Nach den ersten vier Episoden (und somit knapp einem Drittel der Staffel) ziehen wir erste Bilanz: Wohin bewegt sich die Story der Serie? Was ist mit den Figuren? Und wie sieht es überhaupt mit der Qualität des Formats aus?
uch wenn der Start der vierten Staffel von Star Trek: Discovery natürlich durch die Irrungen und Wirrungen rund um Netflix, Paramount+ und nun PlutoTV und einige Streaminganbieter übertönt wurde, gibt es selbstverständlich auch noch die Abenteuer der wackeren Crew, über die man sprechen sollte. Vier Episoden ist das aktuelle Jahr nun alt und hat somit die Drittelmarke erreicht. Ein guter Zeitpunkt auf die Themen, Figuren und Storylines zu schauen und zu fragen, wie gut sich die Serie entwickelt.
Wir fühlen uns da durch
Was sofort auffällt, ist der hohe Grad an Emotionalität, den die vierte Runde umweht. Freilich ist das ohnehin ein wichtiger Punkt der Serie, diesmal jedoch wurden die Gefühlsregler zum Start allesamt in den Deanna-Troi-Modus (der ersten TNG-Staffel) gedreht. Soll heißen: Alle auf dem Schiff schleppen Traumata mit sich herum, alle sind emotional belastet oder versuchen, mit Vergangenem umzugehen. Michael muss mit den Freuden und der Last ihres Kommandos leben lernen, Saru mit seinen Erlebnissen mit Su’Kal und auf Kaminar, Dr. Culber und Stamets weiterhin mit dem Ableben und Wiederauferstehen des Arztes, Adira und Gray mit der Suche nach einem neuen Körper für den Trill, Tilly mit ihrem gefühlten Versagen in der Sache mit Osyraa und zuletzt nun auch Book, der den Verlust seiner Heimatwelt und eventuelle Schuldrfragen wegstecken muss.
In den ersten Episoden wird daher auch extrem viel gesprochen, Empathie gezeigt, mitgefühlt und Anteil genommen. Star Trek: Discovery ist in dieser Hinsicht die menschlichste Serie aus dem Trek-Kosmos, lässt die vielen Gefühle aber teilweise auch überborden und in Situationen zu, die sich nicht wirklich gut mit einer Einrichtung wie der Sternenflotte in Einklang stehen. Ketzerisch gesagt: Anstatt uns Profis zu zeigen, die auch Gefühle besitzen, führt man uns extrem gefühlsbetonte Wesen vor, die zwischendurch auch mal professionell arbeiten. Der Grat mag schmal sein, die Serie hat in dieser Hinsicht ihe Balance aber noch nicht gefunden. Mal gelingt es besser (Wähle das Leben), mal schlechter (Die Anomalie).
Dabei ist es aber in jedem Fall weiterhin sehr lobenswert, dass dieser Ansatz überhaupt verfolgt wird. Vielleicht kann man den Troi-Regler ja im Rest der Staffel auch noch in moderatere Bereiche herunterfahren.
Der Untergang, Teil 4
Wie wir das gewohnt sind, kommt auch die vierte Staffel nicht ohne große Bedrohung beziehungsweise großes Mysterium aus. Nach den Klingonen und dem Spiegeluniversum, dem Roten Engel und dem Brand in den vorigen Staffeln, geht es diesmal um eine Anomalie, die alles zerstören könnte. Eindrucksvoll bekommen wir diese destruktive Eigenschaft an Books Heimatwelt vorgeführt. Die Crew muss nun also die Anomalie ersforschen und bestenfalls stoppen. In den ersten vier Episoden trat diese Bedrohung jedoch erstaunlicherweise ein wenig hinter all den anderen Geschichten zurück, so dass noch vollkommen unklar ist, worauf es hinauslaufen wird.
Einige Fans sehen in ihr Ähnlichkeiten zu V’ger aus dem ersten Kinofilm oder vermuten ein Wesen wie Nagilum (aus TNG) dahinter. Ob es am Ende wirklich ein Big Bad ist, der für die Anomalie verantwortlich zeichnet, oder es sich um ein natürliches Phänomen handelt (was erfrischend wäre), muss man abwarten. Interessant ist das Thema in jedem Fall, bedarf aber in den restlichen neun Episoden noch deutlich mehr Fleisch auf den Rippen.
Zwischenfazit
Auch die vierte Staffel beweist, was man schon seit einiger Zeit über die Serie weiß: Die Macher verstehen Star Trek und wollen auch unbedingt gutes Star Trek präsentieren. Inklusion, Diverstität, Gefühle und Empathie sind stete Begleiter der Plots, was aller Ehren wert ist. Auch in Sachen Umsetzung macht man keine Gefangene: Die Serie sieht top aus, hat einen starken Score zu bieten und legt mit der neuen AR-Wall nochmal eine visuelle Schippe drauf. Bei den Darsteller*innen gibt es wie bei jeder Serie Licht und Schatten. David Ajala alias Book ist jedoch die größte Entdeckung der bisherigen Episoden. Seine Performance ist in jeder Sekunde fesselnd.
Auf der anderen Seite krankt das Format aber auch immer wieder an bekannten Problemen. Die Drehbücher machen es sich oft zu leicht, die Handlung schlägt unnötige Haken und die Figurenzeichnungen bleiben teilweise oberflächlich. All das stört den Gesamteindruck weiterhin und verhindert, dass Star Trek: Discovery wirklich zu einer großartigen Drama-Serie oder eben einer großartigen Star-Trek-Serie wird. Ob der Rest der Staffel in dieser Hinsicht noch Abhilfe schafft, muss man abwarten.
Für den Moment bleibt Star Trek: Discovery somit die Serie der Schauwerte, die das Herz am rechten Fleck hat und den Idealen von Star Trek mit voller Energie nacheifert, dabei aber eben auch immer mal wieder übers Ziel hinausschießt oder unverständliche Prioritäten setzt. Unterhaltsam ist das Treiben aber ohne Frage und dem jüngsten Drama um den beendeten Netflix-Deal in jedem Fall ebenbürtig.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf www.syfy.de und ist Eigentum von NBC Universal Global Networks Deutschland GmbH. Er wird mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.