Andere Welten

Bücherecke: Heather Fawcett: Emily Wildes Enzyklopädie der Feen

© Fischer Tor

Heather Fawcett debütiert mit “Emily Wildes Enzyklopädie der Feen” mit einem zauberhaften Fantasy-Roman über die Welt der Feen. Birgit Schwenger hat reingelesen.

© Fischer Tor

Emily Wilde ist die jüngste Professorin, die je in Cambridge eingestellt wurde und hat sich in den inzwischen acht Jahren ihrer akademischen Laufbahn einen Namen als ausgewiesene Expertin über Feenkunde – oder Dryadologie, so die wissenschaftliche Bezeichnung – gemacht. Mit ihrem neuesten Projekt, der ersten Enzyklopädie über das Volk der Feen, ihre verschiedenen Arten und Lebensräume, plant Emily eine feste Fakultätsstelle auf Lebenszeit an der Universität zu ergattern, um sich endlich voll und ganz ihren Studien widmen zu können, ohne dabei ihrer Familie finanziell auf der Tasche liegen zu müssen.

Um weitere Feldforschung, vor allem über die geheimnisvolle Feenspezies »der Verborgenen«, auch genannt die höfischen Feen, betreiben zu können, hat es die mutige Forscherin nach Ljosland in das kleine, abgelegene Dorf Hrafnsvik verschlagen. Ihr einziger Begleiter ist ihr Hund Shadow, ein zotteliges Ungetüm, das ihr treu zu Seite steht und trotz seiner riesigen Gestalt eher zur Gemütlichkeit neigt. Mit anderen Menschen kann die junge Wissenschaftlerin nicht wirklich etwas anfangen, weswegen sie es auch gleich bei der ersten Zusammenkunft im Gasthaus des Dorfes schafft, einige von den eher ruppigen Einwohnern mächtig vor den Kopf zu stoßen.

Das bringt Emily für ihre Forschung zunächst große Probleme ein und droht ihr Projekt sogar zum Scheitern zu bringen. Doch zu Emilys großer Verwunderung taucht plötzlich ihr einziger Freund und akademischer Rivale, Wendell Bambleby, im Dorf auf und nistet sich bei ihr ein. Will er etwa ihre Arbeit für seine Zwecke instrumentalisieren? Aber der charmante junge Mann, der alle im Handumdrehen um den Finger wickelt, hat nicht mit Emilys Beharrlichkeit gerechnet und ihrem unbedingten Willen, ihre Enzyklopädie erfolgreich zu beenden. Emilys enormes Wissen um die Feenkunde rettet die beiden aus so manch heikler Situation, aber als es auf hart auf hart kommt, müssen die beiden sich arrangieren: Nur zusammen haben sie eine Chance, die letzten großen Rätsel des Feenreiches zu ergründen – und das Geheimnis zu lüften, das sie miteinander verbindet. 

Historische Fantasy im hohen Norden

»Cozy Fantasy mit magischen Kreaturen« – so wirbt der Verlag Fischer Tor für das Buch, und das trifft es wirklich sehr gut. Auch wenn die Geschichte im eisigen Norden Skandinaviens zu Beginn des 19. Jahrhunderts spielt, wird einem doch gleich richtig warm ums Herz, wenn Emily mit Shadow in den Wald aufbricht und ihre erste Begegnung mit dem kleinen Volk hat. Dabei läuft aber keineswegs alles harmonisch und glücklich ab, im Gegenteil. Emily bringt sich und auch andere in große Gefahr und muss all ihr Wissen und ihren Mut aufbringen, um drohendes Unheil von Hrafnsvik abzuwenden. Doch sie muss auch lernen zu vertrauen und sich anderen gegenüber zu öffnen, denn niemand schafft alles allein und ohne Hilfe anzunehmen.

Auf dem Titel des Buches prangt Emily Wilde als eigentliche Autorin, und das ist sie sozusagen auch (im übertragenen Sinn), denn die Geschichte ist ausschließlich aus Emilys Perspektive erzählt: Sie nennt es den wahren »Bericht meiner täglichen Feldforschung«, und es ist an vielen Stellen auch ein Forschungstagebuch, das Einblick in ihre Entdeckungen und Vermutungen gibt, angereichert durch viele Zitate und weitere Quellen aber auch in die Geschichte der Dryadologie einführt.

Das ist sehr hilfreich für die Leserinnen und Leser, denn Emilys Welt ist eine Welt, in der Menschen und Feen miteinander leben, wenn auch häufig unerkannt und durch magische Schleier voneinander getrennt. Auch gehen die Begegnungen nicht immer gut aus, denn nicht alle Wesen sind den Menschen freundlich gesonnen. Aber dass es das „Kleine Volk« und andere magische Wesen gibt, darüber besteht in Emilys Welt kein Zweifel. Das macht auch den Reiz des Buches aus, denn wenn auch die Existenz der Feen und Fabelwesen bekannt ist, so gibt es doch noch jede Menge über sie zu erforschen, ganz zu schweigen vom Feenreich selbst.

Fortsetzung folgt

Heather Fawcett hat bereits zahlreiche Fantasy-Romane geschrieben, auch wenn diese hauptsächlich auf Kinder- und Jugendliche als Zielgruppe ausgelegt waren. Mit Emily Wildes Enzyklopädie der Feen ist ihr erster Fantasy-Roman für Erwachsene erschienen, der international schon ein großer Erfolg ist und ganz sicher auch in Deutschland seine Fans finden wird. Die gebundene Ausgabe mit 416 Seiten macht auch optisch einiges her und verlockt mit dem schön verzierten Cover zum Zugreifen. Der zweite Band ist im Original bereits für Januar 2024 angekündigt, man darf also gespannt sein, wohin es die akribische Wissenschaftlerin als nächstes verschlagen wird.

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