Andere Welten

Tulsa King: Sylvester Stallone tough wie lange nicht

© Paramount

Thorsten Walch blickt weit über den Tellerrand und bringt euch die Serie “Tulsa King” näher.

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Als Paramount+ im vergangenen Dezember auch hier bei uns endlich an den Start ging, waren die allermeisten von uns Trekkies natürlich in erster Linie gespannt auf die neue Star Trek-Realserie Strange New Worlds (deren im Juni gestartete bereits zweite Staffel mittlerweile kurz vor ihrem Abschluss steht). Doch ist Paramount+ mehr als das Roddenberry’sche Universum, wenngleich dieses im wahrsten Sinne des Wortes eins der Flaggschiffe des Streamingdienstes ist.

Zu den (zumindest bei manchen von uns) am meisten erwarteten Serien gehörte auch Tulsa King, in dem der mittlerweile 77-jährige, vorwiegend als Darsteller von Rocky und Rambo bekannte Action-Altstar Sylvester Stallone sein Debüt als Streaming-TV-Darsteller gab. Während amerikanische Paramount+-Abonnenten bereits Ende November 2022 in den Genuss von Tulsa King kamen, mussten wir hierzulande bis zum 19. März 2023 warten. Seit dem 7. Mai können mittlerweile jedoch alle neun Folgen gestreamt werden, und seit 27. Juli ist die Serie auch hierzulande (leider nur…) auf DVD erhältlich. Werfen wir also nachfolgend einen Blick auf die Abenteuer des Königs von Tulsa.

Worum geht’s?

Der New Yorker Gangster-Capo (in Kreisen des organisierten Verbrechens der hochrangige Anführer der einfachen Mitglieder im Auftrag des Paten) Dwight Manfredi (Stallone) kommt nach 25 abgesessenen Jahren wegen Mordes aus dem Gefängnis. Die Welt da draußen hat sich verändert und der inzwischen 75-jährige „General“, wie Dwights Spitzname lautet, hat Mühe, sich in ihr zurechtzufinden. Unter anderem will seine mittlerweile verheiratete bürgerlich als Floristin lebende Tochter Tina (Tatiana Zappardino, The Consultant) nichts mehr von ihm wissen.

Pate Pete “The Rock” Invernizzi (A.C. Peterson, Dark Harvest) und sein unterdrückter Filius Chickie (Domenick Lombardozzi, Breakout Kings) wollen den gefallenen Altgangster schlicht und ergreifend unblutig kaltstellen. Aus diesem Grund schickt Pete ihn ins ländlich geprägte Oklahoma, wo er den Einfluss der Familie vergrößern und deren Geschäfte etablieren soll. Zähneknirschend pariert das Schwergewicht. In Tulsa angekommen, beschließt Dwight jedoch, das Beste aus seiner misslichen Lage zu machen. Er engagiert den jungen Möchtegern-Mobster Tyson (Jay Will, The Marvelous Mrs. Maisel) als Fahrer und „überzeugt“ Hanfhändler Bodhi (Martin Starr, Silicon Valley) mittels schlagkräftiger Argumentation davon, sein erster Geschäftspartner zu werden.

Freunde findet er in Barbesitzer und Ex-Knacki Mitch Keller (Garrett Hedlund, Tron: Legacy) sowie Armand „Manny“ Truisi (Max Casella, Doogie Hauser, M.D.), der einst selbst für die Invernizzi-Familie arbeitete und in Oklahoma eigentlich ein neues Leben als Rancharbeiter und Familienvater beginnen wollte. Mit seiner hübschen Zufallsbekanntschaft Stacey (Andrea Savage, iZombie) hat Dwight eine kurze Affäre, weiß allerdings nicht, dass sie als Agentin des ATF (das Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives) arbeitet. Und dann ist da noch der brutale Bikerbandenanführer Caolon Waltrip (Ritchie Coster, True Detective), der den wüsten Black Macadams vorsteht und sich als Big Boss des organisierten Verbrechens in Tulsa und Umgebung betrachtet. Auch im fernen New York ist der neu aufstrebende Altgangster ein paar Leuten ein Dorn im Auge, und es dauert nicht lange, ehe er sich erster Anschläge auf sein Leben erwehren muss…

Der wilde Watz von Oklahoma

Hollywood-Star Marlon Brando war gerade einmal 47 Jahre alt, als er Anfang der 70er-Jahre die Rolle des Don Vito Corleone im Hollywood-Klassiker The Godfather (Der Pate) von Francis Ford Coppola übernahm. Ex-Rocky-Rambo Sylvester Stallone hingegen war satte 28 Jahre älter, als er dem Engagement für Tulsa King zustimmte und brauchte dementsprechend keine Papiertaschentücher in den Backentaschen, um das ältere Semester, das die Hauptfigur in der Serie ist, zu mimen. Das Ergebnis ist eine der unterhaltsamsten Serien, die derzeit auf dem Streaming- und nunmehr auch DVD-Markt zu finden sind.

Der Ideengeber der Serie ist für TV-Fans kein Unbekannter, handelt es sich doch um niemand Geringeren als den in früheren Jahren auch als Schauspieler tätigen Taylor Sheridan. 2018 gelang Sheridan mit der ebenso harten wie melodramatischen Neo-Westernserie Yellowstone (ebenfalls zu sehen bei Paramount+) ein ganz großer Wurf, zumal er für die Hauptrolle mit „Der mit dem Wolf tanzt“ Kevin Costner ebenfalls einen Hollywoodstar gewinnen konnte. Yellowstone folgten mit 1883 (mit den Countrysängern Faith Hill und Tim McGraw)und 1923 (mit Helen Mirren und Harrison Ford in den Hauptrollen) gleich zwei erfolgreiche Prequels. Ein weiteres ist geplant und insgesamt sind die Ereignisse um die titelgebende Ranch eins der bekanntesten Streaming-TV-Franchises der vergangenen paar Jahre. Somit war Tulsa King für Sheridan eher eine Art Sideproject, für das er den durch Serien wie The Sopranos und Boardwalk Empire bekannten Fernsehproduzenten und Drehbuchautor Terence Winter einsetzte.

Stilistisch ging man für die Serie ähnlich vor wie im Fall von Yellowstone und seinen beiden Prequels. Obwohl Gangstersenior Dwight Manfredi alles andere als eine positiv gezeichnete Figur ist und bereits in der Eröffnungsfolge deutlich macht, wo der sprichwörtliche Hammer bei ihm hängt, schafft man es, ihn dennoch niemals komplett ins Bösewichterhafte abgleiten zu lassen. Neben seiner kriminellen Energie beschert man ihm auch einen hohen Sympathiefaktor beim Publikum, das mit ihm leidet, als er seinen jüngeren Bruder verliert oder aber um die Liebe seiner Tochter kämpft.

Einfach ausgedrückt kann man Dwight unmöglich mögen, aber ihn nicht zu mögen ist genauso unmöglich. Sylvester Stallone, der in seiner Karriere viel zu oft auf den reinen körperbetonten Actionhaudrauf festgelegt wurde und dessen schauspielerisches Talent häufig in Vergessenheit geriet (ein Umstand, zu dem der Mime durch seine Rollenauswahl jedoch zweifelsohne auch selbst häufig beigetragen hat), merkt man seine Spielfreude in Tulsa King deutlich an. Ein besonderer Pluspunkt ist auch, dass man den für sein Alter enorm agilen Stallone um lediglich ein Jahr jünger schummelt und er in einer Szene freimütig bekennt, bereits 75 Lenze zu zählen. Doch auch der restliche Cast ist glänzend ausgewählt. So etwa gibt der Brite Ritchie Coster einen beispiellos ekligen Bösewicht ab, der nicht die Spur von Hannibal-Lecter-esker Anziehung erringen kann, und bis in die kleinsten Nebenrollen hinein ist Tulsa King ausgezeichnet besetzt, wenngleich Stallone wie ein Übervater hinter der restlichen Besetzung aufragt und die Handlung der Serie mit ihm steht und fällt.

Kinoreife Streaming-Unterhaltung

Im Falle der Handlung, die weit über das Niveau handelsüblicher Kriminalgeschichten über Gangster hinausgeht, bewirken die hervorragenden Drehbücher von Taylor Sheridan und Terence Winter übrigens genau das Gleiche wie beim Haupt- und diversen Nebencharakteren. Obwohl man als Zuschauer natürlich weiß, dass das, was da im eher beschaulichen Oklahoma vor sich geht, grundfalsch ist und ganz gewiss keine Sympathien, geschweige denn Nachahmungswünsche erzielen sollte, fiebert man doch in Vielem mit.

Gewissermaßen gerät das Ganze im Lauf der Handlung zu einer Art „Gute Gauner gegen böse Gauner“, wobei ausgerechnet die Ordnungshüterin in der Geschichte eine verhängnisvolle Verbindung mit dem Gesetzesbrecher eingeht. Die Inszenierung indes braucht sich nicht hinter manchem aktuellen Kinofilm zu verstecken, was angesichts des fast 60 Millionen US-Dollar hohen Budgets für die erste Staffel auch nicht weiter verwunderlich ist. Man merkt unschwer, dass insbesondere Streaming-TV-Produktionen mittlerweile zu einer ernsten Konkurrenz für das Kino geworden sind.

Ein Fest für Freunde tougher Unterhaltung

Wer keine dramatisch gewürzte Actionkost mag, den wird Tulsa King freilich nicht begeistern können. Zwar enthält die Serie keine untragbar harten splatterig-gorigen Szenen, doch die eine oder andere Sequenz könnte durchaus eine (wenn auch kleinere) Belastung für zartbesaitete Gemüter sein. Stallone ist Stallone ist Stallone… Doch ist und bleibt einer der wesentlichen Knackpunkte bei Tulsa King die bei alledem auch stets überaus zynische und sarkastische Machart, die uns vermittelt, dass wir hier letzten Endes Hollywood im Pantoffelkinoformat serviert bekommen.

Wer mit dieser Prämisse an die Sacheherangeht, der wird neunmal jeweils um die 40 Minuten lang (einige Male knapp über, ein paarmal unter dieser Laufzeit) glänzend unterhalten und am Ende mit einem ziemlich fiesen Cliffhanger wieder in die Wirklichkeit entlassen. Staffel 2 von Tulsa King ist übrigens bereits beschlossene Sache, doch kann es dabei so wie bei allen anderen Film- und Serienproduktionen der nächsten Zeit aufgrund des Streiks von WGA (Writers Guild of America) und SAG-AFTRA (Screen Actors Guild – American Federation of Television and Radio Actors) zu deutlichen Verzögerungen kommen. Hoffen wir (natürlich nicht allein wegen Tulsa King) auf eine baldige Einigung!

Wie bereits erwähnt können alle neun Folgen der ersten Staffel bei Paramount+ gestreamt werden, ferner ist die Serie seit dem 27. Juli ordentlich ausgestattet zum Preis von etwa 20 € hierzulande lediglich auf DVD zu haben (in den USA und in England ist sie auch auf Blu-ray erschienen). Neben den Episoden selbst gibt es zu jeder Folge eine kurze Kommentarfeaturette sowie sechs weitere Featurettes über die Macher, Darsteller, Drehorte, Stunts und so weiter. Lass krachen, Sly!

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