Andere Welten

Bücherecke: J.R.R. Tolkien: Der Hobbit – Illustriert von Tove Jansson

© Klett-Cotta / Hobbit Presse

In der Hobbit Presse erscheint erstmals auf Deutsch die von Mumin-Schöpferin Tove Jansson illustrierte Hobbit-Ausgabe – Birgit Schwenger findet: ein echtes Schmuckstück!

© Klett-Cotta / Hobbit Presse

»In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit« ­­– mit diesem Satz, den J.R.R. Tolkien etwa um 1930 auf die leere Seite einer Prüfungsarbeit schrieb, hat alles angefangen. Tolkien, der 1925 als Professor für englische Sprache und Literatur nach Oxford berufen worden war, erzählte seinen Kindern gern Gute-Nacht-Geschichten, die er selbst erfunden hatte.

Und als er beim Korrekturlesen einer Prüfungsarbeit im wahrsten Sinne des Wortes über den Hobbit gestolpert war, erzeugte dieser Name eine Geschichte: Tolkien wollte herausfinden, was es mit den Hobbits auf sich hatte. Wer hätte gedacht, dass sich aus diesem einen Satz ein Klassiker der Fantasy-Literatur entwickeln sollte, wenn nicht gar das Buch, dass das Genre der modernen Fantasy überhaupt erst begründete?

Mumin-Mutter zu Gast bei den Hobbits

In den fast 90 Jahre seit der Erstveröffentlichung des Hobbits sind zahlreiche Ausgaben in mehr als 60 Sprachen übersetzt erschienen, darunter auch zwei deutsche Übersetzungen –   1957/1967 von Walter Scherf und 1997 von Wolfgang Krege. Erstere kennt man z. B. aus der klassischen dtv-Taschenbuchausgabe, letztere etwa aus der gebundenen Hobbit Presse-Ausgabe mit den wundervollen Illustrationen von Alan Lee. Dieses Jahr ist nun erstmals die von Tove Jansson 1962 illustrierte schwedische Ausgabe auf Deutsch erschienen. Tove Jansson? Ist das nicht die Schöpferin der Mumins? Ja, genau.

Tove Jansson, geboren 1914 in Helsinki, war eine finnlandschwedische Schriftstellerin, Zeichnerin und Illustratorin, die ursprünglich Malerin werden wollte, was in der damaligen Zeit bei Frauen allerdings nicht wohlgelitten war. Sie studierte Illustration und Werbezeichnung an der Technischen Schule in Stockholm sowie Malerei an der Zeichenschule des Kunstvereins in Helsinki, wurde aber dort aufgrund der konservativen Ausrichtung nicht glücklich, zumal sie als Frau nicht dieselben Chancen erhielt wie ihre männlichen Kommilitonen. Deshalb verdiente sie ihr Geld zunächst mit Karikaturen und kleinen Comic-Strips für Zeitungen sowie Illustrationen für Buchumschläge und Postkarten. Schon früh hatte Jansson auch angefangen, Comics zu zeichnen und zu schreiben, und auch die Mumins – der erste Band Mumins lange Reise wurde im Original 1945 veröffentlicht – erschienen schon ab 1947 als Comics, von Tove Jansson geschrieben und gezeichnet. Durch ihre große Bekanntheit illustrierte sie später deshalb auch nicht nur ihre eigenen Bücher, sondern wurde u. a. auch für Alice im Wunderland und Die Jagd nach dem Schnark von Lewis Carroll sowie 1962 für J.R.R. Tolkiens Hobbit angefragt.

»Für mich war es ein Abenteuer, J.R.R. Tolkiens ›Hobbit‹ zu illustrieren.« Tove Jansson

Diese besondere Ausgabe entführt sowohl Groß und Klein als auch Tolkien- und Mumin-Fans gleichermaßen in das Auenland und die magische Welt von Mittelerde, die der des Mumintals gar nicht so unähnlich ist. Dort lässt sich der Hobbit Bilbo Beutlin, wider besseres Wissen auf ein waghalsiges Abenteuer ein: Gemeinsam mit den Zwergen um Thorin Eichenschild begibt er sich auf die Reise zum Einsamen Berg, um deren verlorenen Schatz im Kampf gegen den Drachen Smaug wieder zu gewinnen. Erfolgsaussichten gleich Null – wenn da nicht der Zauberer Gandalf wäre, der ebenfalls mit von der Partie ist auf diesem gefahrvollen Weg ins Ungewisse. Doch das Abenteuer spielt sich diesmal nicht nur auf den Seiten ab, sondern sozusagen auch dahinter, wie Marcel R. Bülles, Gründungsvorsitzender der Deutschen Tolkien Gesellschaft e. V., es in der neuen Ausgabe der Tolkien Times schreibt: Tolkien war höchst unzufrieden mit der schwedischen Übersetzung, die sich etliche Freiheiten genommen hatte, um nicht zu sagen einiges falsch übersetzt bzw. verändert oder weggelassen hatte.

Aus Bilbo wurde Bimbo, aus den Hobbits die Hompen. Auch mit den Illustrationen war Tolkien, der seine Werke auch kunstvoll selbst illustrierte, unzufrieden, so dass sich die zuständige schwedische Lektorin, ihres Namens Astrid Lindgren, auf die Suche nach einer geeigneteren Künstlerin für die zweite schwedische Übersetzung machte. Lindgren, die mit Pippi Langstrumpf oder Ronja Räubertochter selbst zeitlose Kinderbuchklassiker geschaffen hat, nannte den Hobbit »das Kinderbuch des Jahrhunderts« (auch wenn das Buch auch erwachsene Leser begeistert). Lindgrens Wahl fiel schließlich auf Tove Jansson, die in ihrer Kindheit viel Zeit bei den Verwandten ihrer Mutter in Schweden verbracht hatte und zweisprachig aufgewachsen war. Jansson schuf knapp über ein Dutzend großformatige Bilder (eins davon farbig) sowie zahlreiche kleinere Zeichnungen für das Buch und verzierte die einzelnen Kapitel zu Beginn mit kleinen Vignetten. Die Zeichnungen haben ihren ganz eigenen Stil, und man sieht, wie viel Wert die Künstlerin vor allem auf die Atmosphäre der Bilder gelegt hat.

Wer den Hobbit oder seine Verfilmungen kennt, wird sich wahrscheinlich über die Größe Gollums wundern, der hier viel größer dargestellt wird als Bilbo. Es mag sich bei der Interpretation der Figur um künstlerische Freiheit handeln, vielleicht war es aber auch ein Missverständnis, denn die erste schwedische Übersetzung, die Jansson vorlag, basierte noch auf der ersten Fassung des Hobbits, die Tolkien dann 1951 für die englische Ausgabe noch einmal erheblich verändert hatte, vor allem was die Rolle Gollums angeht.

Bezaubernde Ausstattung und Charme

Janssons Zeichnungen verleihen dieser Ausgabe ihren ganz eigenen, bezaubernden Charme. Man merkt, ebenso wie bei den Mumins, wie sehr ihr die Natur am Herzen liegt, und auch die verschiedenen Völker und Wesen ihren eigenen Charakter erhalten. So lässt sich der Hobbit noch einmal mit ganz anderen Augen lesen oder natürlich auch zum ersten Mal. Die Übersetzung für diese Ausgabe stammt von Wolfgang Krege. Der Halbleinenband im Großformat mit Lesebändchen ist wie immer bei der Hobbit Presse von hoher Qualität und ist, ausgenommen der bedruckten Vor- und Nachsatzkarte, die Tolkiens Originalkarte zeigt, vollständig von Tove Jansson illustriert. 

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