Sülters Woche

Sülters Woche #010: Was die Absetzung von Prodigy über die Zukunft von Star Trek verrät

Björn Sülter hält ein Modell der Raumstation DS9 vor seinem Gesicht

Im zehnten Teil seiner Kolumnenreihe erklärt Björn Sülter, was es mit der Absetzung von “Star Trek: Prodigy” auf sich hat.

© Fotoscheune

Oh, ist die Woche schon wieder um? Dann wollen wir doch mal schauen, was in der Trek-Welt so los war.

Immer, wenn man denkt …

… es könnte nicht merkwürdiger werden, schneit eine neue Pressemeldung herein. In diesem Fall erwischte uns das Branchenmagazin Variety eiskalt mit der Neuigkeit, dass Star Trek: Prodigy nicht nur nach der aktuell in Produktion befindlichen zweiten Staffel enden würde, sondern man die Serie auch gleich binnen weniger Tage von Paramount+ entfernen, die neuen Folgen dort gar nicht zeigen und das Gesamtpaket an einen interessierten Mitbewerber verschachern wolle.

BÄNG. Ja, ich gebe zu: Diese Entwicklung war maximal teilweise vorherzusehen.

Sortieren wir diesen bunten Strauß an Informationen also mal ein wenig.

Die Absetzung

Kümmern wir uns zunächst um die Absetzung an sich. Star Trek: Prodigy war als Einstiegsserie für eine neue Generation von Fans konzipiert. Als solche hat sie in meinen Augen wunderbar funktioniert. Natürlich wäre es machbar gewesen, sie jahrelang weiterlaufen zu lassen. 40 Episoden (nach Fertisgstellung der zweiten Staffel) sind allerdings auch nicht gerade wenig.

Würde man die Serie also in dieser Form für sich stehen lassen, damit immer wieder junge, angehende Trekkies mit ihren Eltern sie auf Paramount+ oder bei einem der anderen linearen Anbieter entdecken können, wäre der Ansatz auch bei nur zwei Staffeln absolut aufgegangen. Danach könnte man (wie bei Star Wars geschehen) jederzeit ein neues Projekt dieser Art aus der Taufe heben. Allerdings … gibt es bei diesem Gedanken eben leider einen Haken.

Warum so brutal?

Dieser besteht in dem Move, die zweite Staffel gar nicht mehr zeigen zu wollen, sondern die gesamte Serie lieber als Paket an einen Mitbewerber (der aktuell noch offen ist) zu verkaufen. Der Grund ist so simpel wie unerfreulich: Die Serie ist offenbar für den Streamingdienst so schlecht gelaufen (Stichwort: Abrufzahlen), dass es attraktiver ist, sie als Misserfolg steuerlich abzuschreiben und vom eigenen Dienst zu verbannen, als sie mit Stolz zu zeigen und damit potenziell Kunden zu erfreuen und neue Zuschauer zu finden. Ihr sagt, das klingt ziemlich hart? Leider ist aber genau das die Geschäftsrealität hinter der Entscheidung.

Das ganze Leben ist ein Business …

Nun könnte man sagen: Ist doch egal, wenn das Ganze bald bei Netflix, Amazon Prime oder sonstwo auftaucht. Dann gucken wir es halt da! Das mag stimmen. Allerdings sind damit auch verschiedene Probleme verbunden, um die wir uns nun noch kümmern müssen.

Da ist zunächst einmal die Frage, was es über die Strategie von Paramount aussagt, einfach eine Serie freizugeben (und nicht mehr zu zeigen), wenn Paramount+ doch ursprünglich die Heimat von Star Trek sein oder sagen wir lieber werden sollte? Wir erinnern uns: Star Trek: Lower Decks läuft ohnehin noch exklusiv bei Amazon Prime, die erste Animationsserie fehlt bisher und die Short Treks werden immerhin im Juli nachgereicht. Man muss also festhalten: Paramount+ war bisher noch nicht an einem Tag diese gewünschte Heimat von Star Trek. Mit dem Verkauf von Prodigy wird sie es nun aber auch nie mehr werden können. Was sagt uns das also? Eigentlich ist es ganz einfach: Paramount ist es egal. Nur warum? Kann es wirklich finanziell so knapp sein, dass man für eine Handvoll Dollars auf diese kleine, feine Serie und die Vision alles an einem Ort auf dem eigenen Dienst zu vereinen verzichtet? Wie bitter wäre das? Es ist nur ein Bauchgefühl: Alex Kurtzman dürfte all das nicht lustig finden, stirbt hier doch auch ein Teil seiner Vision. Erst setzte man ihm Discovery nach Drehende des fünften Jahres ab, jetzt schickt man Prodigy in die Wüste. Die Zukunft rund um ihn und seinen langfristigen Vertrag als Boss des Trek-Franchises dürfte spannend werden.

Der nächste Punkt betrifft die mögliche (und von den kreativen Machern) angeteaserte Fortsetzung bei einem anderen Anbieter. Das klingt erstmal gut und gar nicht weit hergeholt. Schließlich haben in der Vergangenheit immer wieder Sender oder Streamer Formate übernommen, gerettet und weitergeführt. Allerdings reden wir hier über Star Trek und Paramount. Der Konzern war immer sehr darum bemüht (um es vorsichtig auszudrücken), die kreative Kontrolle über alles zu behalten, was mit dem offiziellen Label Star Trek versehen ist. Wie realistisch ist es dann, dass zum Beispiel Netflix künftig ein Produkt mit diesem Namen kanonisch weitererzählen darf, ohne Rücksprache oder Input von Paramount? Ganz ehrlich? Das ist (fast) ausgeschlossen. Wenn es doch dazu kommt, würde das einen strategischen Richtungswechsel bedeuten, der genaugenommen nur auf Gleichgültig basieren könnte.

Und erneut muss die Frage erlaubt sein: Kann all das wirklich finanziell so nötig sein, dass man Fässer dieser Art öffnet und sich selbst so sehr in die Bredouille bringt und ehrlicherweise auch öffentlich angreifbar macht? Wäre es nicht viel einfacher gewesen, die Serie einfach wie oben erwähnt mit Stolz zu versenden und den Mantel den Schweigens über die den Bossen nicht genügenden Abrufzahlen zu werfen? Offenbar nicht.

… und wir sind nur die Konsumenten

Denn genau das ist am Ende die Krux: Die Bilanz muss stimmen. Wie im Fall von Batgirl ist es heutzutage in Mode gekommen, den Weg der steuerlichen Abschreibung allen anderen Überlegungen vorzuziehen. Paramount liefert Produkte, wir müssen sie konsumieren. Tun wir das nicht, werden sie humorlos entfernt. Dass Star Trek mittlerweile offenbar keinen besonderen Schutz im Hause Paramount mehr besitzt, ist die vermutlich schlechteste Nachricht an der ganzen Geschichte. Mit jetzt nur noch zwei aktiv produzierten Serien (Strange New Worlds, Lower Decks), dem kein Ende findenden Kinofilmdrama und zwei geplanten Projekten (Starfleet Academy, Section 31-Film), wird es zunehmend spannender, wohin die Reise geht. Von einer anderen einst geäußerten Vision, jede Woche im Jahr Star Trek auf dem eigenen Dienst zu haben, haben sich die Macher mit den letzten Entscheidungen nämlich offenbar auch endgültig verabschiedet.

Machen wir uns nichts vor: Masse ersetzt Klasse nie. Von daher ist es generell keine schlechte Nachricht, wenn es zukünftig wieder etwas weniger Star Trek gibt. Mit Prodigy trifft es hier jedoch wirklich die falsche Serie. Und ob ausnahmsweise wirklich mal eine Strategie dahintersteckt oder blanke Angst um die schwarzen Zahlen regiert, werden wir vermutlich in einigen Monaten besser beurteilen können. Spätestens beim nächsten Einschlag. Die kommen ja seit einiger Zeit leider zuverlässig und regelmäßig.

In diesem Sinne: Auf eine weitere trekkige Woche. Wir lesen uns.

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