Vor über fünfzig Jahren führten die Vereinigten Staaten von Amerika mal wieder einen Krieg gegen das Böse. In einem Land, das Vietnam hieß, kämpften junge Soldaten in dem festen Glauben, ihr Leben für eine höhere Sache aufs Spiel zu setzen. Doch ihre Siegesgewissheit erwies sich als fataler Trugschluss: Tausende amerikanische GIs, von denen die meisten kaum dreißig Jahre alt waren, verloren ihr Leben; die anderen kehrten traumatisiert in eine Heimat zurück, in der die Menschen nach den Sinn des Sterbens fragten, ohne freilich eine Antwort zu bekommen. Jedenfalls nicht in der Realität.
Doch die Fantasiewelt des Kinos bot ihnen die Antworten, nach denen sie suchten. Zwei Jahre nach Ende jenes Krieges, der die Grenzen der vermeintlichen Supermacht USA schonungslos offenlegte und ihren Glauben dem Rest der Welt sowohl moralisch als auch militärisch überlegen zu sein zutiefst erschütterte, erschien mit dem ersten Teil der Star Wars-Trilogie ein Film, in dem die Grenze zwischen Gut und Böse zumindest auf den ersten Blick klar gezogen war: Die letzten verbliebenen Ritter des edlen Jedi-Ordens wehrten sich gegen die Armeen des dunklen Imperiums, welches die Völker der Galaxis unterdrückte.
Die zwei Seiten der Medaille
Der Erfolg der Star Wars-Saga war sicher im nicht unerheblichen Maße auf die Sehnsucht der Menschen nach klaren moralischen Vorbildern, wie es sie im wirklichen Leben offensichtlich nicht gab, zurückzuführen.
Aber diese Sehnsucht ist bis in unsere Tage nie wirklich gestillt worden. Auch in unserer heutigen Welt scheint noch immer niemand genau zu wissen, was richtig und was falsch ist. Religiöse Autoritäten versuchen uns zwar zu erklären wer die „Guten“ und wer die „Bösen“ sind, doch da es gerade die Religionen sind, die für einige der blutigsten Konflikte unserer Zeit verantwortlich sind, haben diese Autoritäten ihre Glaubwürdigkeit in den Augen vieler Menschen längst verloren. In eben diese Lücke dringen moderne Mythen wie Star Wars ein, in welchen, ebenso wie in der Religion, der ewige Konflikt zwischen den Mächten des Lichts und der Finsternis von zentraler Bedeutung sind. Das Filmmärchen des George Lucas hat vor allem auf junge Zuschauer einen tiefen Einfluss gehabt, indem es ihnen die Botschaft vermittelte, dass jeder Mensch in seinem Leben eine bedeutende Rolle spielen kann, wenn er sich für das Gute entscheidet.
Doch im Gegensatz zu den meisten Religionen war Lucas selbstkritisch genug, um aufzuzeigen, dass dieser Botschaft auch eine gefährliche Kehrseite innewohnt. Denn bei näheren Hinsehen ist auch in der Star Wars-Saga alles andere als eindeutig, wer Gut und wer Böse ist: In der allgegenwärtigen Macht, die für das Leben in der Galaxie so wichtig ist, herrscht ein Ungleichgewicht, welches, gemäß einer alten Prophezeiung, eines Tages von einem Auserwählten wiederhergestellt werden wird. Aber obwohl Anakin Skywalker diese Erlöserfigur ist, verfällt er zunächst den Verlockungen der dunklen Seite der Macht.
George Lucas machte anhand dieses Charakters deutlich, wie dünn die Trennlinie zwischen Gut und Böse tatsächlich ist. Die Angst um das Leben seiner geliebten Frau Padme bringt Anakin dazu sich der dunklen Seite der Macht anzuschließen und lässt ihn zu einem gewissenlosen Massenmörder werden, da er glaubt den Tod Padmes nur mit Hilfe der Fähigkeiten verhindern zu können, die ihm die dunkle Seite verleiht. Doch ohne es zu beabsichtigen zieht er gerade damit nicht nur sich und Padme, sondern die gesamte Galaxis in den Abgrund.
Der Preis der Angst
Hier zeigt sich ganz besonders deutlich eine Parallele zwischen Star Wars und unserer realen Welt: In unserer Zeit erhebt sich allerorten wieder der religiöse Fundamentalismus, der sich vor allem von den Ängsten orientierungsloser jungen Menschen vor dem Leben, dessen Ungewissheiten und Gefahren nährt. Religiöse Eiferer ziehen gegen Mächte in den Kampf, von denen sie sich bedroht fühlen, und sehen Gewalt als einziges Mittel sich gegen das vermeintlich Böse erwehren zu können.
In Wahrheit jedoch sind auch sie von der dunklen Seite der Religion verblendet worden, ohne es selbst zu bemerken. Doch in Star Wars wird deutlich, dass es zu einem friedlichen Miteinander der unterschiedlichen Kulturen keine Alternative gibt. Denn nachdem Kanzler Palpatine die Macht im Senat der Alten Republik an sich gerissen, und sie dadurch in eine Diktatur verwandelt hat, gibt es in der Galaxis zwar Frieden, aber der Preis dafür ist das Verschwinden der Freiheit, vor der sich Fundamentalisten aller Art so sehr fürchten.
Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass es gerade die Verteidigung dieser Freiheit ist, die von den Amerikanern immer wieder als Vorwand angeführt wird, wenn sie mal wieder in einen Krieg ziehen. Im Selbstverständnis der amerikanischen Bevölkerung sind die USA ja ein besonders gottesfürchtiges Land, welches gerade wegen seiner christlichen Tradition ihren moralischen Führungsanspruch begründet. Mit ihren Versuchen den Rest der Welt mit den Vorzügen des American Way of Life zu beglücken, brachten sie, wie Meister Yoda es formulieren würde, unsägliches Leid über Millionen von Menschen.
Zeitgleich werden in den USA selbst die angeblich so hoch geachteten Freiheiten der einzelnen Bürger immer mehr beschnitten, was mit dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus gerechtfertigt wird. So ist es einmal mehr in erster Linie die Furcht vor einer Gefahr von außen, welche die Demokratie von innen heraus gefährdet. Und wieder flüchten viele Menschen in die Religion, um dieser Angst etwas entgegenzusetzen. Dieser Teufelskreis ist die Ursache, der vielen gesellschaftlichen Konflikte, mit denen wir uns zurzeit konfrontiert sehen.
Die Frage ist: Wie können wir den Kreis durchbrechen und die Konflikte lösen?
Abschied von Gut und Böse
In Star Wars ist, wie gesagt, der ewige Kampf zwischen Gut und Böse das bestimmende Element über das Schicksal aller Beteiligten. Auch wir haben uns in unserer sogenannten Realität so sehr daran gewöhnt in diesen beiden extremen Kategorien zu denken, dass wir uns gar nicht mehr vorstellen können, dass es auch anders gehen könnte.
Womöglich liegt genau hier der eigentliche Grund, aus dem unsere Welt gegenwärtig kein allzu friedlicher Ort ist. So wie sich Anakin Skywalker für einen Kämpfer für eine gute Sache hält, und dadurch erst Recht zum Handlager der dunklen Seite wird, so sind es auch in der Wirklichkeit gerade jene religiösen Fundamentalisten, die sich als besonders moralisch empfinden und glauben, dass zur Bekämpfung des Bösen jedes Mittel recht ist und dadurch Leid über zahllose Menschen bringen. Doch wie Obi Wan am Ende von Episode III sagt, denkt nur ein Sith-Lord, also ein Diener der dunklen Seite, ausschließlich in Extremen.
Was wäre also, wenn wir einfach mal versuchen würden damit aufzuhören, überhaupt in Schablonen wie Gut und Böse zu denken und diese beiden Worte als das zu erkennen, was sie eigentlich sind: Nur Worte, die wir erfunden haben um die Welt in begriffliche Schubladen zu stecken. Denn dann würden wir vielleicht endlich damit aufhören, immer nur mit dem Finger auf die bösen Anderen zu zeigen.
Wir könnten allen Hasspredigern, welche zu heiligen Kriegen aufrufen, den Boden entziehen, wenn wir die tiefe Botschaft verinnerlichten, welche Meister Yoda Luke Skywalker in Episode V zu vermitteln versucht: Das jedes Wesen Teil von etwas Größerem ist, welches jenseits aller trennenden Begrifflichkeiten liegt. Wenn wir uns selbst als in einem größeren Zusammenhang eingebettete Wesen sehen, werden wir kein Opfer unserer Leidenschaften und Begierden mehr sein, und uns von unserer liebgewonnen Gewohnheit befreien, die Welt in den eng gefassten Bahnen unseres gewöhnlichen Denkens einzuteilen.
Wir würden uns von den Fesseln unserer eingefahrenen Denkstrukturen lösen und dadurch einen echten Beitrag zu einem harmonischeren Miteinander liefern.
Dazu benötigen wir nicht die Hilfe einer übernatürlichen Macht, denn das Potential uns selbst zu ändern liegt in jedem von uns.