Das Bild der Vampire hat seit Twilight (den Büchern ab 2005 wie der Film-Reihe an 2008) ziemlich gelitten. Blasshäutige Liebhaber, glitzernde Grübler, gefühlvolle Künstlernaturen … das mag den Herzschlag empfindsamer Träumerinnen, die sich in Vollmondnächten nach ihrem dunklen Prinzen sehnen, beschleunigen, aber, verdammt, es ist so uncool!
In den 1980ern war das alles noch anders. Okay, zumindest in dem Film The Lost Boys (1987) war es anders. Da treten die Blutsauger als Punks auf, als wilde Rebellen, hemmungslos, unangepasst, mit Gel in den gefärbten Haaren, Lederjacken am Leib und auf röhrenden Motorrädern in der Nacht unterwegs. Ein junger und verdammt charismatischer Kiefer Sutherland führt sie an und seine Devise lautet: Jede Nacht Party! Doch damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Lost Boys sind nicht die Guten in diesem Film.
Ist der Ruf erst ruiniert …
Das sind die Brüder Sam und Michael, die nach der Trennung ihrer Eltern mit ihrer Mutter zu deren schrulligem Vater nach Santa Clara ziehen. Bei Tag wirkt alles ein bisschen heruntergekommen und trist, doch bei Nacht feiert die Jugend auf Rockkonzerten und auf dem großen, funkelnden Rummel am Hafen bis zum Vergessen. Auf einem dieser Konzerte sieht der ältere Bruder Michael das Mädchen Star und er verfällt ihr sofort.
Was nun folgt, ist gleichzeitig der Einstieg in den übernatürlichen Teil der Handlung und eine Allegorie auf die Abwege, auf die einen die Jugend führen mag. Michael lässt sich mit der Gang von David ein, zu der auch Star gehört – wenn auch anscheinend nur halb freiwillig. Die vier unangepassten Punks spielen mit ihm und verführen ihn zu lebensgefährlichem Mist, wollen ihn aber doch offensichtlich in ihre Reihen aufnehmen. Was allerdings bei David und seinen Freunden cool und sexy wirkt, macht Michael nur krank. Es führt ihn – man fühlt sich hier an Drogenkonsum oder das Abrutschen in die Kriminalität erinnert – an einen Abgrund, vor dem er Angst hat, hineinzufallen. Und, ja, das Bild des Sturzes in den Abgrund gibt es in dem Film tatsächlich.
Glück für Michael, dass er einen jüngeren Bruder hat. Der freundet sich nämlich ausgerechnet mit den zwei vierzehnjährigen Comic-Nerds und selbsternannten Vampirjägern Edgar und Alan Frog an. Die verdanken ihre Namen übrigens dem amerikanischen Schauerliteraten Edgar Allan Poe und sorgen mit ihrer No-Nonsense-Haltung für eine gute Prise Humor im Film.
Nerds und Rebellen und endlose Party
Der Film wurde von Joel Schumacher inszeniert, dem Regisseur, der ein Jahrzehnt später mit Batman & Robin (1997) einen der miesesten Superhelden-Filme aller Zeiten verzapfte. In den 1980ern war er allerdings voll in seinem Jahrzehnt. Zwei Jahre zuvor hatte er mit St. Elmo’s Fire (1985) – heute ein Klassiker des Teenager-Films jener Ära – einen großen Erfolg gefeiert, in The Lost Boys versammelte er einmal mehr eine ganze Riege von jungen Stars, neben Sutherland als David etwa Corey Haim als Sam, Corey Feldman als schräger Edgar Frog und Jamie Gertz als verführerische Star. Jason Patric, der zuvor gerade den eigenwilligen Rollschuh-Science-Fiction Solarfighters (1986) gedreht hatte – ebenfalls mit Jamie Gertz, die von Patric zu The Lost Boys mitgebracht wurde –, bekam die Rolle des Michael. Dianne Wiest und Barnard Hughes setzen als überforderte Mutter und durchgeknallter Opa nette Akzente, auch wenn sie zwangsläufig hinter den Jungdarstellern zurückbleiben. Vor allem deren Präsenz dürfte nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass der Film heute als Kult gehandelt wird. Aber auch die ganz spezielle Stimmung von The Lost Boys – der seinen Horrorgrundton mit augenzwinkernder Leichtigkeit aufhellt – macht den Film sehenswert.
Den Interviews im Bonusmaterial der The Lost Boys-Blu-Ray zufolge sollte die Geschichte ursprünglich als Kinderfilm produziert werden, mit Schauspielern, die alle um die acht Jahre alt sein sollten. Schumacher, der von Produzent Richard Donner – oder vielmehr von dessen Frau – an Bord gebracht wurde, fand diese Idee ziemlich doof. Aber bevor er den Job absagen konnte, fing es in ihm an zu arbeiten. Tausend Dinge kamen ihm in den Sinn, die den Film cooler machen würden. Teenager, Lederjacken, Motorräder … Und diese Vision zahlte sich aus!
Hemmungsloser 80er-Jahre-Kult
The Lost Boys ist optisch und erzählerisch 80er-Jahre pur. Nur in diesem Jahrzehnt fiel es so leicht, hemmungslos die Genres zu mischen, und nur in diesem Jahrzehnt trug man so exzentrische Klamotten wie sie vor allem Corey Haims Sam, aber auch einige der Lost Boys anhaben. Deren Bezeichnung verweist übrigens auf die Lost Boys in dem J.M. Barrie Kinderbuch Peter Pan, das Drehbuchautor James Jeremias als Inspiration für die ursprüngliche Geschichte diente. Denn deren Anführer, Peter, der zu fliegen vermag, Wendy stets nachts besucht und niemals altert, kann ja ganz offensichtlich auch nur eins sein … 😉
Zwei Fortsetzungen hatte der Film zur Folge, die allerdings beide deutlich später und nur für den DVD-Markt produziert wurden. Lost Boys 2: The Tribe (2008) verlegt die Vampirstory in die Surferszene des kalifornischen Küstenorts Luna Bay. Lost Boys: The Thirst (2010) schließlich spielt in der Raver-Szene. In beiden Filmen nimmt Corey Feldman als Vampirjäger Edgar Frog erneut eine zentrale Rolle ein, dennoch sagt man den Streifen – wie so vielen Sequels von Kultfilmen – nach, dass sie den Charme des Ursprungsfilms nicht mehr einzufangen vermochten.
Ein Hinweis zum Schluss: Sollte sich der ein oder andere durch diesen Artikel angeregt fühlen, The Lost Boys erneut zu genießen, empfehle ich dringend zuvor den Besuch der Trivia-Sektion für den Film in der IMDB (Internet Movie Database / imdb.de). Die zahlreichen Anekdoten zur Produktion sind wirklich interessant, außerdem wird man auf mehr als nur ein Easter Egg hingewiesen, das im Film versteckt wurde.
Informationen zum Redakteur

Bernd Perplies
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Bernd Perplies verbringt schon sein ganzes Leben mit Zwergen und Sturmtrupplern, Vampiren und Vulkaniern. Prägende Jugendjahre voller Abenteuer an der Seite von Perry Rhodan, Jean-Luc Picard, Gandalf und Luke Skywalker sorgten für eine Anhäufung unnützen Wissens über neue Welten, neues Leben und neue Zivilisationen fernab der Realität. Um dieses Wissen sinnvoll weiterverwerten zu können, entschied er sich für eine Laufbahn als Schriftsteller, Übersetzer und Journalist.
Seitdem hat er zahllose Artikel für die SpaceView, das Phantastika Magazin und Tor Online verfasst, rund 20 Star Trek-Romane (und ein bisschen Genre-Beifang links und rechts) übersetzt, etwa 1000 Seiten an Playmobil-Magazin-Comics ersonnen und annähernd 50 phantastische Romane für Kinder, Jugendliche und Erwachsene geschrieben, darunter die Magierdämmerung-Trilogie, offizielle Beiträge zu Shadowrun und BattleTech, die Drachengasse 13-Reihe und Star Trek Prometheus, den Geburtstagsdreiteiler des Cross-Cult-Verlags zum 50-jährigen Jubiläum von Captain Kirk & Co.
Bernd Perplies lebt mit seiner Familie (und einer einzelnen tapferen Grünpflanze) unweit von Stuttgart in einem Labyrinth aus Billy-Regalen voller Bücher, Filme und Brettspiele.
