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To Boldly Roll – Episode 1: Star Trek – Star Realms

© UVS Games/Wise Wizard Games
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Star Trek-Fans mussten schon immer mit einer gewissen Benachteiligung leben. Während sich die Kollegen aus dem Nachbaruniversum Star Wars über andauernden Spielenachschub freuen konnten (von Imperial Assault über Star Wars Legion und Outer Rim bis zu Star Wars Unlimited), ist das Angebot für spielfreudige Trekkies doch seit jeher deutlich eingeschränkter – nicht miserabel, aber überschaubar. Umso erfreulicher ist es, dass in diesem Herbst gleich drei (englischsprachige) Novitäten am Start sind. Eine davon ist Star Trek – Star Realms.

Raumkampf im Kartenformat

Das Spiel ist ein Raumschiff-Kampf-Kartenspiel mit Deckbuilding-Mechanismus für 2 bis 4 Spieler und verwendet das Spielprinzip des Kartenspiels Star Realms. Was bitteschön ein Deckbuilding-Mechanismus ist? Dazu komme ich gleich. Zunächst einmal: Die handliche Box enthält 130 Karten, die sowohl Raumschiffe als auch Schauplätze zeigen, 1 Spielmatte für Ordnung im zentralen Spielbereich und einen Schwung Pappmarker, mit dem man seine Lebenspunkte beziehungsweise „Autorität“ (Authority) nachhält. An Karten sind je 20 der vier Fraktionen Föderation, Klingonen, Romulaner und Dominion enthalten, außerdem 40 (10 pro Mitspieler), mit denen man das Spiel beginnt, und 10 neutrale D’Kora-Klasse-Karten.

Vor Spielbeginn werden Spielmatte und Spielmarker ausgelegt. Dann werden die Fraktionskarten zu einem großen Stapel gemischt und fünf Karten kommen aufgedeckt in die „Trade Row“, den zentralen Kartenkaufbereich auf der Spielmatte. Dazu gesellt sich noch der Stapel mit identischen D’Kora-Klasse-Karten. Jeder Mitspieler erhält 50 Punkte Authority und einen Zugstapel aus 8 Scoutschiffen und 2 Raiders, der gemischt wird und von dem man dann 5 Karten auf die Hand zieht. Beginnend mit einem zuvor ermittelten Startspieler geht es los. Ziel des Spiels ist es, den oder die Gegner zu besiegen, indem man ihm und ihnen alle Authority-Punkte durch Angriffe entzieht.

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Wie wird’s gespielt?

Bis das gelungen ist, verläuft das Spiel in Runden reihum, wobei jeder Spieler, der am Zug ist, 3 Phasen abhandelt. Die wichtigste Phase ist die „Main Phase“. In ihr spielt man kostenlos Karten aus der Hand in den Spielbereich vor einem aus. Dann nutzt man deren Fähigkeiten. Diese Fähigkeiten bestehen in der Regel aus Zahlenwerten in Authority, Combat oder Trade und manchmal zudem aus einem Texteffekt. Für Authority-Punkte kann man den eigenen Authority-Wert erhöhen, man „heilt“ also sozusagen. Für Combat-Punkte kann man entweder feindliche Schauplätze oder den gegnerischen Spieler selbst angreifen (manchmal muss man zuerst schützende Außenposten zerstören, bevor man an den Gegner selbst rankommt). Für Trade-Punkte schließlich kann man neue, stärkere Schiffe und Location-Karten in der Trade Row erwerben. Diese kommen dann in den eigenen Ablagestapel.

In diesen wandern in der „Discard Phase“ auch alle Handkarten des aktuellen Zuges, egal ob man sie ausgespielt hat oder nicht. In der „Draw Phase“ schließlich zieht man fünf neue Karten aus dem eigenen Zugstapel nach, um für die nächste Runde gerüstet zu sein. Wichtig hierbei: Möchte man eine Karte ziehen, aber der Zugstapel ist leer, wird der Ablagestapel gemischt und bildet einen neuen Zugstapel. Auf diese Weise wandern neu gekaufte, stärkere Karten ins eigene Spiel.

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Deckbuilding und Fraktionen

Dieser individuelle, gezielte Erwerb von stärkeren Karten, die den eigenen Zugstapel immer mächtiger machen, ist das Kernelement jedes Deckbuilding-Spiels – womit die Eingangsfrage geklärt sein dürfte, was das eigentlich ist. In Star Trek – Star Realms finden sich, wie gesagt, Schiffe und Schauplätze aus den Fraktionen Föderation, Klingonen, Romulaner und Dominion. Der Unterschied zwischen Schiffen und Schauplätzen besteht dabei hierin, dass Schiffe nur ausgespielt, genutzt und dann am Ende des eigenen Zuges abgelegt werden. Locations bleiben dauerhaft im eigenen Spielbereich liegen und bieten in jedem Zug Boni, bis sie vom Gegner zerstört wurden.

Die vier Fraktionen sind dabei nicht bloß optischer Natur, sondern bieten leicht unterschiedliche Effekte. So zerstören Klingonen gern eigene Karten, was dämlicher klingt als es ist, denn so kann man schwache Startkarten aus dem eigenen Deck entfernen und erhöht die Chance, starke Karten auf die Hand zu ziehen. Das Dominion erlaubt häufig, Karten nachzuziehen, was die Schlagkraft im jeweiligen Zug erhöht. Die Romulaner zerstören gern Karten aus der Trade Row, um sie anderen Spielern vorzuenthalten. Und die Föderation bietet Authority-Boni, setzt also fraktionspassend auf „Wiederaufbau“. Man ist im Übrigen nicht an eine Fraktion gebunden, sondern kann sich seinen Karten bunt zusammenkaufen. Konzentriert man sich jedoch auf ein bis zwei Fraktionen, erhöht sich die Chance, Karten der gleichen Fraktion in einem Zug ausspielen zu können. Das wiederum bietet auf vielen Karten einen Extra-Bonus im „Ally Ability“-Bereich der Karte. So spielt man Runde um Runde, bis ein Kontrahent gewonnen hat.

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Ist das jetzt der Knall im All?

Man muss ganz offen sagen: Star Trek – Star Realms erfindet das Rad nicht neu. Wer andere Deckbuildig-Spiele kennt, wird sich hier sofort zurechtfinden. Tatsächlich ist das vorliegende Spielprinzip sogar recht gradlinig und einsteigerfreundlich – man könnte es auch simpel nennen. Kaufe immer stärkere Schiffe, um deinem Gegner so lange Schadenspunkte um die Ohren zu hauen, bis er – sozusagen – keinerlei Autorität mehr im Quadrant hat. Doch das einfache Design hat auch seine Vorteile. So kann man in das Spiel superschnell einsteigen. Die Regeln sind rasch gelesen und letztlich so kurz, dass sie wirklich gut auf den Referenzbogen am Ende des Regelhefts passen. Fragen sind selbst bei der ersten Partie keine aufgekommen. Außerdem spielt es sich das Ganze einfach fix. Wer kein stundenlanges Epos, sondern einfach mal eine halbe Stunde kurzweiligen Duellspaß erleben will, der ist hier sehr richtig.

Was mit ein bisschen gefehlt hat, ist die Möglichkeit zum schnellen Konter. Wenn der Gegner am Zug ist, ist man dessen Karten praktisch hilflos ausgeliefert. Hat der die richtige Karten-Kombination auf der Hand, kann man nur hilflos zusehen, wie der eigene Authority-Wert – gerade gegen Spielende, wenn es zählt – auf einen Schlag 20 Schadenpunkte und mehr erleidet. Hier wären „Sofort“-Effekte in Form von Ereigniskarten eine hübsche Sache gewesen. Allerdings könnte ich mir gut vorstellen, dass solche fortgeschrittenen Taktiken durchaus für Erweiterungen geplant sind.

Denn: Star Trek – Star Realms hat absolut Potenzial für mehr. Bis jetzt wurde da meines Erachtens nur an der Oberfläche des Möglichen gekratzt. Nicht nur fehlen noch zahlreiche Fraktionen – man denke etwa an die Borg oder Ferengi –, es gibt auch derzeit noch überhaupt keine Schiffsbesatzungen, die beispielsweise Soforteffekte auslösen könnten. Angesichts der unzähligen berühmten Gesichter aus der Trek-Seriengeschichte fast eine sträflicher Mangel. Für Star Realms selbst gab es über die Jahre diverse Erweiterungen. Wenn der Star Trek-Ableger nicht völlig floppt, besteht also noch Hoffnung.

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Zum Abschluss noch ein Wort zur Optik

Das Spiel kommt in einer recht schlichten Schachtel daher, die ohne viel Tamtam mit einer Enterprise-D im Anflug lockt. Das Kartendesign ist aufgeräumt und auch von den Symbolen her schnell verstanden, was sicher daran liegt, dass es gar nicht so viele gibt. Die Bebilderung besteht, wie mir scheint, aus Screenshots von Raumschiffen und Schauplätzen, die leider fast durch die Bank eher dunkel daherkommen. In der Regel versuchen Macher auf diese Weise Unschärfe aufgrund schlechter Bildquellen zu kaschieren, was zumindest in manchen Fällen verwundert, denn zum Beispiel The Next Generation wurde mittlerweile vom Bild her aufwändig restauriert und auch Kinofilme sind nicht gerade SD-Bildquellen. (Bitte hier nicht von den kräftig farbigen Fotos zum Artikel täuschen lassen; ich habe den Kontrast etwas hochgeschraubt, damit man die Motive besser erkennen kann. In Wahrheit sind alle Karten blasser.)

Die Motive speisen sich dabei aus überraschend vielen Star Trek-Produktionen: Es gibt Raumschiffe und Schauplätze aus der klassischen Serie, The Next Generation, Deep Space Nine, Enterprise, den Kinofilmen, Discovery und Picard zu sehen, wobei der Schwerpunkt definitiv bei Deep Space Nine liegt. Voyager dagegen scheint völlig zu fehlen. Das eine wie das andere könnte an den präsentierten Fraktionen liegen. Der Kampf zwischen Föderation, Klingonen, Romulanern und Dominion war eben in Deep Space Nine am intensivsten, bei Voyager dagegen spielte er keine Rolle. Auffällig ist, dass die Macher sich mit der Verwendung wirklich berühmter Schiffe sehr zurückgehalten haben. Zwar tauchen beispielsweise die Kronos One, die Valdore und die Reliant auf, aber die Enterprise-D ist das wirklich einzige serientragende Schiff. Kirks Enterprise, die Enterprise NX-01, die Defiant, die Voyager oder die Discovery sucht man noch vergebens. Erneut: Da ist noch Luft für Erweiterungen.

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Fazit

Star Trek – Star Realms erfindet das Rad in Sachen Deckbuilding-Duellspiel nicht neu. Auch bei der optischen Präsentation wäre noch Luft nach oben. Aber es macht Spaß. Es spielt sich flott, man hat Star Trek auf dem Tisch und der Komplexitätsgrad ist einsteigerfreundlich, ohne dass sich eine Partie banal oder langweilig anfühlen würde. Gerade angesichts des angenehmen Preises von 20 bis 30 Euro, gibt es daher von mir eine Empfehlung.

Star Trek – Star Realms

Kartenspiel für 2 bis 4 Spieler ab 14 Jahre

Darwin Kastle, Rob Dougherty

UVS Games/Wise Wizard Games 2024

EAN: 810155270971

Sprache: Englisch

Preis: ca. 25,00 EUR

Informationen zum Redakteur

Perplies mittel

Bernd Perplies

Website: http://www.bernd-perplies.de
Facebook: https://www.facebook.com/bernd.perplies
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Bernd_Perplies

Bernd Perplies verbringt schon sein ganzes Leben mit Zwergen und Sturmtrupplern, Vampiren und Vulkaniern. Prägende Jugendjahre voller Abenteuer an der Seite von Perry Rhodan, Jean-Luc Picard, Gandalf und Luke Skywalker sorgten für eine Anhäufung unnützen Wissens über neue Welten, neues Leben und neue Zivilisationen fernab der Realität. Um dieses Wissen sinnvoll weiterverwerten zu können, entschied er sich für eine Laufbahn als Schriftsteller, Übersetzer und Journalist.

Seitdem hat er zahllose Artikel für die SpaceView, das Phantastika Magazin und Tor Online verfasst, rund 20 Star Trek-Romane (und ein bisschen Genre-Beifang links und rechts) übersetzt, etwa 1000 Seiten an Playmobil-Magazin-Comics ersonnen und annähernd 50 phantastische Romane für Kinder, Jugendliche und Erwachsene geschrieben, darunter die Magierdämmerung-Trilogie, offizielle Beiträge zu Shadowrun und BattleTech, die Drachengasse 13-Reihe und Star Trek Prometheus, den Geburtstagsdreiteiler des Cross-Cult-Verlags zum 50-jährigen Jubiläum von Captain Kirk & Co.

Bernd Perplies lebt mit seiner Familie (und einer einzelnen tapferen Grünpflanze) unweit von Stuttgart in einem Labyrinth aus Billy-Regalen voller Bücher, Filme und Brettspiele.

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