Analyse

Der Fluch der zweiten Staffel? Wie Trek-Serien sich durchs zweite Jahr quälen

Szenenbild aus "Shades of Gray": Troi und Dr. Pulaski stehen neben Riker auf der Krankenstation

Quälen sich wirklich alle Trek-Serien durchs zweite Serienjahr? Wir haben uns das angeschaut.

© Paramount

Chaos on the bridge

Die Überschrift ist Titel einer wunderbaren Dokumentation über die Produktion von Star Trek: The Next Generation und die Probleme hinter den Kulissen. Und sie ist auch wirklich Programm gewesen! Schaut man sich die Scharmützel an, die sich zwischen den Produzenten, Autoren und anderen Involvierten damals abgespielt haben, kann man sich nur die Haare raufen.

So hätte man zum Beispiel Gene Roddenberry, den Schöpfer von Star Trek, eigentlich gerne außen vorlassen wollen. Irgendwann realisierte Paramount allerdings noch die Zugkraft seines Namens in Hinblick auf die Fans und ließ “den großen Vogel der Galaxie” doch das Ruder übernehmen. Die Gesundheit Roddenberrys sowie viele Privatfehden setzten jedoch eine Kette an negativen Ereignissen in Gang, die das Arbeiten an der Serie in der Frühphase mehr als schwierig machten.

Doch kommen wir zum zweiten Jahr: Maurice Hurley übernahm dort die Führung des Writer’s Room und machte sich direkt mit der Entscheidung unbeliebt, Gates McFadden alias Dr. Beverly Crusher gegen Diana Muldaur alias Dr. Katherine Pulaski auszutauschen. Dieser Wechsel funktionierte zwar inhaltlich recht gut (auch wenn er nur ein Jahr später nach Hurleys Abgang rückgängig gemacht wurde), sorgte aber eben auch direkt für schlechte Stimmung bei Schauspielern und Autoren. Einige wie David Gerrold oder Tracy Tormé hatten gar so sehr die Nase voll von den vielen zwischenmenschlichen Problemen und dem immer irrationaleren Verhalten Roddenberrys, dass sie die Serie verließen. Besonders Roddenberrys Vertrauter Leonard Maizlish erhitzte dabei die Gemüter.

Ein weiteres Problem betraf den Streik der Writer’s Guilt of America, der nicht nur dazu führte, dass die Serie im zweiten Jahr mit nur 22 Episoden auskommen musste, man war auch genötigt, Drehbücher der nie realisierten Serie Star Trek: Phase II umzubauen und zu verwenden („The Child“, „Devil’s Due“). Für die letzte Episode der Staffel griff man sogar auf eine Clipshow zurück („Shades of Gray“), die hart an der Grenze zum Unerträglichen kratzte.

Dass die Serie nach dieser Staffel noch einen derart kometenhaften Aufstieg in Sachen Qualität hinlegte und bereits mit dem Start der dritten Staffel einen Quantensprung erreichte, ist eng mit dem Namen Michael Piller verbunden. Das zweite Jahr bleibt somit als Anomalie in Erinnerung. Tipp für den Rewatch: Augen zu und durch.

Easy Livin’

Diese Überschrift ist nicht Titel einer Dokumentation. Sollte aber jemals jemand auf die Idee kommen, eine über die Entstehung und Anfangszeit der fünften Trek-Realserie zu machen, könnte er vielleicht darauf kommen, sich diesen Songtitel der Band Uriah Heep zu borgen. Mit dem großen Erfolg von Star Trek: The Next Generation wurde das Arbeiten hinter den Trek-Kulissen nämlich nach und nach zu einer sehr entspannten Angelegenheit. Der Rubel rollte, Paramount wollte immer mehr und es gab frühe Zusagen für lange Serienlaufzeiten, die sich einzig auf der Vergangenheit begründeten.

Die beiden Macher der Serie, Rick Berman und Brannon Braga, hatten dennoch eine durchaus interessante Vision gehabt: Sie wollten die erste Staffel ihrer Serie nutzen, um die Vorbereitungen der Menschheit auf die erste Langzeitmission an Bord eines warpfähigen Sternenflottenschiffes zu präsentieren. Man hätte etwas über die Vorgänge auf unserem blauen Planeten erfahren können, die Fertigstellung des Schiffes erleben dürfen und die Zusammenstellung der Crew wäre zu einem längeren Prozess geworden, bei dem wir alle Beteiligten bereits etwas hätten kennenlernen können. Am Ende der Staffel wäre dann unter Umständen das Problem rund um die Klingonen aufgetaucht und wir hätten den Aufbruch der NX-01 bejubelt. Doch grau ist bekanntlich alle Theorie.

Diese Vision zerschellte am Veto des Senders. Man wollte das Schiff lieber direkt auf die Reise schicken und kürzte somit das Vorhaben der beiden Macher radikal ein. Was folgte, war eine generische, aber immerhin zeitweise starke und mit einigen denkwürdigen Episoden gespickte erste Staffel.

Danach ging Showrunner Braga die Luft aus. Das zweite Jahr begann gut („Dead Stop“), baute dann aber unerklärlich schnell und stark ab und wankte zwischen Plagiaten und kreativem Leerlauf hin und her. Einen ganzen Schwung an Abenteuern mag man heute kaum mehr erwähnen („A Night in Sickbay“, „Precious Cargo“, „Marauders“, „Dawn“, „The Crossing“, „Bounty“). Einzig Episoden wie „Singularity“, „Cease Fire“, „The Catwalk“, „Cogenitor“ oder „Regeneration“ stachen noch wirklich heraus. Wenn in 26 Episoden jedoch nur noch sechs wirklich tolle dabei sind, hat man definitiv den Weckruf verpasst.

Wäre aufgrund der schwindenden Zuschauerschaft der Wunsch nach einem Staffel-Arc für das dritte Jahr seitens des Senders nicht so groß gewesen, mag man sich gar nicht ausmalen, wie dürftig diese Staffel ohne den übergeordneten Fokus und einschneidende Veränderungen hinter den Schreibtischen wohl geraten wäre.

Doch wie kam es überhaupt dazu? Warum war der Serie so schnell der Sprit ausgegangen? Hier greift ein Begriff, den Rick Berman nach dem Scheitern von Star Trek: Enterprise und Star Trek: Nemesis immer gern verwendete: Franchisemüdigkeit. Seiner Meinung nach waren die Fans Star Trek überdrüssig geworden und hätte das Interesse und die Leidenschaft dafür verloren.

Irgendwer hätte dem Mann mal einen Spiegel schenken sollen! Den beiden Machern ging es in den 90er und 2000er Jahren einfach zu gut!

Niemand steht so sehr für das in den Abgrund verwalten und komatös dem Ende entgegenschwanken wie Franchise-Buchhalter Berman. Dies hätte jedoch vermutlich gar nicht zu einem Problem werden müssen, wäre seinem Kompagnon Braga zumindest die ihm eigentlich gegebene Kreativität erhalten geblieben. Doch auch er offenbarte vom Start weg ein erschreckendes Maß an Einfallslosigkeit und Eindimensionalität, das der Serie im zweiten Jahr fast das Genick gebrochen hätte.

Star Trek: Enterprise war von Beginn an eine Serie, die ihr Potential zu selten nutzte, ja die meiste Zeit gar nur daran kratzte. Dafür kann man sich allerdings während der lauen zweiten auf die spannende dritte und die vielseitige vierte Staffel freuen, die spät aber letztlich doch noch den Prequel-Ansatz mit Leben füllte. Da waren Berman und Braga aber schon nicht mehr für das Tagesgeschäft verantwortlich. Ein Schelm, wer an dieser Stelle grinst.

The only way is down?

Das Problem der schwächelnden zweiten Staffel ist übrigens nicht auf diese beiden Inkarnationen begrenzt. Die Classic-Serie brach aus unterschiedlichen Gründen im Vergleich zum Auftaktjahr ebenfalls stark ein. Auch damals hatte es viel Trubel abseits der eigentlichen Dreharbeiten gegeben.

Es ging aber auch anders: Star Trek: Deep Space Nine hatte das mittelprächtige Niveau des ersten Jahres im zweiten halten können, auch bei Star Trek: Voyager konnte man keinen großen Unterschied feststellen. Bei diesen Serien lief es aber ohnehin anders: Sie wurden erst im dritten oder vierten Jahr richtig stark. Und was Star Trek: Discovery betrifft, bleibt uns allen natürlich ebenfalls immer noch die Hoffnung, dass es für die jüngste Serie in den folgenden Staffeln stetig nur aufwärtsgehen wird. Man wird doch träumen dürfen, oder?

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf www.syfy.de und ist Eigentum von NBC Universal Global Networks Deutschland GmbH. Er wird mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.

Hoch
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner