Analyse

Wie ticken die Captains? Von Cowboys, Weltpolizei & Teetrinkern

Captain Picard und Captain Kirk stehen in der Küche

Wir schauen uns die Besonderheiten der klassischen Trek-Captains an.

© Paramount

Es ist kein Wunder, dass sich die Hauptfigur einer Serie aus den 1960er-Jahren von einer unterscheidet, die zwanzig, dreißig oder fast vierzig Jahre später aus der Taufe gehoben wurde.

Mit Captain Kirk begann es, die Captains Picard, Sisko und Janeway folgten und schließlich ging man mit Captain Archer chronologisch an den Anfang zurück.

Einzig Star Trek: Discovery, das jüngste Kind des Franchise, fehlt in dieser Liste, da sich dort der Captain des ersten Jahres als fieser Besucher aus dem Spiegeluniversum herausstellte und nicht zu bewerten ist. Vielleicht ändert sich das ja in einem Jahr, wenn wir Interimscaptain Pike oder seinen Nachfolger besser kennengerlernt haben?

Für den Moment begnügen wir uns jedoch mit den klassischen Trek-Serien.

Cowboy-Diplomatie

Name: James Tiberius “Jim” Kirk

Beziehungsstatus: Braut in jedem Hafen, später Beziehung mit Carol Marcus

Kinder: ein Sohn, David Marcus (starb in Star Trek III: The Search for Spock)

Haustier: keins

Lieblingsgetränk: Saurianischer Brandy, Scotch, Romulanisches Ale – warum festlegen, wenn es so viele leckere Drinks gibt?

Lieblingssport: Reiten

Zitat: “I’m from Iowa, I only work in outer space.” (Star Trek IV: The Voyage Home)

Er war der erste und ist für viele Fans der einzig wahre geblieben: Captain James T. Kirk! Seine Serie entstand in den 1960er-Jahren als eine Art „wagon train to the stars“, wie Gene Roddenberry gerne sagte. Somit konnte man die Vorbilder für Setting und Figuren durchaus auch in Wild-West-Verfilmungen dieser Zeit suchen. Besonders stark ausgeprägt war der Ansatz in Bezug auf den Captain und Dr. „Pille“ McCoy, der auch jedes verschlafene Nest irgendwo im Nirgendwo als grantelnder Mediziner hätte veredeln können. Kirk hingegen konzipierte man als Space-Cowboy, der hart aber herzlich sowie mit Fäusten und Humor seinem Tagwerk nachging. Ein (früher) Terence Hill des Weltalls, wenn man so möchte.

Dabei hatte die Figur auch noch eine andere Seite zu bieten: Dieser Captain zeigte sich bei vielen Gelegenheiten auch als intellektuell überlegen, scharfsinnig und mitfühlend. Er ging auf die Bedürfnisse seiner Crew ein, wechselte zwischen Zuckerbrot und Peitsche und war somit nie vollkommen berechenbar. Das Spannende daran war jedoch, dass immer diese leise Form von Heiterkeit und Leichtigkeit mitschwang, egal wie ernst es wurde.

William Shatner war in allen Belangen eine ideale Besetzung für die Rolle, brachte die nötige Attraktivität genauso mit wie den Charme, den Witz, das Leuchten in den Augen und die Dynamik. Sein Kirk ist zwar eindeutig ein Kind der damaligen Zeit und doch auch irgendwie immer noch ein leuchtendes Beispiel für eine etwas andere Führungsfigur. Schaut man sich den gealterten Kirk bis hin zu Star Trek Generations an, ergibt sich obendrauf sogar noch ein realistischer Reifungsprozess der Figur.

Immer mit der Ruhe

Name: Jean-Luc Picard

Beziehungsstatus: Single

Kinder: keine

Haustier: ein australischer Rotfeuerfisch, der in seinem Bereitschaftsraum sein Aquarium hat; der Name “Livingston” (nach Produzent David Livingston) ist nicht kanonisch

Lieblingsgetränk: Tee, Earl Grey, heiß (oder ein Gläschen Chateau Picard)

Lieblingssport: Reiten, Fechten, Tanzen (Mambo)

Standardsatz: “Make it so.” (unzählige Male)

„Tee, Earl Grey, heiß.“ – so schallte es uns bei Ansicht von Star Trek: The Next Generation sicher Dutzende Male entgegen.  Keine Frage, dieser Mann ist schon ein ewiger Genießer. Der Captain mit dem britischen Akzent und einem für Amerikaner nur schwer auszusprechenden, französischen Namen betrat im Jahr 1987 die Bühne namens Star Trek und prägte einen völlig neuen Ansatz. Nach dem Womanizer, Lebemann und Rabauken Kirk, hatten die Zuschauer es nun mit einem in die Jahre gekommenen Diplomaten und Feingeist zu tun, der Probleme in Ruhe diskutierte, bevor er aktiv wurde. Dieser Picard war nicht nur belesen, eloquent und weise, er ruhte auch in sich und brachte Konflikte durch seine reine Präsenz in geordnete Bahnen.

Genaugenommen war er nicht nur der perfekte Captain für ein modernes Flaggschiff, sondern auch der geborene Repräsentant der Sternenflotte und der Menschheit. Dass man ihm zudem nur wenige Schwächen zuschrieb, passte ins Bild. So fühlte er sich in der Gegenwart von Kindern unwohl (konnte aber trotzdem wunderbar mit ihnen umgehen), wirkte in romantischen Dingen eher steif und blieb lieber allein, als zu viel Nähe zu seiner Crew zuzulassen. Das machte ihn in der Summe zu einer Art Übervater, der eher Quintessenz der Roddenberry-Utopie war, denn als realistische menschliche Figur (nach heutigen Maßstäben) durchging.

Patrick Stewart, der eigentlich viel lieber weiter Theater spielen wollte, hätte wohl selbst nicht geglaubt, wie ikonisch seine Rolle werden würden. Er spielte sie aber auch ohne Zweifel von Beginn an souverän und perfekt. Dass er voraussichtlich bereits 2019 als Picard zurückkehren wird, begeistert viele Fans daher nicht grundlos.

Kampfterrier mit Gefühl

Name: Benjamin Lafayette Sisko

Beziehungsstatus: Witwer (Ehefrau Jennifer Sisko starb bei Wolf 359)

Kinder: ein Sohn, Jake Sisko

Haustier: keins

Lieblingsgetränk: Saurianischer Brandy (oder Raktajino)

Lieblingssport: Baseball

Zitat: “I can live with it.” (In the Pale Moolight)

Nach Captain Picard war es an der Zeit für etwas vollkommen anderes. Zunächst war Benjamin Sisko allerdings noch gar kein Captain, sondern nur Commander. Auch wollte er die Sternenflotte eigentlich verlassen, nahm den Job auf der Station DS9 nur widerwillig an und wies sogar noch den beliebten Captain der USS Enterprise zurecht. Die Sympathiewerte rauschten im Pilotfilm an dieser Stelle geräuschvoll in den Keller!

Der Grund war allerdings sehr nachvollziehbar: Sisko hatte bei der Schlacht von Wolf 359 seine Ehefrau und die Mutter seines Sohnes Jake verloren – damals an Bord der gegnerischen Flotte: Captain Picard alias Locutus. Der Verlust seiner Frau und die Probleme mit dem heranwachsenden Sohn wurden dann auch emotionaler Kern der Figur. Was für ein Kontrast zu Picard, der in Sachen Frauen und Kinder eher ausbaufähig daherkam und Emotionen lieber den anderen überließ.

Hinzu kam bei Sisko noch die starke Verflechtung in den religiösen Kontext der Serie, was ihn zu einer äußerst facettenreichen, tiefgründigen und emotionalen Figur voller Abgründe machte. Sein Verhalten während des Krieges brachte ihn an Grenzen und darüber hinaus und ließ ihn durch härtere Zeiten gehen, als alle seine Kolleginnen und Kollegen.

Avery Brooks stellte alle diese Facetten mitreißend dar, sofern man bereit war, dem gelernten Theaterschauspieler und -dozenten auch seine oft überbordende Emotionalität abzukaufen.

Der Staat bin ich!

Name: Kathryn Janeway

Beziehungsstatus: bei Abreise verlobt mit Mark, bei Rückkehr Single

Kinder: keine

Haustier: eine Hündin namens Mollie, die sie wie Mark auf der Erde zurückließ

Lieblingsgetränk: Kaffee, schwarz

Lieblingssport: unbekannt

Zitat: “There’s coffee in that nebula.” (The Cloud)

Ob Ludwig der XIV. tatsächlich Urheber des Ausspruchs „l’état c’est moi“ ist, möchten wir an dieser Stelle nicht weiter hinterfragen. Auch wird selbstverständlich niemand Captain Kathryn Janeway von der USS Voyager mit dem Absolutismus in Verbindung bringen. Dennoch muss man mit einem Schmunzeln gestehen, dass der äußerst beliebte erste weibliche Captain eines Serienflaggschiffes den Hang zu absolut eigenwilligen Entscheidungen und Alleingängen nicht verbergen konnte.

Doch war Janeway in erster Linie eines: Die Mutter der Kompanie, starke Anführerin, emotionales Zentrum der Serie, wissenschaftliche geschulte Vordenkerin und mutige Draufgängerin. Ihre Crew war durch ihre Entscheidung im Delta-Quadranten gestrandet, was ihr einen ganzen Berg an Gewissensbissen aufbürdete. Diese verstärkten ihren festen Willen, die Crew nach Hause zu bringen und zu beschützen jedoch nur noch und begünstigten vermutlich eine teilweise etwas drastische und oft nicht klar nachvollziehbare Strategie, wichtige Entscheidungen zu fällen.

Janeway hatte somit in vielen Momenten etwas von einer einsamen Wölfin, die im Zweifelsfall nur dem eigenen Instinkt folgte und sich damit auch emotional isolierte. So schätzte sie zwar Chakotays Input nach eigener Aussage sehr, setzte sich aber auch bei verschiedenen Gelegenheiten ohne mit der Wimper zu zucken darüber hinweg, wenn seine Ansicht schlicht nicht der ihren entsprach (Tuvix, Scorpion).

Kate Mulgrew bestach in der Rolle von der ersten Minute an mit einer starken Präsenz, viel Energie, Leidenschaft und Mut zu Emotionen. Gerade aufgrund dieser kompetenten Darstellung und des wissenschaftlichen Backgrounds der Figur hätte man ihr zusätzlich noch ein etwas rationaleres Wesen gewünscht. Was am Ende herauskam, war eher ein weiblicher Captain Kirk mit seiner Cowboy-Diplomatie, nur eben ohne die ständigen Liebeleien, was genaugenommen inkonsequent und sexistisch wirkte.

Achtung, der Sheriff ist im Sektor!

Name: Jonathan Archer

Beziehungsstatus: Single

Kinder: keine

Haustier: ein Beagle (Porthos), der auf dem Schiff lebt

Lieblingsgetränk: Eistee (Passionsfrucht)

Lieblingssport: Wasserball

Zitat: “I’ve been told that people are calling us heroes. When it comes to my crew, you won’t get any argument from me.” (Home)

Captain Jonathan Archer erhielt im Prequel Star Trek: Enterprise die ehrenvolle Aufgabe, als erster Sternenflottencaptain eines Warp-5-Schiffes Abenteuer in den Tiefen des Weltalls erleben zu dürfen und dabei selbstverständlich auch die Menschheit zu repräsentieren. Stets war es sein Ansinnen, bestmögliche Entscheidungen zu treffen und für die Werte seiner Spezies und der Organisation, für die er arbeitete, einzustehen. Den Autoren jedoch gelang in diesem Zusammenhang nur selten eine konsequente Vorgehensweise. So tänzelte Archer oft auf dem schmalen Grat zwischen rational und irrational. Im einen Moment verkündete er die Nichteinmischung der Sternenflotte als höchstes Gut und ließ dafür sogar eine ganze Spezies aussterben, im nächsten Moment erlaubte er seinem Beagle Porthos, an einen heiligen Baum zu pinkeln und regte sich noch fürchterlich über die engstirnigen Bewohner des Planeten auf.

Wie seine direkte Serienvorgängerin Janeway war Archer somit eine inhaltlich kaum zu fassende Figur, da seine Worte nur selten von seinen Taten widergespiegelt wurden. Hinzu kam bei ihm immer noch eine äußerst amerikanische Haltung, anderen seinen Willen und seine Überzeugung aufzwingen zu wollen. Das machte ihn gewissermaßen zum Captain America der Trek-Flotte.

Im Kern versuchte man jedoch ohne Frage, ihm den Charme eines unverbrauchten und unerfahrenen, allerdings auch tugendhaften, lernwilligen und herzensguten Entdeckers zuzuschreiben, der bereit war zuzuhören, anzupacken und einen lockeren, freundschaftlichen Umgang mit seiner Crew pflegte. Dieser Captain war einer von uns, ein Mensch mit Schwächen und Fehlern, der einfach noch nicht so weit war, wie einige seiner Nachfolger im großen Stuhl des Captains.

Scott Bakula gelang die Darstellung des sympathischen Jedermanns von Beginn an sehr gut. In der Summe war sein Jonathan Archer somit im Trek-Kanon auch ein gelungener Vorgänger für den ähnlich gelagerten James T. Kirk.

Gegensätze

So lieferten uns die klassischen fünf Star-Trek-Serien also ein durchaus abwechslungsreiches Bild in Bezug auf ihre Anführer. Fakt ist: Jeder Typ Captain hat seine Fans, jeder seine Berechtigung.

Unter wem man im Zweifelsfall am liebsten dienen würde, ist sicher eine sehr individuelle Entscheidung. Erfolgreich waren sie schließlich alle – sowohl mit ihrer jeweiligen Mission als auch auf dem Weg in unsere Herzen. A votre santé, mes capitaines!

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf www.syfy.de und ist Eigentum von NBC Universal Global Networks Deutschland GmbH. Er wird mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.

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