Analyse

Star Trek und die Realität: Der Weg in eine bessere Zukunft?

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Sven Wedekin macht sich Gedanken darüber, wie “Star Trek” uns den Weg in eine bessere Zukunft ebnen könnte.

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Bin ich ein perfekter Mensch?

Natürlich nicht, denn wer kann schon von sich behaupten, perfekt zu sein? Ist Perfektion nicht sowieso ein ziemlich sinnloser Begriff, da er im Grunde völlig undefiniert ist?

Gene Roddenberry jedenfalls war in dieser Hinsicht möglicherweise anderer Meinung. Als er seine Star Trek-Serie in den Sechzigerjahren konzipierte, war es bekanntlich sein Ansatz, eine Zukunft zu zeigen, in der sich die Menschheit weiterentwickelt hat, hin zu einer Spezies, die all die vielen selbstzerstörerischen Verhaltensweisen und Denkmuster hinter sich gelassen hat, welche uns in der Realität so große Schwierigkeiten bereiten.

In der Roddenberry-Version des 23. Jahrhunderts gibt es auf der Erde keine Kriege mehr, weil der Mensch erkannt hat, dass Hass und Gewalt zu nichts führen. Bei Star Trek ist der Mensch zu einem quasi-perfekten Wesen geworden. Natürlich haben auch Kirk und Co. ihre charakterlichen Schwächen, aber sie haben gelernt, diese im Zaum zu halten und sich von ihnen in ihren Entscheidungen und in ihrem Verhalten ihren Mitmenschen gegenüber nicht allzu stark beeinflussen zu lassen.

Insofern kann man den Menschen des 23. Jahrhunderts in diesem Sinne tatsächlich als perfekt bezeichnen, zumindest als einen „Advanced Human“, wie Roddenberry selbst es genannt hat. Wenn man sich nun als gewöhnlicher TV-Zuschauer eine beliebige Episode ansieht, kann man da schon ins Grübeln kommen: Aus welchem Grund sind wir in der realen Welt des 21. Jahrhunderts nicht auch schon längst so weit wie die Männer und Frauen in der fiktionalen Star Trek-Zukunft? Was hindert uns eigentlich daran über uns selbst hinauszuwachsen und uns in eine bessere, man könnte auch sagen vollkommenere Spezies zu verwandeln, welche unsere Welt aus eigener Kraft zu verbessern vermag?

Die Antwort darauf ist nicht ganz leicht, denn sie hat beileibe nicht nur damit etwas zu tun, dass jeder eine andere Vorstellung von einer perfekten Welt hat.

Eigentlich wissen wir ja ganz genau was zu tun ist, um all die großen Probleme unseres Zeitalters zu lösen: Wir wissen was zu tun ist, um zu verhindern, dass Kriege ausbrechen. Wir wissen was zu tun ist, um den Klimawandel aufzuhalten. Wir wissen was zu tun ist, um die globale Armut zu bekämpfen. Und obwohl wir die Lösungen für all diese großen Weltprobleme genau kennen, sehen wir uns nicht im Stande sie in der Praxis umzusetzen.

Wäre es möglich, dass wir als Spezies doch nicht ganz so klug und lernfähig sind, wie Gene Roddenberry immer glaubte? Und falls doch, können wir uns dann überhaupt jemals weiterentwickeln, bevor wir uns in Folge unserer grenzenlosen Kurzsichtigkeit selbst auslöschen?

Wenn man sich die täglichen Nachrichten, gerade in unserer Zeit, so ansieht, fällt es einem wirklich schwer, noch ernsthaft daran zu glauben, dass eine große Zukunft vor der Menschheit liegt. Eher erscheint es wahrscheinlich, dass wir nahe dran sind, uns unsere eigene Zukunft für immer zu verbauen.

Den Staatenlenkern dieser Welt scheint das Verantwortungsbewusstsein, der politische Wille oder in manchen Fällen schlicht die Intelligenz zu fehlen, die oben genannten Probleme ernsthaft anzugehen. Jene Männer – Frauen sind fast nicht darunter – welche die Macht über das Schicksal unserer Zivilisation in ihren Händen halten, sind offensichtlich gar nicht dazu in der Lage, die Menschheit als Ganzes zu betrachten und die großen Zusammenhänge zu erfassen. Sie begreifen einfach nicht, dass die größten Herausforderungen, denen wir uns gegenübersehen, auch jeden von uns gleichermaßen betreffen und wir alle gemeinsam unter den Folgen unseres Nicht-Handels werden leiden müssen. 

Doch sollten wir dabei eines nicht vergessen: Auch bei Star Trek musste der Mensch erst am Boden liegen, bevor sich die Dinge zum Besseren verändert haben. Wie wir im achten Kinofilm erfahren haben, kam es auf der Erde in der Mitte des 21. Jahrhunderts zu einem Dritten Weltkrieg, welcher beinahe unserer Zivilisation den Garaus machte. Buchstäblich im letzten Moment gelang es dem menschlichen Erfindergeist in der Gestalt von Zephram Cochrane mit dem Flug seines Warpschiffes, das Ruder doch noch herumzureißen. Dadurch hat Cochrane ganz allein, freilich ohne sich dessen bewusst zu sein oder es überhaupt selbst zu bemerken, den Weg zu der Entwicklung des „Advanced Human“ freigemacht.

Was für Schlüsse kann nun der Einzelne daraus ziehen? Was kann der geneigte Star Trek-Fan, der sich seine Lieblingsserie unter anderem deshalb so gerne anschaut, weil er sich insgeheim wünscht, dass unsere reale Zukunft tatsächlich so rosig aussehen wird, wie Roddenberry es sich erhofft hat tun, um sich selbst und damit die Welt wenigstens ein Stück weit zu verbessern? Hat es überhaupt einen Sinn zu versuchen über uns selbst hinauszuwachsen, angesichts der Tatsache, dass wir es wohl kaum schaffen werden, unsere große Vorbilder, wie Kirk, Picard, Janeway und Co. jemals zu erreichen?

Man kann diese Frage aber auch anders stellen: Müssen wir sie überhaupt erreichen?

Kann unsere Welt nicht allein schon dadurch zu einem besseren Ort werden, wenn wir selbst versuchen, Vorbilder für die Menschen in unserer eigenen Umgebung zu werden?

Der große deutsche Zukunftsforscher Robert Jungk sagte einmal, dass wir brennende Geduld brauchen, um etwas bewegen zu können. Wir haben den Drang, unsere Welt stets mit der Brechstange verändern zu wollen. Eine Revolution, durch welche sich die Verhältnisse auf diesen Planeten praktisch von einem Tag auf den nächsten ändern, ist uns lieber, als der Gedanke an einen langsamen, evolutionären Wandel.

Natürlich haben wir, um zum Beispiel den Klimawandel zu stoppen, tatsächlich nicht mehr viel Zeit, aber ist es nicht auch ein Teil der Wahrheit, dass unser Wunsch nach einer möglichst raschen Verbesserung unserer Lebensumstände überhaupt erst der Grund dafür gewesen ist, aus dem wir jetzt überhaupt erst in diesem Schlamassel stecken? Aber brennende Geduld zu haben bedeutet eben auch Rückschläge auf dem Weg in eine bessere Zukunft für alle hinnehmen zu können, andererseits aber auch nicht so träge zu sein, dass wir einfach lieber alles beim Alten lassen wollen.

Letztlich ist doch etwas Wahres dran an der alten Erkenntnis, dass jeder seinen kleinen Beitrag dazu leisten kann die Welt zu verändern, und wenn damit nur seine eigene kleine Lebenswelt gemeint ist und nicht gleich der ganze Planet.

Wenn wir den Glauben an unsere Fähigkeit, die Dämonen, die in uns Selbst lauern, zu überwinden, über uns selbst hinauswachsen können und das Tag für Tag, gibt es für uns keinen Grund mehr uns schlecht zu fühlen, weil wir nicht so perfekt sind wie unsere Helden aus dem Fernsehen. Damit schließt sich wieder der Kreis hin zu Roddenberrys Vision des „Advanced Human“. Ein Mensch, der die Weisheit besitzt, die Welt in kleinen Schritten verändern zu können, ist selbst bereits ein Vorbild für andere. Denn auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt …

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