Osterieds Sternenreise

Einmal quer durch Star Trek: #016: Räudige Hippies, Spock in love & Redshirt-Statistik

© Paramount

Peter Osteried reist durch über 50 Jahre “Star Trek” und lässt uns an seinem Rewatch teilhaben. Heute Tag 34 und 35.

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Hier geht es zur Übersicht der Reihe, sollte jemand die vorigen Ausgaben verpasst haben. Bei Tag 1 finden sich auch einleitende Worte. Wir wünschen gute Unterhaltung!

Tag 34

Der Planet der Unsterblichen ist ein Highlight, weil die Figur des Flints so gelungen ist, vor allem aber, weil er in seinem 6.000 Jahre währenden Leben die Verkörperung einiger der größten Künstler der Weltgeschichte war. Faszinierend ist die Figur aus heutiger Sicht vor allem, weil Flint im Grunde das ist, was die Unsterblichen bei Highlander sind. Kurios ist indes, dass Kirk sich innerhalb von etwa drei Stunden auf dem Planeten in die Androidin Rayna verliebt und nach deren Tod durch emotionale Überlastung auf der Enterprise ganz fertig ist. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Innerhalb weniger Stunden lernt er eine Frau kennen, liebt sie und verliert sie. Passiert ja auch jeden Tag. Ein starker Moment ist, als Spock den schlafenden Kirk die Erinnerung an Rayna vergessen lässt. Ach ja, Flints Roboter M4 sieht aus wie der Schwippschwager von Nomad.

Aaaah, sie sind da: die Space-Hippies. Die Reise nach Eden ist eine der räudigsten Folgen der ganzen Serie, die sich ihrer Grausamkeit wegen ins Gedächtnis einbrennt. Vor allem, wenn Charles Napiers Figur ein ums andere Mal ein Liedchen trällert. Und das von dem Mann, zu dem Rambo in Rambo II sagte: „Murdock, ich hol sie mir, ich mach sie kalt.“ Aber gut, Napiers Figur wird hier ja auch alle gemacht. Von einer Pflanze. Denn das ist der einzig gute Moment dieser Folge. Der Planet Eden sieht zwar aus wie ein Paradies, alles an ihm ist jedoch giftig und lebensfeindlich. Der Anführer der Hippies ist ein Querdenker des Weltraums, der Impfungen für Teufelswerk hält. Insofern ist die Folge dann doch erstaunlich aktuell. Aber das macht sie auch nicht reizvoller. Wenn es darum geht, die mieseste aller Star Trek-Folgen zu krönen, ist Die Reise nach Eden auf jeden Fall einer der heißesten Anwärter.

Die Wolkenstadt mag Bespin inspiriert haben. Vom Gesellschaftssystem ist die Folge selbst eher von Metropolis inspiriert. Hier die herrschende Kaste, dort die Arbeiterkaste, auf deren Schultern der Wohlstand und das holde Leben mit all der Kunst und Schönheit getragen wird. Der Name Troglyten für die Höhlenbewohner ist alles andere als subtil, die Folge ist aber interessant. Auch und vor allem, weil man merkt, dass die Autoren noch nicht gar so genau wussten, was die Föderation jetzt eigentlich sein sollte. Denn die Welt, die hier besucht wird, ist Teil der Föderation, aber bei Einmischung eines Starfleet-Angehörigen in die inneren Angelegenheiten ist die Todesstrafe erlaubt. Und gefoltert wird auch. Das sind doch alles Dinge, die im krassen Gegensatz zu den Prinzipien der Föderation stehen. Faszinierend ist indes, dass Spock von der Schönheit der Regententochter Droxine betört ist. Das ist ungewöhnlich, aber man erfährt, dass extreme weibliche Schönheit den Pon-Farr-Zyklus von sieben Jahren unterbrechen kann. Spock ist erst dann nicht mehr auf Droxine heiß, als ihm klar wird, dass sie eine Rassistin ist.

Seit es Menschen gibt ist wieder so eine Folge, die zeigt, dass Gene Roddenberry nicht unbedingt der beste Autor war. Er war gut darin, Konzepte wie das von Star Trek zu entwickeln, bei den einzelnen Folgen geriet er aber häufig ins Predigen oder arbeitete mit Sci-Fi-Prämissen, die schon fast schmerzhaft klischiert sind. Hier also Abraham Lincoln, der echte, der einzige, der wahre Präsident, der mit Kirk, Spock und Surak, dem Begründer der vulkanischen Philosophie, gegen Dschinghis Khan und drei andere fiese Individuen kämpfen muss, weil Lavamenschen sehen wollen, was nun obsiegt: das Gute oder das Böse. Mal ganz davon abgesehen, dass der Lavamensch ähnlich unansehnlich wie der Golgothaner in Dogma ist, ist dies eine Folge, die sich auf eine Formel herunterbrechen lässt: Es muss viel gekämpft werden, mit Stöcken und Steinen, aber auch mit Fäusten.

Einzig interessant an dieser Folge ist, dass mit Surak und mit dem klingonischen Kahless, der der Begründer des Klingonischen Reichs ist, zwei Figuren und die ihnen zugehörige Historie etabliert werden, die auch im weiteren Verlauf des Franchise immer wieder von Bedeutung waren.

Tag 35

Das letzte Highlight der Serie ist Portal in die Vergangenheit. Man erlebt hier Spock in der Eiszeit eines Planeten, vor 5.000 Jahren, was ihn sich wieder wie ein Vulkanier jener Zeit verhalten lässt. Eine interessante andere Version von Spock. Die Kirk-Story mit der Inquisitionsära ist auch gut, aber nicht ganz so packend. Spock kommt hier auch mal zum Zug, was Folgen hatte. Nicht im Kanon, aber schon in den Romanen. In den frühen 1990er-Jahren hatte ich die beiden Romanfortsetzungen von A.C. Crispin (Sohn der Vergangenheit und Zeit für gestern) gelesen. Spocks Schäferstündchen hat nämlich Konsequenzen.

Körpertauschgeschichten mag ich nicht besonders. Die geraten häufig einfach peinlich. Gefährlicher Tausch ist da keine Ausnahme. Es ist fast körperlich schmerzhaft, William Shatner dabei zuzusehen, wie er Kirk so spielt, als ob eine machtbesessene Irre in ihm stecken würde. Er ist hemmungslos am Chargieren und schneidet Grimassen, die allenfalls als Stoff für Memes taugen. Für mehr aber auch nicht. Die Gerichtsverhandlung ist hanebüchen und völlig abstrus. Das Ende auch. Überhaupt: Einen recht viel mieseren Abschluss der Serie hätte man kaum haben können.

Am Ende werden natürlich die Toten gezählt. Nicht alle, nur die Redshirts. Es stimmt zwar, dass Redshirts häufiger mal sterben, wenn sie auftauchen, eine eherne Regel ist das aber nicht. Es gibt genug Folgen, da sind sie am Ende noch putzmunter. Tatsächlich hat es in der ganzen Serie nur 21 Mitglieder des Sicherheitsdiensts dahingerafft.

Damit ist die Originalserie abgeschlossen. Nächste Woche geht es mit der ersten Animationsserie weiter.

Unsere Reihe Osterieds Sternenreise – Einmal quer durch Star Trek wird lose fortgesetzt.

Dadurch ergibt sich mit der Zeit ein schönes Rewatch-Tagebuch mit sehr persönlichen Betrachtungen eines langjärigen Fans und Schreibers.

Peter Osteried schreibt auch Bücher. Dazu gehören folgende Werke:

Interview mit Marilyn Monroe (Roman)

Es lebe der Planet der Affen

Es lebe Battlestar Galactica

Die Babylon 5-Chronik – Band #1

Die Babylon 5-Chronik – Band #2

Die Babylon 5-Chronik – Band #3

Die Babylon 5-Chronik – Band #4

Die Babylon 5-Chronik – Band #5

Die Babylon 5-Chronik – Band #6

9783959365130

Er ist außerdem Herausgeber und Redakteur der Zeitschriften MOVIESTAR, MOVIESTAR RETRO, TV SERIEN HIGHLIGHTS und DVD BLURAY SPECIAL aus seinem IMMUNDULA VERLAG.

Die Zeitschriften gibt es auch im Shop beim Verlag in Farbe und Bunt.

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