Sülters Woche

Sülters Woche #009: Warum Paramount mit der Brechstange am offenen Herzen operiert

Björn Sülter hält ein Modell der Raumstation DS9 vor seinem Gesicht

Im neunten Teil seiner Kolumnenreihe erklärt Björn Sülter, warum Paramount wie ein Elefant im Porzellanladen agieren muss.

© Fotoscheune

Oh, ist die Woche schon wieder um? Dann wollen wir doch mal schauen, was in der Trek-Welt so los war.

Ein neuer Tag, ein neues Drama

Schaut man sich die Überschrift und die Beschreibung des obigen Bildes an, könnte man schon eine Augenbraue hochziehen: “Brechstange am offenen Herzen” und “Elefant im Porzellanladen” heißt es da über Paramount – das klingt alles ziemlich dramatisch, man könnte fast sagen reißerisch. Es ist jedoch nur die – zugegeben überzogene – Beschreibung dessen, was aktuell mal wieder über das Fandom hereinbricht. Doch blicken wir zunächst ein wenig zurück.

Lernfähig

In der Causa Star Trek: Picard und Star Trek: Lower Decks hat Paramount+ zuletzt deutlich mehr Fingerspitzengefühl bewiesen, als zu einer anderen Gelegenheit in der Vergangenheit. Der Streamingdienst holte sich eine Art Co-Exklusivität, um Picards letztes Jahr parallel mit Amazon Prime auszustrahlen. Man mag sich kaum vorstellen, wie kompliziert die Verhandlungen und wie hoch die Entschädigungszahlung gewesen sein müssen.

Allerdings hatten wir das, wie angedeutet, schon viel schlimmer: Als Paramount nämlich Star Trek: Discovery kurz vor der vierten Staffel aus dem Schoß von Netflix riss, war das nur Tage vor der Premiere und erzürnte die Fans zurecht. Der kleine Trick mit Pluto TV konnte die Gemüter damals zumindest beruhigen.

Ehrlicherweise hatte Paramount damals aber auch gar keine andere Chance, als die Episoden auf dem eigenen, kostenfreien Dienst zu versenden, um die Wogen zu glätten. Diesmal ist die Gemengelage allerdings eine ganz andere. Man benötigte Picard als eigenes Zugpferd, verprellte aber in diesem Fall weder die Fans noch den Konkurrenten, der so viele Jahre Partner war. Gut so!

Die Disco schließt

Etwas anders sieht es seit heute wieder aus. Wie in unser aller Partyzeit (egal ob früher oder heute) geht irgendwann am frühen Morgen in jeder Disco das Licht an. Zeit nach Hause zu gehen. Auf der Discovery passiert nun das gleiche. Das mag keine große Überraschung sein, da schließlich alle guten Dinge irgendwann enden müssen, der Zeitpunkt sowie die Art und Weise verwundern jedoch.

Da wird ausgerechnet am Tag der neuen, gehypten Picard-Folge humorlos das Ende der Schwesterserie kommuniziert? Timing ist alles. Dazu kommt, dass Alex Kurtzman im Rahmen der vierten Staffel noch davon sprach, dass der Zeitsprung ihnen Stoff für viele Jahre ermöglichen würde. Ein einziges weiteres Jahr hatte er vermutlich dabei nicht im Sinn. Da die Staffel nun laut The Hollywood Reporter auch noch durch Nachdrehs zum Serienfinale umgebaut werden muss (und auf 2024 verschoben wird), ist zwar aller Ehren wert und erfreulich für die Fans, zeigt aber die Kurzfristigkeit der Entscheidung. Man darf davon ausgehen, dass Trek-Boss Kurtzman, Showrunnerin Michelle Paradise und der Cast nicht im Bilde waren. Das ist die eigentliche Überraschung.

Discovery ist die Serie, die Star Trek 2017 wieder auf die Landkarte brachte, die Star Trek im Streaming neue Möglichkeiten eröffnete. Nicht jeder mag sie, aber es gibt sie, die Fans der Abenteuer von Michael Burnham und ihrer wackeren Crew, die vor und hinter den Kulissen über die Jahre einiges erleiden mussten. Wäre es nicht schön gewesen, die finale Staffel vorab zu kommunizieren? Man hätte den Machern und dem Cast die Chance gegeben, die Erfahrung bewusst zu erleben. Letzte Staffel, letzter Drehtag, Wrap-Party. Wir wissen durch die Originalserie und Enterprise, dass es nicht immer so läuft wie bei TNG, DS9 und Voyager. Aber selbst Picard erhält nun nach drei Staffeln das versprochene klare, runde Ende. Discovery zieht man einfach den Stecker. Licht an, alle raus, bye bye. Das geht wirklich besser und ist den Fans und Beteiligten gegenüber unwürdig.

Alternativlos

Doch was steckt dahinter? Wir hatten es just dieser Tage berichtet: Die Streamingdienste stehen unter einem enormen Druck, wirtschaftlich zu arbeiten. Wenn man sich anschaut, was zuletzt für Formate abgesetzt wurden (man denke an 1899, Westworld, Raised by Wolves), sollte man nicht überrascht sein, dass nun auch bei Paramount+ die Spendierhose ausgezogen wird. Seit einer Weile wurde schon keine neue Trek-Serie mehr angekündigt. Die Short Treks sind lange vergessen, Picard endet im April und Discovery liegt nun noch bis irgendwann im Jahr 2024 auf der Intensivstation und wird künstlich am Leben erhalten, bis der letzte Vorhang fallen darf. Es bleiben Strange New Worlds (für das es noch keine offizielle Verlängerung für Staffel 3 gibt) sowie Lower Decks und Prodigy (deren Zukunft ebenfalls noch ungewiss ist). Der einst kommunizierte Plan, jede Woche Star Trek im Programm zu haben, wäre 2023 erstmals nahezu erreicht worden. Mit der Verschiebung des Discovery-Finals jedoch scheint er jedoch der Vergangenheit anzugehören.

Der Kurswechsel sollte zumindest zu denken geben. Setzen die Bosse schlicht auf Neues? Selektieren sie genauer? Am Ende zählen Zahlen, Statistiken und das liebe Geld. Die nächsten Monate werden zeigen, wie der Plan aussieht – und ob es überhaupt einen gibt. Kündigt man eine neue Serie an, man denke an eine Legacy-Show mit beliebten Figuren, verlängert Strange New Worlds und Teile der Animationsschiene, scheint es vorerst weiterzugehen, vielleicht nur etwas reduzierter als lange gedacht. Aber wäre das schlimm? Nein. Auch wenn es um jede Serie schade ist, die eine treue Fangemeinde erfreut, muss der seit 2017 forcierte Overkill nicht sein. Sollen sie doch zwei oder drei starke Serien parallel machen; vier, fünf oder gar sechs müssen es doch wirklich nicht sein. Auch bei Star Wars ist die qualitative Streuung so groß, dass man sich besseren Fokus wünschen würde. Passiert das, kann es der Sache am Ende nur dienlich sein. Wads bleibt ist die Art und Weise, wie dieser Schritt beschlossen und verkündet wurde. Daran darf man zukünftig gerne noch arbeiten.

Die Zukunft ist jetzt

Bei all diesen Gedanken können wir mit der großen Panik aber natürlich noch warten. Dieses Jahr begleitet uns gerade noch Picard, danach folgen Strange New Worlds (Staffel 2), Lower Decks (Staffel 4) und das zweite Jahr von Prodigy. In der Summe macht das auch einen ganzen Batzen Star Trek. 2024 folgt dann in jedem Fall das große Finale von Discovery und … tja, werden wir dann sehen. Verbleiben wir gespannt auf die nächsten Entwicklungen.

In diesem Sinne: Auf eine weitere trekkige Woche. Wir lesen uns.

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