Beginner-Guide führt als dünner roter Faden ins Spiel ein und beschert schon früh das erste eigene Raumschiff, mit dem man sich in die Weiten des beinahe unendlichen Alls aufmacht. Schnell findet man einen neuen Planeten, errichtet die erste Basis und beginnt Rohstoffe zu farmen, mit denen man erste nützliche Gadgets wie eine tragbare Raffinerie oder einen Konstruktionsterminal herstellt. Beides zusammen ermöglicht den Aufbau der ersten bescheidenen Basis, von der aus man nun operiert. Jeder Planet verfügt dabei über ein eigenes Biom mit Flora und Fauna sowie diversen Rohstoffen. Einige davon findet man so gut wie überall im Universum, andere sind wiederum seltener.
So weit, so gut, könnte man meinen, vor allem, wenn man weiß, dass es mehr als 18 Trillionen Planeten (Tatsache!) unterschiedlichster Couleur zu erforschen gibt. Abgesehen von einem Raumschiff verfügen wir Zu Beginn noch über einen Exo-Anzug inklusive Umgebungsscanner, ein Multiwerkzeug und einige weitere Gerätschaften wie einen Teleporter oder einen Safe zur Lagerung wertvoller oder wichtiger Ressourcen. Etwas später kommt dann das erste Exo-Fahrzeug hinzu, mit dem wir über die diversen Planetenoberflächen cruisen und das uns darüber hinaus als mobile Lagerstätte dient. Spannend: alle Vehikel und Werkzeuge lassen sich vielfältig aufrüsten, erweitern, oder gegen bessere tauschen.

Wer nun glaubt, damit hätte es sich auch schon, irrt allerdings gewaltig. So fiel mir beispielsweise bei der Suche nach den auf meinem Mutterplaneten lebenden Kreaturen auf, dass man diese füttern, reiten und sogar als Begleiter ergattern kann. Anfangs durfte ich nur zwei Tiere, die eine gelungene Mischung aus Pet und Mount darstellen, mit mir führen, inzwischen sind es vier. Und damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Mit anderen Worten: more to follow.
Ab ins All
Als es mir auf „meiner“ Welt zu langweilig wurde, beschloss ich nach einigen Spielstunden, mich in Richtung „above and beyond“ zu begeben und startete mutig ins All. Kaum im Orbit angekommen, fiel mir nicht nur auf, dass mein heimisches Sonnensystem aus vier Planeten bestand (insgesamt sind bis zu sechs pro System möglich). Ein Asteroidengürtel förderte Platin, Gold und Tritium hervor, ein Material, mit dem ich meinen Hauptantrieb füttern kann. Darüber hinaus verfügt jedes Schiff aber auch über einen schnelleren Impuls- sowie einen Hyperantrieb, der Sprünge in neue Sonnensysteme ermöglicht.
Ich fühlte mich glatt erschlagen. Erschienen mir die Möglichkeiten in der Nähe meiner Basis schon vielfältig, kamen nun noch weitere dazu, deren Sinn und Bandbreite ich noch nicht einmal im Ansatz erfasste. Kaum verließ ich die Station, um meine Heimat anzufliegen, erreichte mich nämlich ein Notsignal. Ein Pirat griff an. Was nun? Schnell gewöhnte ich mich an die innovative Steuerung und schoss den ersten Eindringlich ab – und „bing!“: 275000 Units beschwerten meinen Geldbeutel auf angenehme Weise.

Was gab es wohl noch alles zu entdecken? Wie einfallreich zeigten sich die Entwickler denn noch? Schließlich hatte ich noch im Hinterkopf, dass No Man’s Sky eine mehr als holprige Taufe erlebte und von Fans und Kritikern in Grund und Boden verrissen worden war. Was zum Henker war in den neun Jahren seit Release nur geschehen?
Die Antwort lässt sich kurz und knapp auf einige wenige Faktoren reduzieren: jede Menge Fleiß, den Willen, der Community zuzuhören und den Wunsch, die Fehler der Vergangenheit wieder gutzumachen. Die Mitarbeitenden des Entwicklers und Publishers Hello Games steckten über die Jahre hinweg jede Menge Liebe, Geduld und vor allem Leidenschaft in das Projekt und ließen ihr virtuelles Weltall wachsen und gedeihen. Bis heute übrigens.
Nicht einmal die Oberfläche
Inzwischen bin ich bei einer Spielzeit anbelangt, die mich in vielen anderen Games schon längst zum Abspann geführt hätte. Stattdessen wächst bei mir jeden Tag, den ich mich in eines der Systeme der drei Alienspezies Korvax, Gek und Vy’keen begebe, die Erkenntnis, dass ich nicht einmal an der Oberfläche dessen gekratzt habe, was mir dieses Spiel zu bieten hat. Inzwischen habe ich mehr als ein Dutzend Planeten besucht, unterschiedlichste klimatische Bedingungen überstanden, diverse Schiffe der drei Hauptklassen Jäger, Erkundung und Handel geflogen, getauscht oder verschrottet und bin sogar Oberaufseher einer Siedlung. Ich kämpfe gegen Wächter, verfolge Quests oder besuche das „Anomalie“ genannte Spielerhub, welches ich jederzeit im All aufrufen kann.

Ich nehme an Multiplayermissionen teil, tausche, kaufe, verkaufe, kämpfe, sammle, baue oder tanze am Nexus mit irgendwelchen fremden Mitspielerinnen und Mitspielern fröhlich ab. Vor allem aber staune ich. Ich staune darüber, dass ich jeden Tag etwas Neues lerne. Darüber, dass ich nach über 50 Stunden erst ein Raumschiff des Typs B besitze und damit noch lang nicht die bestmögliche Klasse „S“ erreicht habe. Darüber, dass ich noch nicht ansatzweise das stärkste Multiwerkzeug besitze, noch keine abscheuliche Brut niederstrecken durfte und noch keine Schimmelpilzfarm hochzog, die mir die zweite wichtige Währung namens Nanit in Massen einbringt.
Mich treibt ein unbestimmtes Gefühl der Unruhe und Neugier an. Ich möchte – nein, ich muss wissen, was es im nächsten Sonnensystem gibt. Welche Welten gilt es zu besuchen? Wo wartet das nächste Wrack darauf, geborgen zu werden? Was befindet sich hinter dem nächsten Berg? Oder im tiefen Ozean? Wann lerne ich das nächste Kovax-Wort, weil ich schließlich jede Aliensprache erst mühsam erlernen muss, bevor ich adäquat mit den NPCs kommunizieren kann. Wann erreiche ich endlich den nächsten Ansehensrang bei der Händlergilde? Oder den Kriegern?
Ein Wort zum Abschied
Es gibt so viel zu tun, und viel zu wenig Zeit, um alles zu entdecken und zu erfahren. Wenn ich mir einer Sache gewiss bin, dann der, dass ich mich nach den nächsten 50 Spielstunden zweifellos wieder an den Rechner setzen könnte, um einen Erlebnisbericht zu schreiben. Allerdings würde mich dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit zu genau derselben Erkenntnis führen würde, die Platon schon seinem großen Vorbild Sokrates in den Mund legte: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Vor allem, seit ich No Man’s Sky spiele. Und damit verabschiede ich mich. Auf mich wartet nämlich die Hoffnung auf ein besseres Schiff, mit dem ich noch mehr Planeten erforsche. In diesem Sinne: Auf und davon!

