Andere Welten

Hörbuchecke: Der Fantasy-Hörspiel-Podcast Erdsee

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Unsere Birgit Schwenger hat für Euch in “Erdsee”, Ursula K. Le Guins berühmte Fantasy-Trilogie als 3D-Audio-Serie reingehört.

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Es lebe der öffentliche Rundfunk! Nachdem die BBC mit der englischen Fassung vorgelegt hat, legt nun der WDR mit der deutschen Fassung der Hörspiel-Serie basierend auf Le Guins Fantasy-Klassiker nach.

Bereits seit dem 1. Oktober 2022 sind die ersten drei Romane Der Magier der Erdsee, Die Gräber von Atuan und Das fernste Ufer auf allen gängigen Plattformen zum kostenlosen Download verfügbar. Der Podcast öffnet in sechs Folgen mit einer Dauer von jeweils ca. 40 Minuten das Tor zu einer der außergewöhnlichsten und größten Fantasy-Welten, die den Vergleich mit Tolkiens Mittelerde wahrlich nicht scheuen muss. Zeitlich sind die Geschichten – für Fantasy eher ungewöhnlich – in einem frühantiken Kosmos angesiedelt, allerdings mit Drachen und Magie.

Fantastisches Kopfkino

Über die amerikanische Realverfilmung der ersten beiden Bände der Saga aus dem Jahr 2004 decken wir lieber den Mantel des Schweigens. Die japanische Anime-Verfilmung Tales from Earthsea mag als Film an sich gelungen sein, als Verfilmung jedoch eher weniger. Umso schöner ist es hier vermelden zu können, dass die Umsetzung als Kino im Kopf vollends gelungen ist. Mit der eindrucksvollen Geräusch- und Klangkulisse sowie der exzellenten musikalischen Untermalung – lange hängt einem Arrens Lied noch nach, das er beim Fest des Floßvolkes singt – taucht man ein in das große Inselreich mit seinen hunderten von größeren und kleineren Inseln, in eine Welt voller Mythen und Magie.

Der Junge Ged lebt auf der Insel Gont ein einfaches Dasein als Sohn des Schmiedes. Doch als sein Dorf vom Kriegervolk der Kargs überfallen wird, wächst er über sich hinaus und spricht einen Nebelzauber, der die Feinde in die Flucht schlägt. Seine Taten sprechen sich schnell auf Gont herum, so dass Ged, genannt Sperber, vom großen Zauberer Ogion als Lehrling aufgenommen wird. In Ged schlummert ein großes magisches Talent, wie es seit Generationen niemand mehr in Erdsee gesehen hat.

Als Ogion ihn nichts mehr lehren kann, schickt er den Jungen zur Zaubererschule nach Rok, wo er einer der mächtigsten Magier des Inselreiches wird. Doch große Macht birgt auch große Gefahren in sich. Voller Stolz und Übermut beschwört Ged einen tödlichen Schatten herauf, den er mit all seiner Macht nicht zu bannen vermag. Auch von anderer Seite droht dem Inselreich Gefahr: Das einst friedliche Archipel, ist in mehrere kleine Inselstaaten und Reiche zerfallen, es kommt zu kriegerischen Überfällen, Menschen werden versklavt oder verfallen in ihrem Elend dem Rausch einer Droge.

Gemeinsam mit der Hohepriesterin Tenar, die in der Tempelstadt Atuan in einem unterirdischen Labyrinth über die Gräber der alten Mächte wacht, versucht Ged einen Schatz zu bergen, der das Inselreich wieder zu vereinen vermag. Aber die dunklen Mächte und Schatten sind nicht gebannt: Erdsee droht die Vernichtung sollte es Ged gemeinsam mit dem Fürstensohn Arren nicht gelingen, das Reich der Toten aus der Welt der Lebenden zurückzudrängen und die Magie selbst zu retten. Doch ihr Kampf scheint aussichtlos, denn selbst die mächtigen Drachen scheinen dem Untergang geweiht zu sein.

Der wahre Name verleiht Macht

Eingebunden in eine Rahmenhandlung, in der Ged und Tenar sich an ihre Jugend und die gemeinsam erlebten Abenteuer erinnern, erzählt der Podcast in geraffter Form die Handlung der ersten drei Erdsee-Romane. Dramaturgisch ist dies sehr gekonnt inszeniert, die richtigen Akzente werden gesetzt und die wesentlichen Ereignisse und Handlungsstränge aufgegriffen.

Durch die langsame, aber keineswegs langweilige Erzählweise hat man nicht den Eindruck, dass etwas fehlen würde, auch wenn die Bücher selbstverständlich viel mehr in die Tiefe gehen (können) und mehr Detailreichtum bieten. Eine Besonderheit ist es vor allem, die der Erdsee eigenen ist: Wer den wahren Namen eines Wesens oder Dings in der Ursprache kennt, erhält Macht über sie. Den wahren Namen weiß nur die Familie und die engsten Freunde, denn man vertraut ihnen damit im wahrsten Sinne des Wortes sein Leben an.

Es gibt keinen größeren Vertrauensbeweis, als jemand den eigenen wahren Namen zu enthüllen. Einzig die Drachen sprechen noch in der Ursprache, der wahren Sprache, und einen Zauberer, der es vermag mit den Drachen zu sprechen und dies überlebt, wird Drachenmeister genannt. Selbst wenn man sie im Hörspiel nur hören und nicht sehen kann, sind sie doch eindrucksvolle Geschöpfe, denen ihre mächtigen Stimmen dröhnend Gestalt verleihen. Kalessin, der älteste von ihnen, oder der mächtige Drache Orm Embar, der auf Selidor haust.

Fortsetzung folgt

Wer nun auf den Geschmack gekommen ist, dem sei wärmstens die Lektüre der kompletten Erdsee-Saga ans Herz gelegt. In drei weiteren Bänden – Tehanu, Geschichten von Erdsee und Der andere Wind – kehrte Le Guin ab 1992, 20 Jahre nach dem Erscheinen von Das fernste Ufer in ihre wundervolle, poetische Welt zurück, um uns Leser*innen mit neuen aufregenden Abenteuern und großen Geheimnissen zu beglücken. Diese werden voraussichtlich im ersten Quartal 2023 die Basis für die zweite Staffel bilden werden, auf die man schon sehr gespannt sein darf.

Neben den Fantasy-Romanen aus der Welt der Erdsee ist die Grand Dame der Science-Fiction-Literatur, die 2018 starb, mit ihrem Hainish-Zyklus berühmt geworden. Am 25. Januar erscheint daraus im Fischer Tor Verlag eine Neuübersetzung ihres Klassikers Die linke Hand der Dunkelheit.

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