Andere Welten

Bücherecke: Brittney Arena: Dance of Lies – Die Spionin

© Klett-Cotta

Romantasy mit Niveau: In der Hobbit Presse erscheint mit „Dance of Lies – Die Spionin“ das schillernde Romandebüt der amerikanischen Autorin Brittney Arena.

© Klett-Cotta

Trotz ihrer jungen Jahre ist Vasalie zur renommiertesten und besten Tänzerin am Hofe König Illians aufgestiegen. Er nannte sie sein Kleinod und überschüttete sie mit Luxus, ohne ihr jedoch direkte Avancen zu machen oder sich ihr gar ungebührlich zu nähern. Vasalie schwebte im siebten Himmel und stand unter dem persönlichen Schutz des Königs von Westmiridran – bis sie auf einmal des Mordes an einem Adeligen beschuldigt und für zwei Jahre in den Kerker geworfen und schwer misshandelt wurde. Dabei weiß König Illian um ihre Unschuld: Zur Tatzeit war Vasalie in der Gesellschaft des Königs.

»Von mir ist kaum mehr übrig als eine leere Hülle, ein Gebeinhaufen, der bloß noch begraben werden muss.«

Der Körper, den sie sich durch langjähriges Tanzen erarbeitet hat, ist Vergangenheit. Vasalie kann sich kaum noch aufrecht halten, ihre Muskeln sind verkümmert, von ihrer Kraft ist nichts mehr übrig, als sie eines Tages aus ihrer Kerkerzelle geholt und vor den König geschleift wird. Dieser verspricht ihr Gnade walten zu lassen, wenn sie seinen Anweisungen Folge leistet: Vasalie soll in seinem Auftrag bei der Zusammenkunft der Kronen auf der Insel Anell spionieren. Alle drei Jahre kommen die Herrscher der vereinten Nordreiche, auch Kronenbund genannt, für einen Monat dort zusammen und schotten sich von der Außenwelt ab, um Handelsabkommen zu schließen und den Frieden zwischen den einst verfeindeten Reichen zu sichern. Gastgeber sind die drei Könige Miridrans: Illian und seine Brüder Estienne und Anton, die sich noch nicht einmal untereinander wohlgesonnen sind.

Bei der Zusammenkunft aufzutreten, ist eine Ehre für jeden Künstler. Der Auswahlprozess ist entsprechend schwierig und in der kurzen Zeit, die Vasalie zur Vorbereitung bleibt, in ihrem Zustand schier unmöglich zu schaffen. Also muss sich Vasalie etwas einfallen lassen, denn auch wenn sie den König hasst und nur fort von ihm will, weiß sie doch nur zu gut, dass sie wieder – und diesmal für immer – im Kerker landen wird, wenn sie seinem Willen nicht gehorcht.

Lasst die Spiele beginnen

An unsichtbare Handschellen aus Drohungen und Versprechen gefesselt, macht sich Vasalie ans Werk, die auf Anell anwesenden Hoheiten mit samt ihrem Gefolge zu beeindrucken, und kämpft sich unter großen Schmerzen zurück ins Leben. Dabei ist ihr klar, dass sie nie wieder ihre alte Stärke zurückerlangen wird: Chronische Schmerzen und eine bleierne Müdigkeit werden ihre beständigen Begleiter bleiben, gegen die sie ebenso unermüdlich wie vergeblich ankämpft. Vasalie gelingt es den Zeremonienmeister trotz ihrer Schwächen zu überzeugen, sie auftreten zu lassen, und sichert sich prompt ihren ersten Auftritt, bei dem sie Kopf und Kragen riskiert. Um jeden Preis muss es ihr gelingen, Illians Aufträge auszuführen – lockt doch am Ende ihre Freiheit, für die sie bereit ist alles zu geben. Nur zu bald muss sich Vasalie jedoch die Frage stellen, ob wie wirklich bereit, jeden Preis für ihre Freiheit zu zahlen, denn nicht nur König Illian spinnt heimlich seine gefährlichen Intrigen. Alte Feindschaften kommen wieder zu Tage, jeder scheint seine ganz eigene Agenda zu verfolgen.

Ungewöhnliche Heldin mit Schwächen

Vasalie ist eine ungewöhnliche Heldin: Sie ist weder eine kriegerische Amazone, noch besitzt sie magische Fähigkeiten – einzig und allein auf ihre Kreativität und ihr künstlerisches Geschick sowie auf ihre Risikobereitschaft, die ihr auch den Kopf kosten kann, kann sie noch bauen. Sie weiß, dass sie niemanden trauen kann: Hinter jedem freundlichen Gesicht, hinter jeder hilfsbereit ausgestreckten Hand kann sich – genau wie bei Illian, dem sie einst bedingungslos vertraut hat – ein brutales und gewissenloses Monster verbergen, dem das Leben eines anderen Menschen nichts wert ist.

Warum wurde sie für einen Mord bestraft, den sie nicht begangen hat? Welchen Zweck verfolgt Illian mit seiner Geheimnistuerei? Und welche Rollen spielen seine beiden Brüder Estienne und Anton dabei? Insbesondere Anton, der seinem Ruf als Frauenheld und dekadenter Lebemann mehr als gerecht wird, gibt sich alle Mühe Vasalie den Kopf zu verdrehen – sehr zum Missfallen seines Bruders. Wenn sie überleben will, muss sie sich entscheiden, wem sie vertrauen kann, für wen sie kämpfen soll und wie viel sie bereit ist, für ihre Gefühle zu opfern. 

Spannungsgeladene Romantasy

A Dance of Lies – Die Spionin ist der erste von zwei Teilen, die – wie bei der Hobbit Presse üblich – in einer wunderschönen Hardcover-Ausgabe mit rundum gestaltetemFarbschnitt, metallic-geprägtem Buchdeckel und farbig gestalteter Vor- und Nachsatz sowie Lesebändchen erschienen ist. Die Aufmachung des Buches fängt perfekt die Atmosphäre ein, die Vasalie umfängt, wenn sie durch die sonnendurchfluteten Buntglasfenster hinter die Mauern der Königspaläste blickt. Ja, es gibt eine Liebesgeschichte bzw. es bahnen sich gleich zwei an, die im Hintergrund von Illian stets eifersüchtig beäugt werden: Er ist keineswegs gewillt, sein Kleinod einem anderen zu überlassen, auch wenn er für ihr Leid und Elend verantwortlich ist. Aber im Zentrum der Handlung steht eindeutig Vasalie und ihr Überlebenswille. Sie selbst entscheidet, ob sie nur ihren Hals oder auch ihr Herz riskiert. A Dance of Lies ist keine schmachtvolle Romanze, sondern ein spannungsgeladenes Intrigenspiel. Die Autorin hat ihr Buch allen gewidmet, »die sich in ihrem Schmerz unsichtbar fühlen.« In ihrem Nachwort schreibt Arena, dass ihr das Fantasy-Genre seit jeher am Herzen liegt, da es ein Tor zu anderen Welten eröffnet – gerade auch dann, wenn man es besonders nötig hat, wenn man nicht der starke Held oder die starke Heldin ist, die ein mächtiges Schwert schwingt, sondern schon den ganz normalen Alltag nur unter größten Anstrengungen bewältigen kann, von Kämpfen ganz zu schweigen. Arena weiß, wohin sie spricht, da sie – so schreibt sie im Nachwort – selbst durch schwere Erkrankungen eingeschränkt ist.

Fazit: Wer auf der Suche nach großen Schlachten und Schwertgeplänkeln ist, wird hier eher fehl am Platz sein. Wer höfische Intrigen zu schätzen weiß und dabei auch einer spannungsgeladenen Romanze nicht abgeneigt ist, ist bei A Dance of Lies genau richtig.

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