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Woman in Motion: Die Nichelle Nichols-Story

© Stars North / High Flier Films

Thorsten Walch beleuchtet die Dokumentation “A Woman in Motion” über Nichelle Nichols.

© Stars North / High Flier Films

Die vor wenigen Tagen verstorbene Schauspielerin Nichelle Nichols (1931 bis 2022) war, wie allgemein bekannt, eine amerikanische Ikone. In einer Zeit, in der die Rassentrennung in den Vereinigten Staaten noch immer eine alltägliche und vielfach kaum bemängelte Realität war, entwickelte sich die Darstellerin der Lieutenant Nyota Penda Uhura aus der damals ungemein innovativen Serie Star Trek schon nach wenigen Folgen zu einer absoluten Hoffnungsträgerin für die schwarze Bevölkerung.

Insbesondere der legendäre Bürgerrechtler Dr. Martin Luther King machte sie in eindringlicher Weise auf die immense Wichtigkeit ihrer Rolle aufmerksam, als sie beschloss, die Serie nach relativ kurzer Zeit wieder zu verlassen.

Und so wurde Uhura, wie sie meistens kurz genannt wird, nicht nur zu einem der bekanntesten weiblichen Charaktere in der Science-Fiction, sondern zu einer Symbolfigur für die Menschenrechte. Doch auch über ihr Wirken als Schauspielerin in einer fiktiven Zukunftsgeschichte der Menschheit hinaus hinterließ Nichelle Nichols (die im Dezember diesen Jahres ihren 90. Geburtstag gefeiert haben würde) einen bedeutsamen Fußabdruck in der Geschichte der realen Raumfahrt: Ab Ende der 70er-Jahre war sie es, die aufgrund ihrer Star Trek-Bekanntschaft von der US-Raumfahrtbehörde NASA als Rekrutierungsbeauftragte angestellt wurde und in diesem Rahmen ihre Tätigkeit für die Gleichberechtigung aller Menschen ausübte.

Von dieser Seite Nichelle Nichols’ abseits ihrer Schauspielkarriere erzählt der berührende Dokumentarfilm, der durch den Tod der Grande Dame von Star Trek nunmehr eine Art Vermächtnis der großen Schauspielerin und Menschenrechtlerin geworden ist und um den es an dieser Stelle gehen soll: Woman in Motion des Regisseurs Todd Thompson, 2021 auf DVD erschienen sowie beim Ende des Jahres auch bei uns bereitgestellten Streaming-Anbieter Paramount+ zu sehen.

Worum geht’s?

Die große Nichelle Nichols erzählt, und ihr zur Seite stehen viele bekannte Gesichter von damals wie heute, seien es ihre alten Star Trek-Kollegen George Takei und Walter Koenig, der aus The Next Generation bekannte Michael Dorn, Musiker und Filmproduzent Pharrell Williams (in letztgenannter Funktion tätig beim Bio-Pic Hidden Figures, als Musiker Interpret des Erfolgssongs Happy), Ex-NASA-Space Shuttle-Crewmitglied Dr. Mae Jemison, Astrophysiker Neil deGrasse Tyson und viele weitere mehr.

Sie alle berichten davon, wie die US-Weltraumbehörde NASA Nichelle Nichols 1977 aufgrund der Bekanntheit durch ihre Rolle als Uhura als Rekrutierungsbeauftragte engagierte, um neue Astronauten für das kommende Space-Shuttle-Programm der berühmt gewordenen 8. NASA-Gruppe zu gewinnen und wie sie im Zuge dessen eine bahnbrechende Frage stellte: »Where are my people?« – »Wo sind meine Leute?«: Afro-, latino- und asiatisch-amerikanische Astronauten sowie natürlich auch Frauen im ganz Allgemeinen.

Und davon, wie Nichelle Nichols mit genau dieser Frage erfolgreich genug war, um dadurch maßgeblich zu den Raumfahrerkarrieren von AstronautInnen wie Sally Ride (1983 die erste Amerikanerin im Weltraum, nachdem die sowjetrussische Kosmonautin Walentina Tereschkowa bereits volle 20 Jahre zuvor die erste Frau im All überhaupt gewesen war), Guion Buford (der erste Afroamerikaner im Weltraum), dem ebenfalls afroamerikanischen Ron McNair und dem ersten asia-amerikanischen Astronauten im Raum, Ellison Onizuka (die beide am 28. Januar des Jahres 1986 bei der Explosion der Raumfähre Challenger ums Leben kamen) beizutragen.

Selbstverständlich kommt Miss Nichols dabei auch immer wieder einmal auf die allgemeine damalige Haltung in den USA gegenüber nicht-weißen Ethnien zu sprechen und nimmt dabei, so wie man sie stets kannte, kein Blatt vor den Mund.

Star Trek in der Realität

Natürlich werden nicht allein Trekkies die vielen Parallelen zu Star Trek deutlich, die sich hierdurch auftaten. Wie konnte etwas vergleichsweise Einfaches und vor allem eigentlich vollkommen selbstverständliches, nämlich die Einbeziehung aller möglichen Ethnien in die Erforschung des Weltraums, lediglich in einer zur Unterhaltung produzierten Fernsehserie, nicht aber in der Wirklichkeit des damals florierenden Raumfahrtprogramms stattfinden?

Hierzu bedurfte es einer starken Frau, die ihre durch besagte Serie gewonnene Prominenz dazu nutzte, um zumindest diesen Punkt Wirklichkeit werden zu lassen. Doch spricht Nichelle Nichols keineswegs voll von Bitterkeit über diesen ungerechten Umstand, sondern vielmehr mit dem verdienten Stolz darauf, letztendlich wesentlich zu einer Änderung dieser Umstände beigetragen zu haben.

Bei alledem wird auch der insgesamte große Einfluss von Star Trek auf die reale Weltraumforschung deutlich, wenn etwa der ebenfalls TV-berühmte Neil deGrasse Tyson, seines Zeichens der legitime Nachfolger des ikonischen Carl Sagan (und auch dessen Moderatoren-Nachfolger bei der Neuauflage der Serie Cosmos von 2014) davon spricht, wie ihn Star Trek im Allgemeinen und Nichelle Nichols im Speziellen in seiner Berufswahl bestärkten.

Taschentücher raus!

Selbstverständlich spürt man als Trekkie (und sicherlich auch als Interessierter an der Geschichte der Raumfahrt) an gleich mehreren Stellen den berühmten dicken Kloß im Hals, wenn die große Miss Nichols aus ihrem reichhaltigen Erfahrungsschatz erzählt.

Insbesondere, wenn sie sich an die Challenger-Explosion von 1986 erinnert (bei der, wie schon zuvor erwähnt, die von ihr geförderten Astronauten Ron McNair und Ellison Onizuka mit ihren restlichen Besatzungskameraden zusammen ums Leben kamen), ist ihr ihre Betroffenheit darüber bis zum Schluss deutlich anzumerken – ein beklemmender und sehr berührender Moment auch für den Zuschauer.

Doch kann die Grande Dame Star Treks den Zuschauer durchaus ebenso mit ihrem mitreißenden Lachen an den passenden Stellen anstecken.

Der Macher

Inszeniert wurde Woman in Motion von Regisseur Todd Thompson, der von sich selbst sagt, dass seine Entscheidung, Filmemacher zu werden an dem Tag fiel, an dem ihn sein Vater ins Kino zu einer Vorstellung von Star Wars mitnahm. Nach ersten experimentellen Kurzfilmen, die er mit der 8-mm-Kamera seines Großvaters drehte, machte er Karriere als Creative Director, Produzent und Autor und war auch das eine und andere Mal selbst vor der Kamera zu sehen, agiert jedoch am liebsten hinter selbiger.

Neben mit der NASA und anderen weltberühmten Gesellschaften arbeitete Thompson bereits mit der Walt Disney-Company und Lucasfilm Ltd. zusammen. Seine Liebe zu ungewöhnlichen Dokumentarfilmen gipfelte unter anderem in PRE-FAB! über die Entstehungsgeschichte der Beatles sowie The Runaway über den berühmten Rock’n Roller Del Shannon, während es in der mehrteiligen Dokumentarserie American Originals um eine Gruppe autodidaktisch gebildeter afroamerikanischer Künstler geht, die eine beachtliche Bewegung in der US-Kunstszene ins Leben riefen.

Neben einem vielköpfigen Produzententeam fungierte auch Nichelle Nichols selbst als Co-Produzentin von Woman in Motion.

Auf DVD und bei Paramount+

Anfänglich wurde Woman in Motion auf verschiedenen Festivals gezeigt, ehe der Film wie schon eingangs erwähnt Anfang 2021 beim Label High Fliers Films auf DVD veröffentlicht wurde (auch im hierzulande gebräuchlichen Regionalcode 2, allerdings gibt es bislang keine deutsch synchronisierte Fassung).

Die DVD ist insbesondere über den Internet-Fachhandel ohne größere Mühe erhältlich. In den USA kann Woman in Motion ferner auch beim bei uns noch nicht gestarteten Streaming-Dienst Paramount+ angeschaut werden, so dass wir hoffentlich spätestens ab Ende 2022 auch in den Genuss dieser Möglichkeit kommen werden, den Film sehen zu können.

Fazit

Die große Geschichte einer ebenso großen verehrungswürdigen Frau – natürlich mit der einen und anderen Überhöhung, die ihr aber durchaus bei alledem zusteht, und selbstverständlich auch nicht ohne die berühmte Träne im Knopfloch, die weder vermeidbar war noch hätte vermieden werden sollen, erst recht nicht angesichts des jüngst zurückliegenden Todes von Nichelle Nichols.

»A Must-have for Trekkies!«, urteilte jüngst ein Kritiker; dem ist nichts hinzuzufügen. Ein Film, nach dessen Genuss dem geneigten Zuschauer wieder einmal so richtig in voller Gänze bewusst wird, wie unglaublich schön das Gefühl doch ist, ein Trekkie zu sein.

In memoriam Nichelle Nichols

28. Dezember 1932 bis 30. Juli 2022

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