Sülters Woche

Sülters Woche #006: Get a life, Shatner!

Björn Sülter hält ein Modell der Raumstation DS9 vor seinem Gesicht

Im sechsten Teil seiner Kolumnenreihe befasst sich Björn Sülter diesmal mit den Aussagen eines gewissen Mr. Shatner.

© Fotoscheune

Oh, ist die Woche schon wieder um? Dann wollen wir doch mal schauen, was in der Trek-Welt so los war.

Die Trek-Welt ist bunt!

Eine Menge war los! Lower Decks wird in der neuen Staffel die Station Deep Space Nine besuchen und obendrauf für ein Crossover mit Strange New Worlds in deren zweitem Jahr vorbeischauen. Dazu sind gleich zwei neue Serien aktuell in Vorbereitung und Trek-Boss Alex Kurtzman kann sich offenbar sogar mehr DS9 vorstellen.

Das alles liefert gute Gründe für eine fröhliche Kolumne, wir müssen aber leider über etwas anderes reden.

Und ewig rotiert er im Grab

Es geht um die Äußerungen eines gewissen William Shatner. Dieser bekundete in seinem Panel auf der Comic Con, dass Gene Roddenberry angesichts einiger neuer Trek-Inkarnationen im Grabe rotieren würde.

Nun, bei dieser Phrase handelt es sich nicht gerade um eine Kreativleistung. Beileibe nicht. Immer wieder wurde der Spruch seit dem Tod des Star Trek-Erfinders herangezogen, wenn jemand seine eigene Ablehnung verdeutlichen wollte. So, als müsste man jemanden vorschicken, der zur Verstärkung taugt. Schade, dass sich ein Toter jedoch gar nicht mehr selbst äußern (oder gar wehren) kann. Wer weiß schon, was Roddenberry von allem, was nach seinem Ableben kam, halten würde? Der gute Mann war selbst ein streitbarer Geist und fand sogar Episoden und Filme schlecht, die wir Fans lieben. Doch Schwamm drüber.

Nun also Shatner. Man muss einkalkulieren: Der gute Mann ist bereits 91 Jahre alt und dafür verdammt fit. Und er besitzt bekanntermaßen ein loses Mundwerk, erfreulicherweise auch noch im hohen Alter. Doch sollte man meinen, dass er Allgemeinplätze wie diesen nicht nötig hat. Vor allem wenn man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen kann, dass er seit dem Start von TNG so gut wie nichts, was den Namen Star Trek trägt, wirklich gesehen hat. Wie sagte er vor einigen Jahren einmal so schön? “Ich habe nie aufgehört, Star Trek zu schauen. Ich habe nämlich nie Star Trek geschaut. Nicht einmal meine eigene Serie.” Mag zwar sein, dass er nun im hohen Alter doch noch alles weggebingt hat, was der Markt mittlerweile zu bieten hat; allein, der Glaube daran fehlt mir.

Die Suche nach Gründen

Somit müssen wir seine Äußerung vermutlich als das nehmen, was sie ist: billige Polemik. Doch hat er das nötig?

Das war eine rhetorische Frage. Selbstverständlich nicht. Sollte man die Sache also schlicht ignorieren? Warum den Worten noch Nachdruck verleihen, indem man sie wiederholt und seziert?

So einfach ist es leider nicht. Wie erwähnt, spricht Shatner hier etwas aus, was immer wieder hervorgeholt wird. Genaugenommen seit den frühen Tagen von Star Trek: The Next Generation. “Das ist nicht mehr mein Star Trek.” hieß es da beispielsweise, sogar als Roddenberry noch lebte! Als er dann jedoch verstorben war, kam das finale Totschlagargument hinzu, das uns nun bereits seit Jahrzehnten verfolgt: “Er würde in seinem Grab rotieren.” Man denke sich an dieser Stelle noch ein wenig gruselige Musikuntermalung. Vielleicht ein paar Schreie. Und Krähen!

Damals schrieben wir übrigens gerade einmal das Jahr 1993 und Star Trek: Deep Space Nine lief an. Eine Serie ohne Raumschiff! Um Gottes Willen! Dann Voyager. Mit einer Frau! Einer, die nicht forscht, sondern sich verfliegt! Hilfe! Und mit Enterprise kam direkt noch ein Prequel! Welch Sakrileg! Star Trek muss doch nach vorne denken! Und Rebootfilme! Ohne die Originalstars! Undenkbar!

Hört ihr, wie Roddenberry in seinem Grab geradezu eskaliert? Nein? Liegt vielleicht daran, dass er damals eingeäschert wurde.

Seit 2017 erleben wir die Geschichte nun in immer neuen Ausprägungen. Über jede neue Serie gibt es etwas zu Meckern. Discovery ist zu emotional, Picard zu dystopisch, Lower Decks total albern, Prodigy Kinderkacke und Strange New Worlds ein Plagiat. Roddenberry rotiert und rotiert! Der Arme.

Selbstverständlich kann man an jeder Serie und jedem Film berechtigte Kritik äußern und mit einer Argumentation unterfüttern. Zustimmen muss dann jedoch immer noch niemand. Doch besteht eben ein Unterschied zwischen kritischem Diskurs und der angesprochenen Polemik.

Natürlich darf jeder etwas nicht mögen. Ebenso wie jeder andere etwas mögen darf. Die Frage ist immer nur, wie man damit – und somit miteinander – umgeht. Es hilft keinem Gespräch, wenn man gleich zu Beginn sein Gegenüber abqualifiziert. Argumente sind in solchen Momenten sehr hilfreich. Man kann darauf eingehen, darüber diskutieren, sich dabei unter Umständen freundlich in die Augen schauen und einen Konsens suchen. Klingt nach heiler Welt? Mag sein. Ist aber eine, in der ich gerne leben möchte.

Was Shatner hier tut, ist fast noch schlimmer. Er sagt nicht einmal, dass er persönlich einige neue Sachen schlecht findet, sondern schickt Roddenberry vor. Ohne Argumente. Davon sollte man doch freundlicherweise absehen und zumindest offen zu seiner eigenen Meinung stehen.

Doch kennen wir das Phänomen leider heutzutage viel zu gut, andere – gerne auch größere anonyme Gruppen (“Alle meine Freunde sagen das!”) – vorzuschicken, nur weil man sich selbst so alleine und hilflos mit seiner eigenen Meinung fühlt. Laut Schreien ersetzt Argumente? Ja, das klingt wirklich bekannt. #DankeSocialMedia

Endlosschleife

Kann Star Trek nicht einfach in seiner ganzen Vielfalt für jede und jeden etwas bieten? Pickt euch einfach das raus, was euch gefällt und lasst den Rest für andere Fans, die Spaß daran haben. Keine Angst: Das tut nicht weh!

Man möchte es aber fast meinen, wenn – wie gerade geschehen – einige Trekkies eine Petition ins Leben rufen, um Alex Kurtzman abzusetzen und Seth MacFarlane stattdessen zu inthronisieren. Hat den eigentlich vorher jemand gefragt? Egal. Abgesehen davon, was das an sich schon für ein alberner Quatsch ist, zeigt es auch wieder nur den zielgerichteten Hass einiger weniger Menschen gegen den aktuellen Macher. Rick Berman könnte ein Lied davon singen. Vielleicht sollte er mit Shatner ein Album aufnehmen? Nein, eher nicht. Er wird so etwas vermutlich nur lesen und sich denken: Been there, done that.

Ich kann mich an dieser Stelle nur wiederholen: Ich kann es nicht mehr hören. Und auch wenn der ikonische Kirk-Darsteller hier letztlich nur stellvertretend sein Fett wegkriegt, bleibt es für alle, die Vielfalt und abweichenden Geschmack nicht akzeptieren können, bei meinem Ausruf: Get a life, Shatner.

In diesem Sinne: Auf eine weitere trekkige Woche. Wir lesen uns!

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