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Prey: Die Auferstehung des Predator-Franchises

© Disney

Unser Reinhard Prahl beleuchtet “Prey”, den neusten Eintrag des “Predator”-Franchises.

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Das geschieht

1719 in den Plaines im Südwesten der heutigen USA: Die Comanche Naru träumt davon, eine große Kriegerin zu werden und drängt ihren Bruder, den Kriegshäuptling Taabe dazu, ihr die Teilnahme an der großen Jagd zu erlauben. Während die kulturellen Zwänge des Stammes ihren Wunsch fast zunichtemachen, erblickt sie ein seltsames Leuchten und Wolkengebilde am Himmel, das sie als Zeichen deutet.

Tatsächlich handelt es sich jedoch um ein Raumschiff, das einen gefährlichen Predator auf der Erde abgesetzt hat. Sein Ziel: die gefährlichsten Raubtiere des Planeten aufzuspüren und zu jagen, um Trophäen zu sammeln. Als Naru sieht, wie der Predator mühelos einen Bären abschlachtet, entscheidet sie sich, von zu Hause fortzulaufen und ihn zum Ziel ihrer großen Jagd zu machen. Einige Krieger machen sich auf die Suche nach ihr und es ist unausweichlich, dass der außerirdische Jäger auf sie treffen wird.

Ein kurzer Rückblick

Das Predator-Franchise gehört zu jenen altehrwürdigen Science-Fiction-Universen, die es in den letzten Jahren wahrlich nicht leicht hatten. Der Actionkracher mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle schlug seinerzeit ein wie eine Bombe. Mit einem zwischen 15 und 18 Millionen Dollar veranschlagten Budget spielte der Streifen 1987 satte 98,3 Millionen Dollar ein.

Predator 2 von 1990 war zwar nicht schlecht, konnte aber weder als Film, noch in Sachen Gewinnmarge mit dem Debüt mithalten. Was danach folgte, reihte sich irgendwo zwischen nichtssagendem Popcorn-Blockbuster und gähnender Langeweile ein. Letzteres trifft vor allem auf den unsäglichen The Predator (in Deutschland: Predator: Upgrade) von 2018 zu, der mit 88 Millionen Dollar Budget und einem Box Office von 160,5 Millionen ein finanzieller Flop wurde (Anm.: Ein Kinofilm gilt in der Regel erst als erfolgreich, wenn er mindestens das Dreifache seiner Kosten einspielt, da die reinen Produktionskosten nur einen Teil der Gesamtausgaben eines Films ausmachen).

Nachdem es außerdem von allen Seiten schlechte Kritiken gehagelt hatte, galt das Franchise vielerorts als abgeschrieben und wurde für tot erklärt. Nicht wenige Fans hätten den Film mitsamt Machern gar am liebsten wohl irgendwo tief in dem Dschungel verscharrt, in dem Arnie damals dem ersten Predator den Garaus gemacht hatte. Und dann kam, quasi wie aus den Dickichten der Plaines geschlichen, Prey heraus.

Nicht, dass nicht spätestens seit Mai 2021 bekannt gewesen wäre, dass 20th Century Fox an einem Sequel arbeitete, das später auf Hulu in den USA und Disney+ weltweit erscheinen sollte. Doch niemand glaubte wirklich daran, dass sich mit einem Streifen, der nicht einmal in die Kinos kommen sollte, das Franchise erholen würde. Und doch geschah genau das.

Ungezähmt und wild

Vergessen wir einmal die Tatsache, dass die Spezialeffekte von Prey auf dem Niveau eines mittelprächtigen TV-Films rangieren. Und übersehen wir doch bitte einfach, dass der Plot im Grunde genommen auf eine Briefmarke passt und man besser nicht näher über die Geschichte nachdenken sollte.

Ersteres ist ohne Weiteres verschmerzbar, da sich der Einsatz von VFX relativ gesehen ohnehin in Grenzen hält und der Film auf andere Schauwerte setzt. Zweites trifft wiederum auf jeden Predator-Film zu und ist daher ebenfalls vernachlässigbar. Was diesen unterhaltsamen Action-Horror wirklich greif- und fühlbar macht, sind andere Dinge. Die Tatsache, dass Dan Trachtenberg (der auch Regie führte) und sein Co-Autor Patrick Aison den Film im Jahr 1719 ansiedeln und ihn zu einem Duell zwischen einer jungen Comanche und dem Alien-Jäger stilisieren, verleiht dem Werk eine Ungezähmtheit und Wildheit, die man im Universum des Alien-Jägers lange vermisst hat.

Trachtenberg schlägt zu Beginn einen langsamen Rhythmus an, der sich fast wie ein auf Realismus getrimmter Western über die nordamerikanischen Ureinwohner lange vor den Indianerkriegen anfühlt.

Statements vs. Glaubwürdigkeit

Mit steigender Spannung, die sich vornehmlich darin manifestiert, dass Hauptfigur Naru (toll gespielt von Amber Midthunder) sich in ihrer Befürchtung, etwas oder jemand vollkommen Unbekannten gegenüberzustehen bestätigt sieht, zieht auch das Tempo merklich an. Sucht sich der gerade zum ersten Mal auf der Erde gelandete Predator zunächst die gefährlichsten Tiere der Region aus, wird er bald der menschlichen Bewohner in Form von Comanche-Kriegern und fiesen französischen Trappern offenbar, die er einen nach dem anderem abschlachtet. Selbst die gut ausgebildeten Indigenen, die weniger nach ihm, als vielmehr nach der von zu Hause ausgebüchsten Naru suchen (ihr Stamm hatte ihr das Aufnahmeritual zur Kriegerin verweigert), sind der Wildheit und technologischen Überlegenheit des Killers hilflos ausgeliefert.

Es sei an dieser Stelle lobend eingeschoben, dass alle Natives auch tatsächlich von Angehörigen verschiedener indigener Volksgruppen gespielt werden, und diese zudem eine charakterliche Bandbreite zwischen ignoranter Überheblichkeit und brüderlicher Fürsorge repräsentieren. Das macht vor allem im direkten Dialog zwischen den arrogantesten Vertretern und Naru Spaß, zumal diese ihre Faust recht geschickt sprechen lässt.

Punktlandung Action

Wir überlassen es der Fantasie des Publikums zu entscheiden, ob ein 16-jähriges Teenagermädchen erfahrenen Kriegern oder einer Horde gut bewaffneter weißer Jäger derart überlegen sein kann, wie der Film es darstellt. Schließlich musste sich Naru ihre Kampfskills nahezu selbst beibringen. Zumindest porträtiert Trachtenberg die Kultur der Comanche so, dass Frauen von der Kriegerrolle weitestgehend ausgeschlossen bleiben und ihnen deshalb im Grund genommen die offenbar in Kindestagen beginnende Ausbildung verwehrt bleibt. Andererseits setzt der Film an dieser Stelle recht geschickt und unaufdringlich ein unmissverständliches Statement für geschlechtliche Gleichberechtigung.

Seine stärksten und unterhaltsamsten Momente offenbart Prey allerdings in den Actionszenen. Vor allem die Kämpfe Taabes (grandios: Dakota Beavers) und der Final-Fight zwischen seiner Schwester Naru und dem Predator sind rasant und geradezu atemberaubend choreografiert und inszeniert. Wenn Dakota den Jäger auf seinem Pferd in bester Western-Manier in die Irre führt und sich mutig auf ihn stürzt oder Naru ihn mit ihrem Beil malträtiert, ist dies schon tolles Action-Kino, dass bestens unterhält.

Klug ist zudem, dass es Dan Trachtenberg nicht an einer gesunden Portion Härte fehlen lässt, ohne es aber zu übertreiben. Natürlich fliegen die Gliedmaßen nur so durch das Szenenbild und abgeschnittene Köpfe gehören zum guten Ton des Aliens, doch übermäßiges Gedärmeherausreißen und andere überzogene Details bleiben erfreulicherweise außen vor. So ist Gewalt im Film ein nützliches, atmosphärisches Feature und wird nicht nur um der Gewalt willen ins Groteske überspitzt. Gut so!

Fazit

Abseits von berechtigten Fragen nach Plausibilität und zu geringem Budget ist Prey ein smart gedrehter SF-Action-Knaller mit Horrorelementen, der richtig viel Spaß macht. Kameramann Jeff Cutter (10 Cloverfield Lane) leistet routinierte Arbeit, der Score von Sarah Schachner (hauptsächlich bekannt für die Musik der Videogames Call of Duty: Infinite War bzw. Modern Warfare sowie Assassin‘ s Creed Valhalla) passt, die schauspielerischen Leistungen sind klasse und die Kampfchoreografien sogar grandios.

Bleibt die Frage, wie das Franchise nun fortgesetzt wird. Einfach einen zweiten Predator in die Plaines zu entsenden, dürfte nicht genügen, weil der Überraschungseffekt dahin ist und das Setting wohl nicht noch einmal greift. Da heißt es abwarten und Fersengeld geben, wenn der Jäger kommt.  

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