Andere Welten

Bücherecke: Schaurige Nächte: Unheimliche Geschichten für den Winter

© Dumont-Verlag

Birgit Schwenger empfiehlt mit “Schaurige Nächte” schaurig-schöne Gruselgeschichten in klassisch britischer Tradition.

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Es wird wieder früh dunkel, die Nächte werden länger und kälter: die perfekte Stimmung also, um herrlich britischen Geistergeschichten zu lauschen und sich von unerklärlichen Vorkommnissen und Schrecken gruseln zu lassen.

Acht ausgewiesene Meister*innen des Unheimlichen haben sich in diesem Kurzgeschichtenband zusammengefunden, um in ihren Erzählungen den Mythen der wilden Moore von Yorkshire nachzuspüren, das Geheimnis eines alten Spukhauses zu lüften oder die Grenzen zwischen den Lebenden und den Toten zu verwischen. Jede Geschichte steht für sich und hat ihren ganz eigenen Zauber.

Was ist Wirklichkeit und was nicht?

Den Anfang macht Bridget Collins mit Eine Studie in Schwarzweiss, in der die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen und ein unheimliches Schachspiel eine tragische Rolle spielt. Sie setzt damit auch gleich den Ausgangspunkt für die folgenden Geschichten, in denen die Erzähler*innen immer sehr geschickt damit spielen, was wirklich ist, was Wahnsinn und was unerklärlich bleiben muss – oder um mit Hamlet zu sprechen: »Es gibt mehr im Himmel und Erden als Eure Schulweisheit sich träumen lässt.« Gerade das macht den Zauber – und auch das Gruselige – der Geschichten aus, weil es dem Leser selbst überlassen bleibt für sich zu entscheiden, an was man glauben will und ob sich die Ereignisse erklären lassen oder nicht.

Gothic-Horror vom Feinsten

Auch in Thwaites Mieter spielt ein unheimliches Haus eine Rolle und bringt die junge Frau, die dort verzweifelt mit ihrem Sohn Zuflucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann sucht, fast um den Verstand. Auch in Chillinghams Rollstuhl von Laura Purcell oder Gefangen von Kiran Millwood Hargrave steht eine junge Frau im Mittelpunkt der Geschichte. Der Horror liegt dabei nicht immer nur in dem, was den Frauen zustößt, sondern auch in den gesellschaftlichen Normen, denen sie sich unterwerfen müssen und die manchmal schrecklicher zu sein scheinen als die Geister und unheimlichen Ereignisse, mit denen sie sich konfrontiert sehen.

Allen drei Erzählerinnen gelingt es in Perfektion, die düstere Stimmung der alten und abgelegenen Herrenhäuser einzufangen, in denen sich die drei Heldinnen behaupten müssen. Eine ganz andere Frauengestalt treibt ihr Unwesen dagegen in Lily Wilt von Jess Kidd. Die wunderschöne junge Frau, deren Schönheit legendär ist, verdreht einem jungen Fotografen dem Kopf, der nur zu gern bereit ist, alles für die schöne Lily zu tun, um mit ihr zusammen sein zu können.

Das Unheimliche lauert überall

In menschliche Abgründe lassen Andrew Michael Hurley und Elizabeth Macneal mit ihren Geschichten blicken: In Das Hängen des Grüns versucht ein zutiefst gläubiger junger Mann einem Alkoholiker zu helfen, der seine Untaten wieder gut machen will. Hurleys Erzählung ist die einzige, die in nicht allzu ferner Vergangenheit angesiedelt ist, da es zumindest Autos gibt, während alle anderen Geschichten eindeutig weiter zurück in der Vergangenheit spielen, als der Glaube an Geister, Hexen und Magie durchaus noch weit verbreitet war. Macneals Geschichte Ungeheuer spielt im frühen 19. Jahrhundert in Lyme Regis, das damals schon für seine Fossilienfunde bekannt war. Doch wer ist das titelgebende Ungeheuer? Ein prähistorisches Untier oder doch der Mensch, der so viel Schreckliches zu tun vermag?

Natasha Pulley steuert mit Die Aal-Sänger eine Geschichte aus dem Kosmos von Der Uhrmacher in der Filigree Street bei, die man aber lesen kann, ohne die anderen Bücher zu kennen: Der japanische Uhrmacher Keita Mori, für den die Zukunft bereits Vergangenheit ist, und sein Freund Thaniel Steepleton beschließen die Weihnachtsfeiertage in der einsamen Moorlandschaft der Fens zu verbringen, um Mori etwas Ruhe zu gönnen. Doch schnell wird klar, dass Unheimliches dort auf sie lauert und von ihnen Besitz zu ergreifen droht.

Schaurige Nächte: Unheimliche Geschichten für den Winter ist im Dumont-Verlag als gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag erschienen, den eine feine Goldfolienprägung ziert. Die Namen der Autor*innen finden sich auf den Blättern der Pflanze verteilt. Das farbige Vorsatzpapier und das Lesebändchen runden die gelungene Ausgabe ab. Im englischen Original ist bereits der zweite Kurzgeschichtenband mit 12 neuen Erzählungen erscheinen: The Winter Spirits: Ghostly Tales for Frosty Nights, die hoffentlich nächstes Jahr dann auch bei Dumont veröffentlicht werden.

Wer auf den Geschmack kommen ist, dem seien weitere Bücher der Erzähler*innen empfohlen: Ob Die verborgenen Stimmen der Bücher von Bridget Collins, Die letzte Reise der Meerjungfrau von Imogen Hermes Gowar, Vardo – Nach dem Sturm von Kiran Millwood Hargrave oder Zirkus der Wunder von Elizabeth Macneal – hier gibt es noch weitere phantastische Geschichten britischer Autorinnen zu entdecken.

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