Wenn man im Kreis von Genre-Fans den Namen Peter Jackson fallen lässt, denken natürlich alle gleich an seine epochale Der Herr der Ringe-Trilogie. Ältere Semester mit einem Hang zum Absurden und Geschmacklosen mögen sich auch seiner Frühwerke Bad Taste oder Braindead erinnern. Der Film, der für den Regisseur mit der ewigen Zauselfrisur den Aufstieg vom kleinen, neuseeländischen Independent-Filmer hin zum Hollywood-Schwergewicht bedeutete, kommt den wenigsten direkt in den Sinn. Völlig zu Unrecht! The Frighteners von 1996, der dunklere, intensivere Bruder des amerikanischen Spuk-Spaßes Ghostbusters, ist ein Film, der einen als Zuschauer mit jeder Minute mehr in seinen Bann zieht.
Ein etwas anderer Geisterjäger
Das Ganze fängt als kalauernde Gruselkomödie an. Michael J. Fox (in seiner letzten großen Kinofilm-Rolle, bevor er sich zunächst auf TV-Serien verlagerte und schließlich aufgrund seiner Parkinson-Erkrankung weitgehend aus Bewegtbild-Geschäft zurückzog) verkörpert den abgewrackten Ex-Architekten Frank Bannister, der vor Jahren seine Frau bei einem Autounfall verloren hat. Seitdem lebt er, vom Leben desillusioniert, in einem rudimentär errichteten Haus in dem Städtchen Fairwater in Kalifornien.
Das traumatische Unfallerlebnis hatte allerdings noch eine unerwartete Nebenwirkung. Frank verfügt über die seltene Gabe, mit den Geistern Verstorbener zu interagieren – er kann sie sehen, mit ihnen sprechen, sie sogar berühren. Diese Gabe nutzt er, um gemeinsam mit einem Trio ungleicher Spukgestalten Leute zu erschrecken und die Opfer danach als vermeintlicher „Geisterjäger“ von den paranormalen Eindringlingen zu befreien. Dabei wirkt er mit seiner Weihwasser-Spritzpistole und der falschen Geisterfalle ein wenig wie eine Mischung aus Ritter Bowen aus Dragonheart (der einen ähnlichen Betrug ja mit einem befreundeten Drachen abzog) und dem Skeptiker Peter Venkman aus Ghostbusters.
Doch so launig der Film auch anfängt, stets schwingt ein düsterer, tragischer Unterton mit. Bannister ist – es wird oben angedeutet – eine gescheiterte Existenz, und den Kampf, in den er hineingezogen wird, bringt ihn innerlich an seine Grenzen. Sein Gegner, ein schwarzer, kuttenverhüllter Sensenmann, der durch nichts aufhaltbar scheint und seinen Opfern in immer schnellerem Taktschlag das Herz zerquetscht und die Seele aus dem Leib reißt, wirkt wie einem Albtraum entsprungen. Witzigerweise ist just dieses Geschöpf, das sich später als jugendlicher Geister-Massenmörder entpuppt, das deutlichste Bindeglied zwischen Jacksons vorherigem und nachfolgendem Spielfilm. In dem gefeierten Drama Heavenly Creatures (1994) ging es um zwei junge Mörderinnen, in Der Herr der Ringe (ab 2001) werden die Ringgeister in fast der gleichen nachtschwarzen Vermummung auftreten.
Atmosphäre zwischen Scherz und Schmerz
Auch sonst trägt der Film, obwohl von Hollywood in Gestalt des Produzenten Robert Zemeckis bezahlt und mit Zemeckis’ Zurück in die Zukunft-Star Michael J. Fox besetzt, noch angenehme Spuren von Jacksons hemmungsloser filmischer Anfangszeit in sich. Eine Figur wie der psychopathische FBI-Agent Milton Dammers, der vom immer wieder sehenswerten Jeffrey Combs verkörpert wird (Star Trek-Fans als Weyoun in Deep Space 9 und Shran in Enterprise bekannt), sowie ein ziemlich morbides Finale verleihen The Frighteners Ecken und Kanten, die man etwa bei Ghostbusters vergeblich sucht. Gleichzeitig merkt man aber auch, wie sehr Peter Jackson die Hollywoodklassiker – oder zumindest Kubrick-Filme – liebt, etwa wenn er R. Lee Ermey in einer Parodie seines Gunnery Sergeants Hartman (Full Metal Jacket) als Geisterwächter auf dem Friedhof auftauchen lässt oder wenn Frank Bannister einen auf Jack Torrance (verkörpert von Jack Nicholson in The Shining) macht und wilden Blickes durch eine zertrümmerte Holztür starrt.
Diese Atmosphäre zwischen Scherz und Schmerz, zwischen schrillen Figuren und persönlichem Drama ist allerdings nicht was für jedermann. So fielen die Kritiken beim Erscheinen des Films auch völlig unterschiedlich aus. Die einen priesen The Frighteners als überbordenden Effektfilm voller wilder Ideen und sehenswerter Hauptdarsteller, die anderen beschwerten sich über eine wirre Handlung, einen Mangel an Zurückhaltung (gerade nach dem starken Charakterdrama Heavenly Creatures) und einen steten Wechsel in der Tonlage, der so hektisch verlief, dass man als Zuschauer kaum emotional folgen konnte. Insgesamt gesehen ging der Film zwischen dem Kritikerliebling Heavenly Creatures und dem Epos Der Herr der Ringe also ziemlich unter.
Ein Film nicht nur für Jackson-Fans
Und ich wiederhole noch einmal: Zu Unrecht! Denn gerade diese schräge Mischung aus Big Budget und Independent-Spielfreude, aus hemmungs- und manchmal auch geschmackloser Albernheit und enormem Ernst machen The Frighteners zu einem so spannenden Film. Dass man als Zuschauer manchmal wirklich nicht weiß, ob man in der nächsten Minute lachen, die Augen verdrehen oder erschüttert sein wird, ist in einer Welt voll vorhersehbarer Filmware von der Stange durchaus mal ganz erfrischend – damals wie heute. In meinen Augen ein echter Geheimtipp.
Zeitnah soll übrigens eine schöne Steelbook-Edition bei Turbine Media erscheinen, die bestimmt einen Blick wert ist.
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Bernd Perplies
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Bernd Perplies verbringt schon sein ganzes Leben mit Zwergen und Sturmtrupplern, Vampiren und Vulkaniern. Prägende Jugendjahre voller Abenteuer an der Seite von Perry Rhodan, Jean-Luc Picard, Gandalf und Luke Skywalker sorgten für eine Anhäufung unnützen Wissens über neue Welten, neues Leben und neue Zivilisationen fernab der Realität. Um dieses Wissen sinnvoll weiterverwerten zu können, entschied er sich für eine Laufbahn als Schriftsteller, Übersetzer und Journalist.
Seitdem hat er zahllose Artikel für die SpaceView, das Phantastika Magazin und Tor Online verfasst, rund 20 Star Trek-Romane (und ein bisschen Genre-Beifang links und rechts) übersetzt, etwa 1000 Seiten an Playmobil-Magazin-Comics ersonnen und annähernd 50 phantastische Romane für Kinder, Jugendliche und Erwachsene geschrieben, darunter die Magierdämmerung-Trilogie, offizielle Beiträge zu Shadowrun und BattleTech, die Drachengasse 13-Reihe und Star Trek Prometheus, den Geburtstagsdreiteiler des Cross-Cult-Verlags zum 50-jährigen Jubiläum von Captain Kirk & Co.
Bernd Perplies lebt mit seiner Familie (und einer einzelnen tapferen Grünpflanze) unweit von Stuttgart in einem Labyrinth aus Billy-Regalen voller Bücher, Filme und Brettspiele.
