Andere Welten

Kultfilme unserer Jugend: WarGames – Kriegsspiele

© United International Pictures

Unser Reinhard Prahl blickt auf einen Kultfilm seiner Jugend zurück: “WarGames – Kriegsspiele”.

© United International Pictures

Was geht ab?

Der Jugendliche David Lightman hasst die Schule und seine Lehrer. Dafür liebt er Computer und vor allem Computerspiele. Zu Hause befasst er sich jede freie Minute mit seinem Heimrechner IMSAI 8080. Eines Tages hackt er sich in den Rechner seiner Schule und ändert seine Biologienote. Als er dasselbe für seine Freundin Jennifer tun möchte, zeigt sie sich erschrocken und verbietet David die Durchführung.

Der Teenager liest indes abends eine Computerzeitschrift, in der die neusten Spiele seines Lieblingsherstellers beworben werden. Begeistert beschließt er, in dessen System einzudringen, um diese Spiele im Vorfeld kostenlos spielen zu können.

Als Jennifer David am Folgetag bittet, ihre Note doch noch zu manipulieren, sitzt der Junge bereits an seinem Tisch und versucht mittels Wardialing in die Leitungen des Spiele-Publishers einzudringen.

Dies gelingt. Jennifer zeigt sich beeindruckt und schaut zu, wie der junge Nerd ein Spiel namens ›Thermonuklearer Krieg‹ beginnt. Begeistert ermutigt sie ihn, Raketen abzufeuern und U-Boote in Richtung US-Westküste zu starten, da der Junge die UdSSR als seine Spielpartei gewählt hat.

Doch tatsächlich hat sich David, ohne es zu wissen, in das mit einer lernfähigen K. I. ausgestattete US-Verteidigungssystem WOPR gehackt und simuliert nun den dritten Weltkrieg. In der Zentrale greift in der Zwischenzeit die Angst um sich, denn Lightmans Aktionen erscheinen auf den Bildschirmen als realer Angriff des Klassenfeindes. Wird die USA tatsächlich angegriffen? Muss der diensthabende General Jack Beringer den Gegenschlag empfehlen?

Kinder-Kult

WarGames ist einer jener Filme, die es immer wieder schaffen, die heute ältere Generation zurück in ihre Kindheit der 80er zu entführen. Seinerzeit beherrschten der Commodore 64 und die Nintendo NES die Kinderzimmer der westlichen Welt. Der Traum von den endlosen Möglichkeiten der Elektronik, aber auch die Angst vor dem Kalten Krieg geisterte durch die Zeit und Köpfe der Menschen.

Die DDR schien eine unumstößliche Tatsache und niemand glaubte daran, dass die beiden Landesteile Jahre später wieder vereint sein würden. Man hörte Rockmusik von Pink Floyd und Foreigner und liebte den damals immer stärker aufkommenden Rap. In Mode waren schlaksige Jeanshosen und enganliegende T-Shirts. Genau so präsentiert sich der Anfang des hier besprochenen Werks.

Der smarte Teenie-Nerd David Lightman (Matthew Broderick) sprach uns Kids aus dem Herzen mit seiner chronischen Aversion gegen Lehrer und Schule. Die Lust auf Computerspiele, die Anlage in seinem Zimmer, selbst die Kleidung und natürlich Davids süße Freundin Jennifer, herrlich unbeschwert von Ally Sheedy gespielt, taten ein Übriges, um ein Kultwerk zu schaffen.

Noch immer aktuell

Hinzu gesellte sich eine typische 80er-Jahre-Kalter-Krieg-Story, die von Regisseur John Badham (Das fliegende Auge, Nummer 5 lebt!) recht geschickt in ein mögliches Weltuntergangsszenario eingebettet wurde. Die Drehbücher jener Zeit hatten oft genug einen mahnenden Charakter, sie wollten bei aller Unterhaltsamkeit auch auf Missstände aufmerksam machen. Ironischerweise ist die alles überschattende Angst vor einem Atomkrieg, die dem Film innewohnt, heute leider wieder aktueller denn je. Nach wie vor bedrohen sich die Großmächte gegenseitig, führen Kriege und riskieren es dabei mit unverhohlener Skrupellosigkeit, die Welt in Stücke zu sprengen.

Wie leicht es zudem heutzutage selbst oft Jugendlichen fällt, in angeblich noch so sichere Netzwerke einzudringen, beweisen die jüngsten Cyberangriffe der letzten Jahre, z.B. der Gruppe Lizzard Squad, die sich an Systemen von Banken und großen Spiele-Publishern wie Sony Entertainment gütlich taten. Selbst der Computerriese Microsoft blieb nicht verschont, ebenso wenig die Server diverser Regierungen.

Man darf sich also nach wie vor zurecht die Frage stellen, wie sicher die militärischen Großrechner der Supermächte wirklich sind. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass schon Anfang der 80er Jahre eine engagierte Hackerszene existierte, die allerdings weit weniger kriminelle Energie aufwies als die des 21. Jahrhunderts.

Einige der in WarGames gezeigten Computerkenntnisse Davids basieren entsprechend auf realen Szene-Praktiken, die teilweise heute noch in ähnlicher Form Anwendung finden. So ist etwa das Hacking in ein Programm über eine Hintertür durchaus möglich. Auch Davids Replay-Angriff mit dem Diktiergerät auf das Tastenkombination-geschützte Türschloss im Sanitätsraum der Militärzentrale ist durchaus denkbar, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Das reale Vorbild

Tatsächlich, und das ist vielleicht der spannendste Aspekt an dem Klassiker von 1983, gibt es zudem für das Thema des Films eine interessante Parallele, die jedoch erst in den 90er Jahren weltweit bekannt wurde. Am 26.9.1983 meldete das Verteidigungssystem der damaligen UdSSR in den frühen Nachtstunden eine amerikanische Atomrakete, die auf russisches Gebiet zusteuerte.

Der diensthabende Offizier Petrow stufte die Meldung jedoch zunächst als Fehlalarm ein, da seiner Ansicht nach ein Angriff mit wesentlich mehr, als nur einem Atomsprengkopf erfolgt wäre. Er meldete den Vorfall, doch kurze Zeit später wurden weitere Abschüsse gemeldet, insgesamt fünf an der Zahl. Glücklicherweise behielt der Soldat aber trotzdem den Überblick und blieb der festen Überzeugung, die USA würden, wenn, dann einen Großangriff starten, da die Gegenreaktion der Sowjetunion die totale Vernichtung des Klassenfeindes zur Folge haben würde.

Man stelle sich nur den Druck vor, unter dem der russische Offizier gestanden haben muss. Was, wenn er sich irrte? Doch am nächsten Morgen stellte sich heraus, dass es der Computer gewesen war, der sich geirrt hatte – und zwar gründlich. Der Großrechner hatte Sonnenreflexionen auf Wolken in der Nähe einer Air-Force-Basis in Montana als reale Abschüsse interpretiert. Petrows besonne Reaktion verhinderte so den dritten Weltkrieg.

Die Geschichte des Films

Nicht minder spannend als die historischen Bezüge zum Film ist seine Entstehungsgeschichte. Die ersten Ideen zum Kultwerk gehen auf das Jahr 1979 zurück, als die seinerzeit noch jungen Autoren Walter F. Parkes (der später Dream Works Pictures leiten sollte) und Lawrence Lasker die Idee von einem sterbenden Wissenschaftler vorlegten, den niemand anderes, als ein geniales, aber recht rebellisches Kind zu verstehen vermochte.

Der Draft basierte auf einem TV-Special über einige Genies, das Lasker zuvor zufällig gesehen hatte. Als es um Steven Hawking ging, stellt er sich die Frage, was wohl geschehe, wenn dieser eines Tages die vereinheitlichte Feldtheorie entwickelte, aufgrund seiner fortschreitenden ALS aber nicht in der Lage wäre, es irgendjemandem mitzuteilen. Der Autor fantasierte herum, dass Hawking doch einen Nachfolger benötigen würde, jemanden, der ihn wirklich verstünde. Was aber, so spielte er sein Szenario weiter durch, wenn dieses Genie ausgerechnet ein jugendlicher Straftäter wäre?

Von Supercomputern und Teenagern, die sich von zu Hause aus in ein hochmodernes System einhacken könnten, war in diesen frühen Entwürfen indes noch gar nicht die Rede, im Gegenteil. In einem 2008 im Wired Magazine erschienenen Interview erzählt Parkes: »WarGames gilt heute vom technologischen Standpunkt aus als seiner Zeit voraus. Unsere ersten Konzepte hatten allerdings überhaupt nichts mit Technologie zu tun.«

Und Lasker ergänzt: »Wir waren absolute Neulinge auf dem Gebiet des Drehbuchschreibens. Als wir 1979 begannen, hatten wir keine Ahnung davon, dass man so etwas, wie man es inWarGames zu sehen bekommt, überhaupt mit einem Heimcomputer schaffen könnte.«

Die Transformation von ›The Genius« (so der Titel des First Drafts) in WarGames nahm erst ihren Lauf, als die Autoren auf Peter Schwartz vom Stanford Research Institute trafen, der ihnen von der Hackerszene erzählte. Schwartz war es auch, der die Verbindung Jugendliche-Computer-Militär ins Spiel brachte. So gut den Schreiberlingen das Konzept auch gefiel, noch haderten sie mit der Glaubwürdigkeit – bis sie den Experten für Computersicherheit Willis Ware von der RAND Corporation kennenlernten. In den folgenden Gesprächen erfuhr das Duo, dass selbst die sichersten Militärcomputer aus diversen Gründen extern gesteuert werden könnten. So ermutigt legten Lasker und Parkes los und nach einigen weiteren Versuchen landeten sie schließlich bei der Geschichte, die wir heute aus WarGames kennen und lieben.

Von der Idee auf die Leinwand

Nun ging es darum, die richtigen Charaktere zu entwickeln. Sie sollten möglichst auf realen Vorbildern basieren, so entschied das Autorenteam, sich bei der Figur des David Lightman am Hacker David Scott Lewis zu orientieren, den sie während ihrer Recherchearbeiten kennenlernten. Für den vom britischen Schauspieler John Wood gespielten Stephen Falken stand niemand Geringeres als der große Stephen Hawking Pate.

Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht, dass der Part des WOPR-Erfinders ursprünglich von John Lennon gespielt werden sollte, der aber bekanntermaßen leider am 8. Dezember 1980, mitten in der Pre-Produktionsphase, ermordet wurde. Der US-Airforce-General James V. Hartinger, seinerzeit Kommandeur des North American Aerospace Defense Command (NORAD), war das Vorbild für den im Film zu sehenden General Beringer. Dargestellt wurde er vom großartigen Barry Corbin, den Fans aus Filmen wie Critters 2: The Main Course (Critters 2 – Sie kehren zurück) und zahlreichen Serienauftritten (unter anderem Dallas, M*A*S*H, The A-Team, Columbo) kennen.

Der zunächst als Regisseur angeheuerte Martin Brest (Spies like us) stieg nach nur zwölf Drehtagen aufgrund von Streitigkeiten mit den Produzenten aus und übergab die Leitung an John Badham, der allerdings eine ganze Reihe fertiger Szenen übernahm. Badham berichtet darüber in einem ebenfalls 2008 mit dem Journalisten Alex Simon geführten Interview: “Ich arbeitete gerade an einem schmerzhaft langen Soundmix zu Blue Thunder (Das fliegende Auge), der zehn Wochen dauerte, als ich einen Anruf von meinem Produzenten erhielt. (…) Soweit ich erkennen konnte, ging Martin ziemlich düster an die Geschichte heran. Bei ihm war Matthew ein Typ, der gegen seine Eltern aufbegehrte und ständig vor Wut kochte. Ich dachte mir aber, wenn ich 16 wäre und all diese coolen Dinge könnte, die er kann, würde ich mir vor Aufregung in die Hose pinkeln. Der Weg, wie der Film bis dahin gedreht worden war, fühlte sich so an, als würden Matthew und Jennifer so ein verdecktes Nazi-Ding machen. Also sah ich es als meinen Job, den Eindruck zu erwecken, dass sie richtig viel Spaß hatten und das Ganze am Anfang aufregend fanden. Sie waren eben keine dunklen Rebellen für mich.”

Am Set stellte der Regisseur allerdings fest, dass seine Hauptdarsteller wenig geübt schienen und steif wie Bretter auf ihn wirkten. Nach ein paar witzigen Auflockerungsübungen wie Wettläufe über die Tonbühne, bei dem der Verlierer einen möglichst verrückten Song zum Besten geben mussten, sprang der Funke über und die Dreharbeiten entwickelten sich hervorragend. Für die Filmmusik engagierte John Badham last but not least Arthur Benjamin Rubinstein, mit dem er schon eine Weile zusammenarbeitete und kurze Zeit vorher Blue Thunder beendet hatte.

Am 7. Mai 1983 wurde der Film schließlich in Cannes vorgestellt. Der US-amerikanische Kinostart datiert auf den 3. Juni desselben Jahres, der deutsche auf den 7. Oktober. WarGames wurde ein Megaerfolg. Mit einem Budget von zwölf Millionen Dollar gedreht, fuhr der sehenswerte Streifen satte 124,6 Millionen und damit das zehneinhalbfache seiner Kosten ein.

Ein Nachwort

Für die heutige Generation mag WarGames – Kriegsspiele ein vergessenes Stück Kino sein, oder bestenfalls ein altbackener Oldtimer. Für uns Kinder der 80er-Jahre, die mit den Filmen von John Bedham, Steven Spielberg und George Lucas aufwuchsen ist er hingegen mehr als nur eine schöne Erinnerung. Der Film ist und bleibt Kult, ein Streifen, der in jede gute Sammlung gehört und einer, den man von Zeit zu Zeit immer mal wieder in den Player legt.

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