Analyse

Star Trek & die Religion: Was der Fromme vom Trekkie lernen kann

© Paramount

Unser Sven Wedekin befasst sich mit dem Thema Religion vs Fandom und kommt zu erstaunlichen Erkenntnissen.

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Was ist der Unterschied zwischen einer Religion und einem Fandom? Auf den ersten Blick scheint dies eine lächerliche Frage zu sein.

Eine Religion ist für deren jeweilige Anhänger ein Gegenpol zu unserer immer hektischer und unmenschlicher erscheinenden Welt, der ihnen Orientierung und Kontemplation bietet.

Ein Fandom hingegen ist einfach nur eine Ansammlung von Menschen, die eine gemeinsame Leidenschaft für ein bestimmtes Thema – wie zum Beispiel Star Trek – verbindet, und die beim Ausleben dieser Leidenschaft zusammen Spaß haben wollen. Spiritualität oder gar eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens sucht man in einem Fandom vergeblich.

Oder etwa doch nicht?

Obwohl es stets das Bestreben von Star Trek-Erfinder Gene Roddenberry war, das Thema Religion aus seiner Serie herauszuhalten, gab es bereits in der Originalserie immer wieder Episoden, deren Plots zumindest religiöse Themen streiften: Man denke nur an die Folge Der Tempel des Apoll, in der sich der antike Gott der Poesie als außerirdisches Wesen entpuppt. Jedoch stellten Episoden wie diese natürlich keine wirklich ernsthafte Auseinandersetzung mit spirituellen Fragen dar.

Der fünfte Kinofilm versuchte sich dagegen durchaus engagiert mit der Frage nach Gott und wo wir ihn finden könnten auseinander zusetzen. Bezeichnenderweise war dieser Film ein kapitaler Flop, was sicherlich auch teilweise an der recht esoterisch verquasten Herangehensweise an das Thema lag.

Die Fangemeinde konnte mit der Idee, dass die Enterprise-Crew sich auf die Suche nach Gott begibt, nichts anfangen, entfernte sich der Film mit diesem Plot scheinbar zu sehr von den zwischenmenschlichen Konflikten, die die besten Folgen der Originalserie so lebendig wirken ließen.   

Ein Schritt zurück

Paradoxerweise wird in den Massenmedien oft der Eindruck erweckt, Star Trek sei für viele so etwas wie eine Ersatzreligion. Da werden in einseitig recherchierten Fernsehbeiträgen Fans gezeigt, die sich seltsam kostümieren und für den Außenstehenden befremdlich wirkende Rituale zelebrieren, die manchmal an die Initiationsriten obskurer Esoterikkulte erinnern. Dass sich die Fans von solchen Darstellungen scharf distanzieren ist verständlich.

Aber trotzdem muss die Frage erlaubt sein, ob nicht ein Fünkchen Wahrheit in der Aussage steckt, dass Star Trek zumindest für einige Fans eine ähnliche Funktion hat wie eine Religion: nämlich die eines moralisch-ethischen Kompasses.

Sehr viele Fernsehfolgen beschäftigten sich mit komplexen moralischen Fragestellungen. Und gerade diese Geschichten sind es, die für viele Fans den eigentlichen Reiz von Star Trek ausmachen, denn aus ihnen können sie etwas in ihr normales Alltagsleben mitnehmen. Diese Episoden vermögen sie dazu zu inspirieren, Schwierigkeiten, mit denen sie sich selbst vielleicht gerade herumschlagen, aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Exakt dies ist auch der Ansatz der meisten Religionen: Sie vermitteln den Glauben an übernatürliche Wesen, die den Menschen behüten und helfen. Dieser Glaube erleichtert es ihren Anhängern die alltäglichen Lasten, mit denen sie sich in ihren Leben auseinandersetzen müssen, zu ertragen.

Für viele Fans ist das fiktive Universum inzwischen zu einer zweiten Heimat geworden. Sie kennen dessen Zeitlinie ebenso auswendig wie die Biografien sämtlicher Charaktere. Sie lassen sich von dieser erfundenen Welt gefangen nehmen und werden buchstäblich selbst ein Teil davon, wenn sie sich beispielsweise in diversen Rollenspielen versenken oder sich Fan-Fiction ausdenken.

Diese Hardcorefans leben ihre Leidenschaft mit einer ähnlichen Ernsthaftigkeit aus wie religiöse Menschen die Rituale ihrer jeweiligen Glaubensrichtung begehen. Auf Nicht-Fans wirkt eben diese Hingabe recht skurril und vielleicht sogar gefährlich. Schließlich handelt es sich bei Star Trek „nur“ um eine Fernsehserie, die in erster Linie aus kommerziellen Gründen produziert wurde und deren inhaltliche Tiefe kaum ausreicht, um mit einer theologischen Lehre gleichgesetzt zu werden.

Aber ist dem wirklich so? Wie oben bereits erwähnt gibt es immer wieder Episoden, deren Umgang mit moralischen Problemen weit über dem Niveau einer reinen Unterhaltungsserie liegen.

Spurensuche

Dies ist im nicht unerheblichen Maß der Tatsache zu verdanken, dass Gene Roddenberry ein überzeugter Humanist war, jener Philosophie, die anstelle eines Gottes den Menschen mit seinen Wünschen und Bedürfnissen ins Zentrum rückt.

Eben dieser Humanismus bildet einen der wichtigsten Pfeiler von Star Trek. In der Serie – von allen bei TOS und TNG – geht es darum wie sich der Mensch im Laufe der Zeit weiterentwickelt hat, hin zu einer wahrhaft zivilisierten Gesellschaft. Die Menschheit des 23. bzw. 24. Jahrhunderts definiert sich nicht mehr über die unzähligen, teilweise in Widerspruch zu einander stehenden Wertvorstellungen, die sich in den vergangenen Jahrtausenden entwickelt haben.

Sie hat die Religion, welche die Unterschiede zwischen uns Menschen häufig überbetont, hinter sich gelassen, weswegen es in der utopischen Star Trek-Zukunft zumindest auf der Erde keine Kriege und Gewalt mehr gibt. Star Trek war also Roddenberrys Versuch, seine humanistischen Überzeugungen in die Öffentlichkeit zu tragen und aufzuzeigen, wie friedlich unsere Welt seiner Meinung nach sein könnte, wenn sie sich nach den Grundwerten der Menschlichkeit richten würde.

Dass dies dazu führt, dass so mancher Fan in der Serie eine Art Lebenshilfe sieht, wäre daher sicherlich im Sinne Roddenberrys. In den späteren Serien des Franchises, die nach dem Tod seines Schöpfers entstanden, wird diese schöne neue Welt jedoch auch immer wieder kritisch hinterfragt.

Vor allem bei Deep Space Nine wird immer wieder die Frage aufgeworfen, welchen Preis die Menschheit für die scheinbar so perfekte Welt, in der sie lebt, zahlen muss. Auch in diesem Punkt unterscheidet sich die Serie ganz besonders von den Religionen dieser Welt. Diese neigen ja bekanntlich ja leider eben nicht dazu ihre eigenen Dogmen – und damit ihre Identität – in Frage zu stellen. Insofern können gerade die großen Weltreligionen so einiges vom Star Trek-Franchise lernen.

Dasselbe gilt auch für jene die Nicht-Fans, die die Trekkies für weltfremde Spinner halten: Die humanistischen Ideale, die sie aus der Serie ziehen sind den oft konservativen Werten der „echten“ Religionen ethisch weit überlegen. Gerade weil die menschliche Gesellschaft des 23. Jahrhunderts ihre vermeintliche Abhängigkeit von spirituellen Lehren hinter sich gelassen hat, ist der Traum einer friedlichen Welt für alle Wirklichkeit geworden.

Natürlich muss diese Zukunftsvision auf Fundamentalisten aller Couleur ziemlich provokativ wirken, könnte sie doch vor allem das jugendliche Publikum auf den Gedanken bringen, dass Religionen grundsätzlich überflüssig oder gar schädlich sein mögen.

Falls es tatsächlich Gene Roddenberrys Intention war, aufzuzeigen, dass eine säkularisierte Zukunft erstrebenswert ist, so wird die Befürchtung, Star Trek sei eine Pseudoreligion, jedoch vollends ad absurdum geführt.

Eher ist das Gegenteil der Fall: Die Serien des Fandoms erweiterten den Horizont eines breiten Publikums und haben dadurch sicherlich einen Beitrag dazu geleistet, dass die Mehrzahl aller ihrer treuen Fans sich eben nicht so leicht von irgendwelchen Gurus oder Fundamentalisten hinters Licht führen lassen.

Sie erzeugt bei ihren aufgeschlossenen Zuschauern ein Bewusstsein für die unendliche Weite des Universums und die Vielfalt des Lebens. Es gibt wahrhaftig nicht viele Weltanschauungen, von denen man behaupten kann dies erreicht zu haben.

Hinweis der Redaktion: Selbstverständlich handelt es sich hierbei um die Ansichten des Autors, nicht der kompletten Redaktion. Jeder möge seine eigene Wahrheit in Bezug auf das Thema finden und die Worte von Sven Wedekin als Anregung verstehen.

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