In dieser Rubrik befassen wir uns mit trekkigen Spielen und berichten euch sowohl vom Spielerlebnis als auch von den Hintergründen. Weiter geht es mit Starship Captains.
Elefant
Am besten ist es wohl, zuallererst über den Elefanten im Raum zu sprechen, denn viele werden sich jetzt fragen: „Starship Captains ist doch gar kein Star Trek-Spiel, oder wie, oder wo, oder watt, oder wer?“ Und sie haben Recht. Warum taucht es dann trotzdem hier auf? Die Antwort lautet: Weil es doch irgendwie ein Star Trek-Spiel ist, zumindest so weit, wie es ohne entsprechende Lizenz auf legalem Wege möglich ist. Denn wenn man nicht ganz so genau hinschaut würde das Spiel mit seinem Look, Thema und Humor auch prima als „Lower Decks – The Game“ durchgehen.
Plädoyer der Ähnlichkeiten
Starship Captains ist ein in einem Science-Fiction-Setting angesiedeltes Spiel mit einem humorigen Comic Look, der sich in vielen Dingen an Star Trek orientiert. Die Uniformen der Protagonisten sind eindeutig leicht abgewandelte TNG-Uniformen, inklusive des Farbschemas Rot, Gelb und Blau. Und wie bei Star Trek übernehmen die Crewmitglieder in rot die Steuerung des Schiffes und fungieren als Anführer, gelb kennzeichnet die Sicherheit und blau den wissenschaftlichen Bereich. Einziger Unterschied: Im Spiel fällt die Technik auch in den Aufgabenbereich der Blaugewandeten.
Auch die Schiffe sehen verdächtig sternenflottig aus, mit einem Diskuselement, Deflektorschüssel und Pylonen mit Antriebsgondeln. Es gibt Handfeuerwaffen, die eindeutig die aus Enterprise bekannten Phasenpistolen darstellen (und mit „Explosionsphaser“ auch namentlich sehr an unser aller Lieblingsfranchise erinnern) und im Hintergrund auf der Missionskarte „Lebendiger Schleim“ ist sogar ein ziemlich originales Bath’leth auszumachen, während andere Missionen mit „Roddenberries sammeln“, „Handel mit Emotionschips“ und „Antizeit Anomalie“ ihren Bezug zu Star Trek nicht nur im Hintergrund verstecken sondern direkt im Namen tragen.
Was die Namensgebung der in Starship Captains auftauchenden Technik und Einrichtungen angeht, fühlen sich Trekkies auch sofort heimisch. Neben den schon erwähnten (Explosions)Phasern gibt es den Warp- sowie den Impulsantrieb, einen Replikator, einen Universalübersetzer, Quantentorpedos, einen Bereitschaftsraum, den Stuhl des Captains und sogar ein Holodeck, während sich in der Anleitung (in der auch erwähnt wird, dass der Hund des Erfinders des Spiels den Namen „Spock“ trägt) Einträge im „persönlichen Logbuch des Captains“ finden. Es gibt allerdings auch mehrere Star Wars-Easter Eggs und auch das aus Film und Fernsehen bekannte Stargate taucht auf.
Ein möglicher weiterer Hinweis darauf, dass dieses Spiel eventuell gerne eine Lizenz gehabt hätte, findet sich auf der Verpackung. Unter dem Schriftzug „Starship Captains“, dessen Font auch an Star Trek erinnert, ist ein stilisiertes Raumschiff zu sehen, das eine Flugspur aus drei farbigen Strichen hinter sich herzieht. Dass das Raumschiff Ähnlichkeit mit einer Akira Klasse aufweist ist die eine Sache, aber die drei Streifen in rot, gelb und blau erinnern frappierend an das neue Franchise Design, dass man zum Beispiel auf Merchandise Produkten entdecken kann. Am Anfang von neuen Star Trek-Folgen wie bei Picard Staffel 3 oder Lower Decks sieht man eine kurze Sequenz, bei der das der Serie zugehörige Raumschiff das Star Trek-Delta abfliegt und dabei eine Flugspur in diesen Farben hinterlässt. Allerdings sind dabei zwei der Farben vertauscht. Das Ganze könnte Zufall sein, wirkt aber schon gewollt.

Am Ende eines jeden Spiels bekommt man als Abschluss einen kurzen „Epilog“. Welches der vielen im Handbuch abgedruckten Szenarien für den Spieler gilt ist abhängig davon, wie viele Punkte man erwirtschaftet hat. Das Ende ist bei niedrigen Punktzahlen natürlich weniger rühmlich als bei hohen, aber viele der kurzen Texte weisen weitere Star Trek-Referenzen auf.
Als letzten Punkt möchte ich schon einmal kurz ansprechen, um was es bei dem Spiel eigentlich geht, denn auch hier findet man eine Parallele zu Lower Decks: Die Spieler übernehmen als frischgebackene Captains jeweils das Kommando über ein altes aber zumindest grundüberholtes Raumschiff. Als Captain liegt der Fokus zwar genau auf der anderen Seite der Befehlskette, als es in Lower Decks der Fall ist, allerdings besteht die gesamte Crew, zumindest anfangs, aus Fähnrichen und Kadetten. Das wiederum passt hervorragend zum Lower Decks-Szenario, ebenso wie die Tatsache, dass das Schiff eher in der zweiten Riege der Flotte spielt.
Damit beende ich mein Plädoyer dafür, dass Starship Captains durchaus als „Lower Decks – The Game“ und somit als Star Trek-Spiel durchgehen kann und daher hier auch einen berechtigten Platz hat, und komme endlich zum Spiel selbst.
Butter bei die Fische
Ziel des Spiels ist es, mit seinem Schiff möglichst viele Punkte zu erwirtschaften. Dafür hat man vier Spielrunden Zeit, in denen man Missionen abschließt, Technologien ansammelt, auf sogenannten Fraktionspfaden (Raumflotte, Piraten, Tincan-Androiden) vorrückt und Piraten bekämpft. Nebenbei ist man auch viel damit beschäftigt, sein eigenes Schiff zu reparieren, welches schon von Spielbeginn an diverse Schäden aufweist.
Als Captain agieren wir nicht direkt selbst (denn wie in TNG geht der Captain nicht auf Missionen sondern erteilt Befehle). Stattdessen weisen wir Crewmitgliedern, die sich in unserem Bereitschaftsraum aufhalten, Aufgaben zu. Das können natürlich die bereits erwähnten Missionen sein, die uns Siegpunkte und andere Boni, aber manchmal auch Mali bescheren. Vor allem muss das Schiff aber auch erst einmal irgendwohin bewegt werden, Schäden wollen repariert werden und wir können neue Technologien entwickeln und unserem Schiff neue Räume und Fähigkeiten spendieren. Dabei muss man sich gut überlegen, welchem Crewmitglied welche Aufgabe zugewiesen wird, da diese nur für bestimmte Aufgaben qualifiziert sind. Durch das Ausgeben von erworbenen Medaillen kann man Fähnriche auch umschulen (also zum Beispiel einen „roten“ Fähnrich zu einem „blauen“ machen) oder sie zu Commandern befördern, die danach doppelte Leistung bringen. Crewmitglieder, die eine Aufgabe erledigt haben, landen anschließend im Pausenbereich und stellen sich in der Schlange vor dem Bereitschaftsraum hinten an. Sind bei allen Spielern sämtliche Aktionsmöglichkeiten erschöpft, sprich alle Crewmitglieder im Pausenbereich und alle alternativen Möglichkeiten für Spielzüge aufgebraucht, endet eine Runde. Allerdings kann man auch vorher schon passen, um sich mögliche Aktionen für die nächsten Runden aufzusparen. Auch Androiden kann man in seine Crew aufnehmen, die sich aber nach einem Missionseinsatz wieder verabschieden.
Gespielt wird auf einem Spielbrett, das die Heimatraumstation und mehrere Planeten zeigt. Dieses ist doppelseitig. Die eine Seite wird bei 4, die andere bei 1-3 Spielern verwendet. Prinzipiell unterscheidet sich das Spiel mit 2-4 Spielern etwas von dem mit 1 Spieler. Bei letzterem wird ein zweites, zufällig kontrolliertes, verbündetes Raumschiff unter dem Kommando von Captain Shadow hinzugefügt. Steigen wir doch erstmal in diesen Modus ein.

Im Prinzip stehen uns die gleichen Optionen offen wie in der Mehrspielervariante. Wir können unser Schiff zu verschiedenen Planeten bewegen und dort Missionen machen (so bekommen wir Siegpunkte und Boni), Piraten bekämpfen, Technologie erwerben, das Schiff reparieren und Personal befördern oder umschulen. Die Anzahl unserer Aktionen ist durch die Menge an Personal in unserem Bereitschaftsraum und Artefakte in unserem Frachtraum begrenzt. Jedem Crewmitglied kann eine Aufgabe zugewiesen werden, also zum Beispiel einem „roten Crewmitglied“ der Befehl, das Schiff zu steuern (zu einem anderen Planeten zu fliegen) oder einem blauen Mitglied, eine Technologie zu entwickeln. Haben wir ein Crewmitglied eingesetzt, dann ist danach erst einmal Captain Shadow an der Reihe. Seine Aktionen werden durch zuvor gemischte Karten entschieden, deren Anzahl mit jeder Runde steigt, und lassen sein Schiff zu unserem Standort springen, Piraten angreifen, Missionen erfüllen oder auch nichts tun. Generell kommt es jedoch zu keiner wirklichen Interaktion mit Captain Shadow. Vielleicht schnappt er uns mal eine Mission weg, vielleicht beseitigt er mal einen Weltraumpiraten, der uns stört, aber viel Einfluss haben seine Aktionen auf uns eigentlich nicht. Es soll auch gesagt sein, dass er als Teammitglied fungiert, nicht als Rivale. Weder macht er uns den Sieg streitig, noch legt er uns Steine in den Weg. Man spielt also nur, um seine eigene Highscore zu schlagen. Das ist ok, hat mich aber irgendwie nicht gepackt, obwohl es noch einige Besonderheiten zum „normalen“ Spiel gibt. So hat man zum Beispiel einen Passagier an Bord und es gibt kleine Änderungen bei den Fraktionspfaden.
An dieser Stelle keimte in mir eine Befürchtung auf, nämlich dass sich Starship Captains mit mehreren Spielern ähnlich spielt, wie im Solomodus … jeder macht sein eigenes Ding und alle spielen für sich selbst aneinander vorbei und vergleichen am Ende ihre Highscores. Multiplayer Solitair, sozusagen. So ist es auch bei einigen anderen Spielen, wenn es zu wenig Möglichkeiten gibt aufeinander einzuwirken und zu interagieren. Ein Beispiel hierfür wäre „Roll for the Galaxy“.
Aber da probieren sprichwörtlich über studieren geht wollte ich das natürlich in der Praxis erproben. Also „rekrutierte“ ich kurzerhand meinen Kollegen Joachim für eine Runde Starship Captains. Die schlechte Nachricht ist, dass man tatsächlich nur wenig direkt mit seinen Mitspielern interagiert. Die Möglichkeiten sind einfach zu begrenzt. Es gibt aber auch eine gute, sehr erfreuliche Nachricht: Das Problem fällt im Spiel seltsamerweise kaum auf. Das liegt meines Erachtens daran, dass man während des ganzen Spiels taktiert, welche Spielzüge einem die größten Vorteile (auch gegenüber dem Mitspieler) bringen. Welche Missionen haben den besten Mix aus Siegpunkten und positiven Effekten bei möglichst geringem Personaleinsatz? Welche Technologie bringt mir am meisten? Und lohnt es sich, dem Gegner eine Technologie vor der Nase wegzuschnappen, nur weil sie ihm viel mehr nutzen würde als mir? Wie setze ich mein Personal und Ausrüstung am besten ein um maximal viele Dinge in einer Runde zu erreichen? Gebe ich eine wertvolle Medaille aus um ein ausgebildetes Crewmitglied umzuspezialisieren? Lohnt es sich einen Fähnrich für drei Medaillen zum Kommandanten zu befördern oder lieber die Medaillen anders verwenden oder gleich behalten, weil sie Siegpunkte bringen? Kurzum, das Spiel macht Laune, trotz der limitierten Interaktionen zwischen den Spielern.



Die angegebene Spielzeit von ca. 25 Minuten pro Spieler haben wir zwar um eine gute Stunde überzogen, das war aber vor allem darauf zurückzuführen, dass weder Joachim noch ich mit dem Spiel gut vertraut waren. Nach einigen Runden sollte sich hier mehr Routine einstellen. Am Ende hat Joachim übrigens gewonnen und sich streng an das Regelwerk gehalten, als er mir aufmunternd versicherte, dass ich es trotz schwieriger Bedingungen auch weit gebracht habe. Ja, so steht es tatsächlich in den Regeln und man soll dabei versuchen nicht herablassend zu klingen, obwohl man nun der beste Captain mit dem besten Schiff der Flotte ist.
Etwas negativ fiel uns auf, dass die vier Spielrunden in unseren Augen zu knapp bemessen wirkten. Man hatte das Gefühl, dass man gar nicht das volle Potential ausnutzt, wenn man grade so schön im Flow des Spiels ist. Hier könnten aber problemlos Hausregeln Abhilfe schaffen, auch wenn dann die im Handbuch abgedruckten Enden nicht mehr wirklich nutzbar wären, da in z. B. fünf Runden natürlich bedeutend mehr Punkte erwirtschaftet werden als in vier.
Bliebe noch die Ausstattung des Spiels zu erwähnen. Und da kann ich quasi nur loben. Sämtliche Crewmitglieder und Androiden sind durch kleine, verschiedenfarbige Plastikfiguren repräsentiert. Witzig: Es gibt von den weiblichen und männlichen Crewmitgliedern jeweils verschiedene Charaktere und Posen, die aber zufällig verpackt werden, so dass die genaue Zusammenstellung bei zwei Spieleboxen nie gleich ist. Das restliche Spielmaterial (wie z. B. auch die Raumschiffe) besteht aus stabiler Pappe und die Karten für Missionen, Ausrüstung etc. sind liebevoll gestaltet und in kräftigen Farben gedruckt. Besonders schön sind die Raumschifftafeln, in denen man seine Crewmitglieder beherbergt und Artefakte und andere Fracht aufbewahrt. Diese sind doppellagig, so dass ein 3D-Effekt entsteht und Fracht- und Schadensmarker nicht aus den Frachträumen rutschen können, falls man mal an das Tableau stößt. Das ganze wirkt wertig und durchdacht. Empfohlen ist das Spiel übrigens ab 12 Jahren.
Und um zum Abschluss mal wieder eine Metapher aufs Essen zu bemühen, da sie sich hier schön anbietet: dieses Star Trek-Spiel, das kein Star Trek-Spiel ist, ist ein gemeinschaftliches Dinner for One, bei dem man sich aber überhaupt nicht so alleine fühlt, wie man es annehmen könnte. Ein schönes Spiel, egal ob man Star Trek-Fan ist oder nicht.
Infos
Name: Star Trek Starship Captains
Preis: circa 55 Euro
Hersteller: Czech Games Edition (www.czechgames.de)
Spieldauer: 25 Minuten / Spieler
Spieler: 1 bis 4
Alter: ab 12 Jahren
Erweiterungen
bisher keine
