Analyse

Star Trek: Picard – Wie gut war das zweite Jahr?

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Voll und ganz hat die 2020 gestartete erste Staffel von Star Trek: Picard die Erwartungen der Trekkie-Fangemeinde nicht erfüllt.

© Paramount

Es ist kein großes Geheimnis: Voll und ganz hat die 2020 gestartete erste Staffel von Star Trek: Picard die Erwartungen der Trekkie-Fangemeinde nicht erfüllt, vor allem nicht die derjenigen in ihr, die ein besonderes Faible für die nächste Generation beziehungsweise das nächste Jahrhundert haben. Aber das ist eine andere Geschichte, die an anderer Stelle erzählt werden soll. Jedenfalls gehörte trotzdem oder gerade deswegen, je nach jeweiliger Sichtweise, Staffel 2 der siebten Franchise-Serie zu den am meistgespannt erwarteten neuen Ergänzungen des Roddenberry’schen Universums. Doch … hat sich das Warten alles in allem gelohnt?

Zurück in die Gegenwart

Der vierte Kinofilm The Voyage Home (Zurück in die Gegenwart für die deutsche Veröffentlichung) von 1986 ist trotz seiner mittlerweile fast 36 Jahre auf dem (Wal-) Buckel so etwas wie ein Flaggschiff im Star Trek-Franchise: Zeitreisen sind und bleiben ein beliebtes Element in der Science-Fiction längst nicht erst seit dem 1985er Überraschungserfolg von Back to the Future (Zurück in die Zukunft). Es gab in den Folgejahren immer wieder Versuche innerhalb von Star Trek, diese gekonnte Mischung aus Spannung, Witz und Frische in den nachfolgenden Filmen und Serien zu wiederholen, was in höchst variabler Weise geschah: Eins von mehreren guten Beispielen ist sicherlich der zweite TNG-Kinofilm First Contact (Der erste Kontakt), der ziemlich genau zehn Jahre nach Star Trek IV diesmal Captain Picard und seine Crew auf die Reise in die Vergangenheit schickte und der Sache dabei einen ganz eigenen Stempel aufdrückte. Doch, so scheint es, hat Captain Kirks Walrettungs-Aktion auch die Macher des neuen Star Trek niemals voll und ganz losgelassen, und daher mag es für manchen Trekkie keine allzu große Überraschung gewesen sein, dass man in der zweiten Staffel von Star Trek: Picard dem großen Vorbild (ein weiteres Mal) nacheifern wollte.

Schon zu Zeiten der Produktion von Staffel 1 zwei Jahre zuvor war bekanntgeworden, dass in Season 2 nach dem Gastauftritt von Commander (beziehungsweise mittlerweile Captain) Riker und Counselor Deanna Troi in der ersten Staffel ein weiteres bekanntes Gesicht aus TNG-Tagen wieder mit dabei sein würde: Die von Fans vielgeliebte geheimnisvolle el-aurianische Bardame Guinan, gespielt von Hollywood-Star Whoopi Goldberg; Guinan hatte bereits in The Next Generation eine wichtige Rolle in einer Zeitreisen-Episode gespielt. Einige Zeit später ließ man dann auch lautwerden, dass der ominös-omnipotente Q, natürlich erneut gespielt von John de Lancie ebenfalls wieder auftreten werde, der die TNG-Crew ja bereits in der zweiten Serienstaffel in eine andere Zeit geschickt und dabei mit den Borg bekanntgemacht hatte. Man sieht, man hätte es sich eigentlich denken können, aber wie sagt man so schön: Hätte, hätte, Fahrradkette.

Und so erlebten Admiral Picard und seine neuen und alten Freunde in Staffel 2 also ihre ganz eigene Version von Star Trek IV

Bevor wir uns jedoch etwaigen Parallelen und allerlei Stärken und (leider!) auch ebenso vielen Schwächen zuwenden, hier zunächst ein kleiner Episodenguide der Folgen von Staffel 2 von Star Trek: Picard. Diese startete am 3.März 2022 in den USA beim in Deutschland noch nicht bereitgestellten Streamingdienst Paramount+, hierzulande einen Tag später am 4. März wie schon Staffel 1 bei Amazon Prime.

Episodenguide

2.01 The Star Gazer (Die Stargazer) (04.03.2022)

Regie: Doug Aarniokoski

Eineinhalb Jahre nach den Ereignissen in Staffel 1 lebt der zur Sternenflotte zurückgekehrte Admiral Picard (Sir Patrick Stewart) ein ruhiges Leben auf seinem Weingut und wird mit dem Geständnis seiner romulanischen Haushälterin Laris (Orla Brady) ihrer Gefühle für ihn konfrontiert. Auch hat er wieder Kontakt zu Guinan (Whoopi Goldberg) aufgenommen, die mittlerweile eine neue Bar betreibt und mit ihm über seine lebenslangen Beziehungsängste spricht. Viel Zeit zum Nachdenken bleibt ihm jedoch nicht: Sein altes Schiff U.S.S. Stargazer, nun unter dem Kommando von Captain Rios (Santiago Cabrera) und Dr. Agnes Jurati (Alison Pill) als Wissenschaftlerin, empfängt einen Hilferuf aus einer Raum-Anomalie; Rios‘ altes Schiff La Sirena, nun unter dem Kommando von Seven of Nine (Jeri Ryan) sowie die U.S.S. Excelsior, auf der Picards Quasi-Mündel Elnor (Evan Evagora) als Kadett eingesetzt ist und seine ehemalige Adjutantin Raffi Musiker (Michelle Hurd) ebenfalls Dienst tut, gesellen sich hinzu. Plötzlich erscheint ein fortschrittliches Borg-Schiff aus der Anomalie und eine behelmte Borg-Königin beamt an Bord, die sofort mit der Assimilierung der Flotte beginnt. Als Picard daraufhin die Selbstzerstörungssequenz der Stargazer einleitet, findet er sich mit einem Mal in einer alternativen Realität auf seinem Weingut wieder, wo ihn kein Geringerer als Q (John de Lancie) begrüßt…

2.02 Penance (Buße) (11.03.2022)

Regie: Doug Aarniokoski

Q eröffnet Picard, dass die Galaxis in dieser Realität der extrem xenophoben »Konföderation der Erde« untersteht, in der er als oberster militärischer Anführer für seine große Grausamkeit bei der Auslöschung oder Versklavung aller nicht-menschlichen Spezies großes Ansehen genießt. Präsidentin der Konföderation ist die in dieser Zeitlinie niemals assimilierte Annika Hansen, die sich jedoch so wie auch Picard ihres wahren Selbst bewusst ist, ebenso wie alle anderen Mitglieder des Teams, das sich nach und nach wieder zusammenfindet. Als im Rahmen einer Feierlichkeit die letzte Borg-Königin (Annie Wersching) hingerichtet werden soll, erfahren Picard und seine Leute von ihr, dass sie die Entstehung dieser Zeitlinie durch eine Reise ins Jahr 2024 verhindern können. Sie beschließen, der Feindin zu trauen und bereiten den Flug an Bord der La Sirena vor. Allerdings müssen sie vorher noch mit Annika-Sevens fiesem Ehemann, dem fanatischen Magistraten der Konföderation (Jon Jon Briones) fertigwerden…

2.03 Assimilation (18.03.2022)

Regie: Lea Thompson

In einem harten Kampf können Picard & Co. den Magistraten und seine Gefolgsleute töten und mit Hilfe der Borg-Königin an Bord der La Sirena einen Zeitsprung a’la Kirk ins Jahr 2024 auf das kommende Weingut Picards vollführen. Laut der Borg lebt im Los Angeles dieser Zeit ein geheimnisvoller Wächter, der ihnen bei der Verhinderung der dystopischen Zukunft helfen kann. Allerdings wurde Elnor beim vorherigen Kampf so schwer verwundet, dass er seinen Verletzungen erliegt, was Raffi in eine tiefe Krise stürzt. Dennoch beamt sie zusammen mit Seven und Rios nach L.A., um dort den Wächter zu suchen, während Picard und Jurati die durch den Zeitsprung offline gegangene Borg-Königin zu reaktivieren versuchen. Rios hat mittlerweile durch einen Sturz von einem Dach Kopfverletzungen erlitten und gelangt in eine Armenklinik, die auch illegale Einwanderer behandelt. Hier lernt er die junge Ärztin Teresa Ramirez (Sol Rodríguez) und ihren kleinen Sohn kennen, doch kurz darauf wird die Klinik von Beamten der Einwanderungsbehörde gestürmt. Jurati kann mittlerweile in das Bewusstsein der Borg-Queen eindringen…

2.04 Watcher (Wächter) (25.03.2022)

Regie: Lea Thompson

Agnes und Picard erfahren von der Borg-Königin, dass ihnen nur wenige Tage bleiben, um die Änderung der Zeitlinie herbeizuführen. Picard nimmt Kontakt mit der jungen Version von Guinan (Ito Aghayere) auf, die bereits Barbesitzerin ist und sich darauf vorbereitet, die Erde zu verlassen. Raffi und Seven suchen derweil mit der nur notdürftig von der Borg Queen reparierten La Sirena nach Rios, der nach einem Gefängnisaufenthalt per Bus in seine vermeintliche Heimat abgeschoben werden soll. Picard kann Guinan von seinen Absichten überzeugen und diese führt ihn zu dem Wächter: Bei diesem beziehungsweise der Wächterin handelt es sich um Tallinn (Orla Brady), die wie eine menschliche Ausgabe von Picards Haushälterin Laris aussieht. Q kocht mittlerweile scheinbar ein ganz eigenes Süppchen: Es geht um eine junge Astronautin, die an der geplanten Europa-Raumflugmission teilnehmen soll. Dabei jedoch stellt er fest, dass seine gewaltige Macht anscheinend nachlässt…

2.05 Fly me to the moon (01.04.2022)

Regie: Jonathan Frakes

Bei der Frau, so erfahren wir von Tallinn, handelt es sich um Picards Vorfahrin Renée (Penelope Mitchell), die zu beschützen die Wächterin beauftragt wurde. Q wendet sich derweil an den aufgrund seiner unethischen Vorgehensweise ausgestoßenen Wissenschaftler Dr. Adam Soong (Brent Spiner), der nach einem Heilmittel für seine an lebensbedrohlicher Lichtallergie leidende vermeintliche Tochter Kore (Isa Briones) sucht. Im Austausch für ein solches verlangt Q Soongs Mitarbeit bezüglich Renée Picard. Raffi und Seven können Rios befreien, doch kurz darauf lockt die mittlerweile wieder erwachte Borg Queen mit einem fingierten Notruf einen Polizisten herbei, um diesen zu assimilieren. Daraufhin wird sie von Jurati erschossen, doch kann ihr die Borg-Königin zuvor Nanosonden injizieren. Dennoch schickt Picard sie auf eine Gala, auf der auch Renée zu Gast ist, um mehr über deren Rolle bei den Ereignissen zu erfahren.

2.06 Two of One (Die Gala) (08.04.2022)

Regie: Jonathan Frakes

Jurati verschafft Picard, Tallinn und Rios falsche Identitäten, um ebenfalls auf die Gala zu gelangen, doch ehe Picard Reneé kontaktieren kann, gerät er an Soong, der den Schwindel auffliegen lassen will. Nachdem Jurati mit einer Gesangsnummer für Ablenkung gesorgt hat, übernimmt die Borg Queen ihr Bewusstsein vollständig. Picard findet die wegen der Mission unschlüssige Renée und kann sie davon überzeugen, daran teilzunehmen. Als er und sie das Gebäude verlassen, versucht Soong, die Astronautin mit dem Auto zu überfahren, erwischt stattdessen jedoch Picard, der schwer verletzt bewusstlos zurückbleibt. Seine Freunde bringen ihn zur Klinik von Teresa. Kore ist indes dahintergekommen, dass sie keineswegs Dr. Soongs Tochter, sondern der letzte einer Reihe von ihm geschaffener Klone ist, die allesamt gestorben sind. Tallinn versucht in der Klinik per Gedankenverschmelzung, Picard zu erreichen, während Jurati-Borg Queen entkommen kann.

2.07 Monsters (Monster) (15.04.2022)

Regie: Joe Menendez

Picard erlebt in seinem Geist Episoden seiner Kindheit nach, in der er und seine Mutter Yvette (Madeline Wise) vermeintlich unter seinem tyrannischen Vater Maurice (James Callis) litten. Tallinn jedoch kann ihm aufzeigen, dass Yvette in Wahrheit psychisch krank war und sein Vater ihn lediglich beschützen wollte. Nachdem er wieder zu Bewusstsein gekommen ist, wendet er sich an Guinan, die Q mit einem el-aurianischen Ritual herbeirufen soll. Dabei jedoch werden sie jedoch vom FBI-Agenten Wells (Jay Karnes) überrascht und anschließend verhaftet, da er die beiden für Außerirdische hält. Seven und Raffi suchen fieberhaft nach Jurati-Borg Queen, die darangegangen ist, ihr Volk durch Assimilierungen wiederzubeleben, während Rios Teresa und ihren Sohn an Bord der La Sirena geholt hat.

2.08 Mercy (Gnade) (21.04.2022)

Regie: Joe Menendez

Wells versucht Guinan und Picard zum Geständnis zu zwingen, Aliens zu sein. Als er sie voneinander trennt, erscheint Guinan Q, der ihr gesteht, dass sein Leben sich dem Ende nähert und erläutert ihr seine wohlwollenden Pläne für die Menschheit. Kurz darauf erklärt sich Wells‘ Fanatismus durch eine von ihm missinterpretierte Begegnung mit Vulkaniern in seiner Kindheit und er muss Picard und Guinan gehenlassen, da er vom FBI entlassen wurde. Raffi und Seven begegnen Jurati-Borg Queen, die ihren neuen Körper mittels der Energie aus Autobatterien und Handyakkus modifizieren will. Lediglich durch einen Rest von Juratis Bewusstsein wird verhindert, dass die beiden getötet werden. Danach wendet sich Jurati-Borg Queen an Dr. Soong, der ihr bei ihren weiteren Assimilierungsplänen helfen soll…

2.09 Hide and Seek (Das Versteckspiel) (28.04.2022)

Regie: Michael Weaver

Jurati-Borg Queen hat die ihr von Soong zur Seite gestellten Söldner zu Borg gemacht, welche zusammen mit von dem Wissenschaftler zur Verfügung gestellten Kampfdrohnen die La Sirena angreifen. Mittels eines Hologramms von Elnor können Raffi und Seven die Borg vernichten, allerdings gewinnt Jurati-Borg Queen weitere Macht und kann Seven schwer verletzen. Nachdem Picard Rios, Teresa und den Jungen in Sicherheit gebracht hat, verstecken er und Tallinn sich in einem Tunnel unter seinem zukünftigen Anwesen, wo ihn die Erinnerung an den Selbstmord seiner Mutter zu übermannen droht. Soong kann derweil vom zurückgekehrten Rios in die Flucht geschlagen werden und Jurati kann die Borg Queen im Geist davon überzeugen, dass ihre Pläne erneut mit der Vernichtung ihres Volkes enden werden. Daraufhin heilt sie die verwundete Seven und bietet ihre Hilfe an. Dabei jedoch macht sie eine kryptische Äußerung bezüglich Renée Picards bevorstehender Weltraum-Mission…

2.10 Farewell (Abschied) (06.05.2022)

Regie: Michael Weaver

Die Äußerung erweist sich als an Tallinn gerichtet: Diese muss sich opfern, damit Renée wie geplant an der Mission teilnehmen kann. Hierzu nimmt sie deren Gestalt an und bekommt statt ihr von Soong ein tödliches Gift verabreicht. Kore hat sich mittlerweile komplett von Soong abgewandt und löscht dessen Daten aus seinen Computern. Daraufhin wird sie von einem wohlbekannten »Reisenden« dazu eingeladen, sich ihm anzuschließen. Q offenbart Picard nun seine wahren Pläne und bringt ihn und seine Crew bis auf Rios, der bei Teresa bleibt, wieder zurück in die Zukunft, wo sie die Zerstörung der Stargazer abwenden können und eine überraschende Entdeckung bezüglich der vermeintlichen Bedrohung durch die Borg machen.

Rezension

Machen wir es doch einfach so wie in jenen berühmt-berüchtigten Witzen, die mit den Worten »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht…« anfangen und beginnen mit den positiven Punkten:

Sir Patrick Stewart. Dem demnächst 82-jährigen Mimen ist über alle Maßen hoch anzurechnen, dass er es in seinem Alter noch auf sich nimmt, die alles in allem sicherlich nicht wenig anstrengende Rolle als gealterter Ex-Captain und nunmehr Admiral Picard in einer neuen Serienhauptrolle zu verkörpern. Obwohl man Sir Patrick die vergangenen Jahre freilich anmerkt (was ja auch ein wesentlicher dramaturgischer Bestandteil der Serie ist), legt er dabei immer noch bemerkenswerte darstellerische als auch körperliche Agilität an den Tag, und seit den Ereignissen in der ersten Staffel hat er sich vom mürrischen alten Nihilisten wieder zu dem Weisen vom Berge weiter- beziehungsweise zurückentwickelt, den wir Trekkies in der siebenjährigen Laufzeit von Star Trek: The Next Generation sowie den diesmal acht Jahren während der darauf basierenden vier Kinofilme kennen und lieben gelernt haben. Die Charakterisierung der gealterten Figur ist durchwegs stimmig geraten, und glücklicherweise kommt man nicht mehr groß auf die bei vielen Fans in die Kritik geratene Sache mit dem Austauschkörper vom Ende der ersten Staffel zurück. Picard wiederzusehen ist für viele – den Rezensenten eingeschlossen – ähnlich wie einem lieben alten Freund nach längerer Zeit endlich wieder einmal zu begegnen.

Da man sich mittlerweile auch an Picards neue Stammcrew, bestehend aus Seven of Nine, Raffi Musiker, Dr. Jurati, Chris Rios und Elnor gewöhnt hat (wobei sie es in der Natur der Sache liegend natürlich nicht mit der alten Crew der Enterprise-D und -E aufnehmen können), ist auch hier das Wiedersehen ein durchaus erfreuliches, ganz zu schweigen natürlich von den Auftritten von Q, Guinan und auch der Borg, die mit Annie Wersching als ingesamt dritte Darstellerin der Borg Queen nach Alice Kriege und Susanna Thompson eine würdige neue Anführerin haben. Sie alle machen ihre Sache wirklich gut und können sich als alte Gefährten und neue Star Trek-Crewcharaktere dabei sehr gut (re-) etablieren. Und zumindest während der ersten Folgen ist die Zeitreise eine spannende und witzige (in dieser Reihenfolge) Angelegenheit: Die Frage danach, wie es wäre, in die Vergangenheit zurückzukehren, war und ist nun einmal in der Science-Fiction allgemein und bei Star Trek im Speziellen bereits seit Zeiten der klassischen Originalserie elementar. Die Anspielungen auf den schon eingangs erwähnten Star Trek IV verleihen der Sache spaßige Nuancen: So gibt es unter anderem bekanntlich ein Wiedersehen mit dem Punk aus dem Bus aus Star Trek IV, erneut gespielt vom mittlerweile bärtigen Film- und Fernsehschaffenden Kirk Thatcher, der diesmal jedoch wesentlich vorsichtiger im Umgang mit Fremden ist, die ihn bitten, seine noch immer krachige Musik leiser zu stellen.

Leider jedoch enden damit die wirklich guten Seiten der zweiten Staffel von Star Trek: Picard bereits – kommen wir also zu den schlechten Nachrichten.

Oooookay…Picard und seine (neue) Crew sollen also eine dystopische Zukunft abwenden (die, das am Rande, teils ziemlich starke Ähnlichkeit mit dem bereits etablierten Spiegel-Universum besitzt) und reisen zurück ins Jahr 2024, um das zu bewerkstelligen. So weit, so gut…nein, eben nicht. Neben dieser Storyline nämlich (die allein hervorragend dazu ausgereicht hätte, die Serie zu füllen) bauen die Autoren gleich mehrere, völlig voneinander unabhängige Nebenhandlungen auf: Da ist zunächst die unglückliche Kindheit von Picard aufgrund seiner psychisch kranken Mutter, die seinen wohlwollenden Vater aufgrund dessen als Unmenschen stigmatisiert… Schön und gut, Picard wird von jeher als sehr verschlossen gezeigt und hat schon früher selbst mit engen Freunden nicht wirklich über sein Privatleben gesprochen, von daher ist die Sache nicht unglaubwürdig, zumal Sir Patrick seine eigenen traumatischen Kindheitserfahrungen (für die es allerdings andere Gründe gab) in die Picard-Rolle einbrachte. Auch, dass seine Mutter in jungen Jahren Suizid beging, ist keineswegs der »Kanon-Bruch«, den viele Trekkies daraus machen wollten, da man Yvette Picard (damals gespielt von der Schauspielerin Herta Ware) in der TNG-Episode Where No One Has Gone Before (Der Reisende) als alte Dame sah: Zum einen reist die Enterprise in dieser Folge in eine kosmische Traumwelt und zum anderen erklärt Picard in der neuen Serie selbst, dass er sich oft seine Mutter als alte Frau herbeiwünscht. Ein wesentlich deutlicherer Kanonbruch ist da schon der Umstand, dass Picards älterer Bruder Robert (in TNG gespielt von Jeremy Kemp) mit keinem Wort erwähnt wird, obwohl er zu Zeiten der Rückblenden durchaus präsent sein müsste. Der Rezensent kann nicht umhin, dies als einen Fehler in der Story anzukreiden. Das Hauptproblem bei Picards Vergangenheitsbewältigung ist jedoch, dass einem derart wichtigen Thema einfach viel zu wenig Zeit gewidmet wird. Tallinn als Außenstehende, die der verschlossene Picard erst seit wenigen Tagen kennt, gelingt es fast im Handumdrehen, dem Admiral eine andere Sichtweise auf seine schwierige Vergangenheit zu vermitteln – was seiner langjährigen engen (!!!) Freundin Guinan niemals gelungen ist.

Dann ist da die Geschichte um Dr. Agnes Jurati, sicherlich beanstandungslos gespielt von Alison Pill. Leider steckt diese voller Unlogik. Die Borg Queen, die von ihr erschossen werden musste, da sie potenzielle neue Assimilierungsopfer herbeigeholt hat, ergreift von ihr Besitz – bis dahin in Ordnung. Aber: Wenn Jurati zu diesem Zeitpunkt noch großteils ein Mensch ist, scheint es doch ein wenig unglaubwürdig, dass erbeutete Handy-Akkus und Autobatterien ausreichend dafür sein sollen, ihren Metabolismus auf Borg umzustellen, ganz davon abgesehen, wie ihre menschlichen physiologischen Gegebenheiten auf derartige Leckereien reagieren würden. Auch die Suche nach ihr ist alles andere als nachvollziehbar dargestellt: Mehrere Episoden lang wird sie von Raffi und Seven verfolgt, die die Verfolgungsjagd immer wieder einmal unterbrechen, um über Raffis Trauer um Elnor, ihre dysfunktionale Liebesbeziehung und dergleichen mehr zu sprechen – teilweise mehr oder weniger mitten in einer eigentlichen Action-Szene. Tut euch nur die Ruhe an! Hinzu kommt, dass Seven für einen Menschen aus der Zukunft wirklich bemerkenswert gut Auto fahren kann – nach einigen kleinen Startschwierigkeiten scheint James Bond persönlich am Steuer zu sitzen. Gut…für den reinen Spaß in der Episode ist die Sache sicherlich zu gebrauchen. Von den vielen, vielen (…) Brüchen der Temporalen Direktive in der Folge wollen wir gar nicht erst sprechen…bei Star Trek: Voyager ist das Zeitschiff Relativity schon aus erheblich unbedeutenderen Anlässen am Horizont erschienen.

Und wo wir uns schon einmal die Zeit nehmen, über die Zeit zu sprechen – die Autoren scheinen wirklich eine große Vorliebe für das benachbarte Universum von Doctor Who zu besitzen, da dieser in seiner elfundsiebzigsten Inkarnation als Wesley Crusher am Ende erscheint, um die junge Kore unter seine Fittiche zu nehmen. So erfreulich die Rückkehr von TNG-bekannten Gesichtern auch sein mag – etwas mehr Schlüssigkeit wäre durchaus wünschenswert, wenn die restliche Enterprise-Crew in Staffel 3 wieder erscheint. Kores Geschichte – beziehungsweise die Geschichte, wie ein weiterer Vorfahre von Dr. Noonien Soong erste Forschungen betrieb – kommt nämlich ebenfalls obendrauf. Allerdings rückt diese nach ein paar Gastauftritten von Brent Spiner, der nach seinem milden Data-Geist in Staffel 1 wieder einmal den Bösewicht geben darf, gewaltig in den Hintergrund: Schlicht und ergreifend vermutlich deshalb, weil man eine ausgefeiltere Lösung aufgrund der vielen anderen Nebenhandlungen nicht auch noch unterbringen konnte. Eigentlich nachvollziehbar…aus einem gewissen Blickwinkel betrachtet.

Gelungen ist auch leider der Abschluss nicht: Die Borg gehen aufgrund der Tatsache, dass Jurati-Borg Queen doch noch ihre neue Herrscherin wurde, auf Kuschelkurs und wollen von jetzt an brav sein. Obwohl der Schluss der zweiten Staffel in vielem versöhnlich ist (so sind Q’s eigentliche Absichten ein weiteres Mal für gezückte Taschentücher gut), liegt das doch recht schwer im Magen.

Das Fazit ist ein kurzes: Zwar zersägt (wie teils kritisiert) die zweite Staffel von Star Trek: Picard den Mythos nicht, besonders zuträglich ist sie ihm mit ihren vielen Schwächen, die hier und da leider die Stärken überwiegen, aber ebenso wenig. Es bleibt – wie so oft – nur die Hoffnung auf Staffel 3.

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