Analyse

Die Legende vom schwachen Start und starken Ende – Wurden wirklich alle Trek-Serien mit der Zeit besser?

Seven of Nine in Staffel 4 aus "Star Trek: Voyager"

Wurden wirklich alle Trek-Serien irgendwann besser? Das haben wir uns genau angeschaut.

© Paramount

Sei gut, oder stirb

Heutzutage dürfen die wenigsten Serien schwach starten. Die Chance, mit weiteren Jahren die Qualität nach oben zu schrauben, erhalten maximal noch Streaming-Formate, von denen die Verantwortlichen absolut überzeugt sind. Im linearen TV ist es hingegen fast ausgeschlossen, einen schlechten ersten Eindruck später wettmachen zu dürfen. Ist das Publikum erst einmal weg, wird der Stecker in der Regel schnell gezogen.

Serien wie Dexter, Breaking Bad, LOST, Game of Thrones oder The Walking Dead haben im Phantastik-Bereich direkt funktioniert und zeigen seit vielen Jahre, wie herausragend man beginnen kann. Dass nicht alle Vertreter dieses Niveau dann zu halten wissen (man denke besonders an die einst so bahnbrechend spannende Zombie-Serie von AMC), steht selbstverständlich auf einem anderen Blatt.

Anomalie direkt voraus!

Mit der ersten Serie setzte das Franchise 1966 direkt ein dickes Ausrufezeichen, das sich über die Jahrzehnte sogar zur Anomalie entwickelte. Die erste Staffel des Urformats war nämlich bärenstark und geprägt von herausragenden Episoden wie Balance of Terror, The Corbomite Maneuver, Tomorrow is Yesterday, The Conscience of the King, Space Seed oder der wunderbaren Geschichte in The City on the Edge of Forever. 

In dieser 29 Episoden umfassenden Staffel war die Vision des Gene Roddenberry am stärksten ausgeprägt, das Feuer der Autoren am spürbarsten. Danach loderten zu oft Störfeuer unter den Geldgebern, Produzenten, Autoren und sogar Schauspielern, was ein besseres Produkt im zweiten und dritten Jahr verhinderte.

Die erste Staffel blieb somit eindeutig die beste der Serie – und gilt vielen bis heute sogar als eine der besten Trek-Staffeln überhaupt.

Tiefste Tiefen, höchste Höhen

Was dem Ur-Format gelungen war, galt rund zwei Jahrzehnte später nicht mehr. Star Trek: The Next Generation startete 1987 und wirkte dabei wie der unbeholfene Hochglanzaufguss des Vorgängers. Es schien fast so, als hätte man dem tattrigen Opa einfach schnell einen neuen Scheitel verpasst und ihn in ein modernes Seidenhemd gezwängt. Die Falten und Zeichen der Zeit konnten diese Kniffe aber leider nicht verdecken. Die Dramaturgie war veraltet, Kulissen und Sets teils albern und in Sachen Dialogen taten sich nur wenige Episoden positiv hervor. Die Macher hatten schlicht nicht genug Mut aufgebracht, Star Trek der Zeit anzupassen oder etwas Neues in die alte Formel einzubringen. Dass die Serie dennoch überlebte und in der Folgezeit einen wahren Quantensprung an Qualität hinlegte, war ein Segen für alle Beteiligten und die Zukunft des Franchise.

Befeuert von der Klasse eines Patrick Stewart in der Rolle des Captain Picard und angetrieben von kreativen Köpfen wie Michael Piller, Ronald D. Moore oder Brannon Braga entwickelte das Format bereits ab dem zweiten Jahr eine wunderbar magische Eigenständigkeit und reifte zur vielleicht selbstbewusstesten Trek-Serie heran. Einzig in Vorbereitung auf das erste Kinoabenteuer schlichen sich im siebten Jahr ein paar Schwächen ein. In der Summe war dies aber zu verschmerzen.

Die drei nach Schema B

Noch bevor die sieben erfolgreichen Jahre der Crew um Captain Picard endeten und die Crew für vier Abenteuer ins Kino wechselte, hatte Paramount vorgesorgt: 1993 ging Star Trek: Deep Space Nine auf Sendung, 1995 folgte Star Trek: Voyager und 2001 schließlich das erste Prequel namens Star Trek: Enterprise. Alle drei Serien hatten dabei eines gemeinsam: So gut die Settings auf dem ersten Blick waren (einsame Raumstation, verschollen weit weg von Zuhause, Geburtsstunde der Föderation), so wenig holten die Macher zunächst aus diesen Steilvorlagen heraus.

Star Trek: Deep Space Nine dümpelte in den ersten zwei Jahren die meiste Zeit als statische Version der Next Generation durch die Wohnzimmer der Fans. Einzelabenteuer standen zu oft im Fokus, die spannenden Geschichten rund um die vielschichtigen Figuren, Bajor und Cardassia oder den Gamma-Quadranten erhielten noch nicht die nötige Aufmerksamkeit. Erst mit der dritten Staffel änderte sich das Bild und die Serie entfaltete schnell ihr riesiges Potential. Zunächst geschah dies noch etwas verhalten, dann jedoch wurde es immer rasanter. Es ist besonders einem Ira Steven Behr oder auch Ronald D. Moore zu verdanken, dass aus dem zunächst blass-hässlichen Entlein, der vielleicht schönste Schwan der Trek-Geschichte wurde.

Star Trek: Voyager sah man den Grundgedanken der Produzenten bereits nach wenigen Episoden an: Man wollte den Erfolg von Star Trek: The Next Generation klonen, in dem man ein neues Schiff auf eine zwar veränderte, im Kern aber identische, Reise schickte: Schnelle Abenteuer, irre Raumphänomene, Holodeck-Dramen, Action, Zeitreisen und die Borg. Dass der Mix letztlich trotz des verwendeten Baukastensystems und mangelnder Tiefe sehr gut unterhielt, ist die eine Sache, dass auch diese Inkarnation gute zweieinhalb Staffeln brauchte, um sich zu festigen und schließlich mit dem vierten Jahr zu explodieren, die zweite. Und es gab noch eine weitere Parallele zu Captain Picard & Co: Im letzten Jahr schwächelten die Geschichten. Somit wurde die Serie zwar grundsätzlich ebenfalls immer besser, ein kleiner Knick zum Schluss war aber nicht wegzudiskutieren.

Als letzte der klassischen Trek-Serien erdachten Rick Berman und Brannon Braga schließlich Star Trek: Enterprise. Mit ihr wollten die Macher den bekannten Kuchen ein drittes Mal behalten und trotzdem verspeisen und garnierten die Missionen der Crew mit etwas mehr lockerem Humor und dem Zauber der ersten großen Mission der Menschheit zu den Sternen. Doch auch hier hatte der liebe Gott die Ausführung als Notwendigkeit vor den künstlerischen Erfolg gesetzt. Soll heißen: Berman und Braga wussten nicht so recht, was sie mit den vielen Episoden pro Jahr anfangen sollten und wiederholten unsäglich oft altbekannte Stoffe, ohne ihnen neue Seiten abzugewinnen. Erst mit der Xindi-Mission (die zumindest Spannung in die Serie brachte) und dem dann auch inhaltlich starken vierten Jahr (das sich endlich auf die Stärken eines Prequels besann) konnte man ein homogeneres Bild abliefern.

Somit kann man die drei Serien der Post-Picard-Ära auf einen einfachen Nenner bringen: Sie folgten der Erfolgsformel B – wie Berman. Viel Nummer sicher, viel verschenktes Potential und doch auch viel Glück dank kreativer Kräfte, die das Ruder stets noch irgendwie herumreißen konnten.

Der Zauber des Neuen

Zum Schluss bleibt mit Star Trek: Discovery noch der jüngste Spross der Familie übrig. Dieser hat im Januar just die erste Staffel abgeschlossen. Ein Vergleich über die Jahre ist somit natürlich noch nicht möglich. Festhalten darf man allerdings schon, wie weit die Meinungen über diesen neuen Ableger auseinandergehen. Einige halten ihn schon jetzt für die beste Trek-Serie, andere sind vorsichtiger, vergleichen lieber mit der Qualität der Anfangsjahre der anderen Serien und kommen aus dieser Warte zu moderaten bis positiven Einschätzungen, andere lehnen die Serie aus verschiedenen Gründen ab.

Wo auch immer die Wahrheit am Ende liegen mag, Luft nach oben gibt es immer. Sollte Star Trek: Discovery eine Qualitätssteigerung wie die direkten Vorgänger hinlegen können, dürfen wir uns noch auf einige schöne Abenteuer an Bord des neuen Schiffes freuen. Sollte die erste Staffel jedoch die Geschichte der Originalserie wiederholen, muss man um die weitere Entwicklung bangen. Jedem Fan wäre die erste Variante sicher am liebsten.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf www.syfy.de und ist Eigentum von NBC Universal Global Networks Deutschland GmbH. Er wird mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.

Hoch
Cookie Consent mit Real Cookie Banner